Erstmals wird das französische Überseegebiet Neukaledonien mehrheitlich von einer Koalition der nach Unabhängigkeit strebenden Parteien geführt. Der Umbruch in der südpazifischen Region gibt den einheimischen Kanak Rückenwind für die Pläne der Sezession von Frankreich.

Wie berichtet, hatten die Minister der Pro-Unabhängigkeits-Parteien geschlossen ihren Rücktritt erklärt und damit die Regierung unter Präsident Thierry Santa platzen lassen. Hintergrund ist vor allem der Konflikt um den Wechsel der Eigentümerverhältnisse eines Nickelwerkes von einem internationalen Konzern zu einem anderen.

Die Parteien der Kanak streben nach der Unabhängigkeit Neukaledoniens.
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Machtverhältnisse umgedreht

Am Mittwoch wählte der Kongress Neukaledoniens die elf neuen Mitglieder der gemäß den Richtlinien des Nouméa-Vertrages von 1998 nach einem Kollegialitätsprinzip geführten Mehrparteienregierung. Sechs der elf Minister gehören nunmehr den Separatisten an, zuvor waren die Verhältnisse umgekehrt.

Thierry Santas Regierung wurde gestürzt.
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Möglich wurde dies durch die Zusammenarbeit der bisher in der Unabhängigkeitsfrage weitgehend neutral agierenden Kleinpartei Eveil Océanien (Erwachen des Ozeans, EO) mit der Plattform UC-FLNKS aus dem Front de libération nationale kanak et socialiste (Kanakische sozialistische Front der nationalen Befreiung, FLNKS) und der Union calédonienne (Kaledonische Union, UC). Diese erhielt so ebenso drei Posten in der Regierung wie die Union nationale pour l'indépendance (Nationale Einheit für die Unabhängigkeit, UNI).

Auf der anderen Seite hat die Loyalistenkoalition L'Avenir en confiance (Zukunft in Vertrauen, AEC) künftig vier Ministerämter und die Partei Calédonie ensemble (Kaledonien gemeinsam, CE) eines.

Samuel Hnepeune hat die besten Chancen auf den Präsidentenjob.
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Die in der Folge der Wahl der Regierungsmitglieder vorgesehene Kür des neuen Präsidenten war zunächst noch nicht erfolgreich. Drei Kandidaten standen zur Wahl doch keiner konnte eine nötige Mehrheit auf sich verbuchen. Neben dem wieder antretenden Santa bewarben sich zwei Vertreter der Separatisten, Louis Mapou and Samuel Hnepeune, um das Führungsamt – diese Spaltung des Lagers verhinderte eine Entscheidung.

Favorit Hnepeune

Bis Montag soll nach einem weiteren Wahldurchgang nun der neue Präsident Neukaledoniens feststehen. Als Favorit gilt immer noch UC-FLNKS-Kandidat Hnepeune, der vormalige Chef der Arbeitgebervereinigung Medef und der lokalen Fluglinie Air Calédonie. Mapou wiederum wird von UNI unterstützt, ihm wird die größere politische Erfahrung und ein breiterer Rückhalt in der Bevölkerung nachgesagt.

Louis Mapou (Bild Mitte) ist Kandidat der UNI.
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Wer auch immer das Rennen macht, steht vor einer polarisierten Bevölkerung des Archipels. Im Oktober des Vorjahres hatte eine knappe Mehrheit gegen die Unabhängigkeit Neukaledoniens gestimmt. Das Referendum war das zweite in einer im Nouméa-Abkommen festgeschriebenen Serie von drei möglichen Abstimmungen. Ein drittes Referendum soll 2022 abgehalten werden, durch den Wechsel der Kräfteverhältnisse in der Regierung wird nun auch ein Ja zur Unabhängigkeit ein Stück weit wahrscheinlicher. (Michael Vosatka, 19.2.2021)