Das Café Museum sieht von außen zwar geschlossen aus. Drinnen lernen aber Studierende und Schüler.

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Zu Hause sei es zu turbulent. "Ich brauche wirklich Ruhe. Das geht in einem Raum, in dem es immer laut ist, einfach nicht", sagt Ali. Der Jusstudent lebt mit seinen Eltern, zu Hause sei immer Trubel, weshalb er für gewöhnlich die Bibliothek am Juridicum nutzt. Seit einiger Zeit flüchtet er aber vor Familie und Lärm ins Kaffeehaus. Denn trotz Lockdowns durften im Dezember in Wien einige Lokale für Studierende, Schülerinnen und Schüler ihre Türen öffnen. Im Café Hofburg, einem traditionellen Wiener Kaffeehaus mitten im Ersten, lernt der 26-Jährige nun für Arbeits- und Sozialrecht. "Als ich davon erfahren habe, habe ich mich gleich angemeldet." Seither ist der junge Mann regelmäßiger Besucher in den Lerncafés – auch dem Café Museum hat er bereits einige Besuche abgestattet.

Um Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden ein bisschen Abstand vom Lernalltag zu Hause zu ermöglichen, hat die Stadt Wien daher im vergangenen Dezember die Lerncafés ins Leben gerufen. Das Café Museum war eines der ersten Lokale, die von Beginn an dabei waren. "Die Nachfrage von den Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden ist sehr groß", berichtet Betreiberin Irmgard Querfeld. Aus diesem Grund habe sich die Unternehmerfamilie entschlossen, ein weiteres ihrer Häuser zu öffnen und das Café Hofburg für Lernende zur Verfügung zu stellen.

Gut gebucht

Dort stehen auf den typischen runden Marmortischen kleine, in Zellophan gepackte Minigugelhupfe und Wasserflaschen. Am späten Nachmittag stehen viele der zehn Lernplätze leer. Nur noch vereinzelte Lernende sind zurückgeblieben. Früher an diesem Tag herrschte weitaus mehr Betrieb. "Wir sind eigentlich immer ausgebucht", sagt Querfeld. 1.274 Buchungen gab es seit Dezember in ihren beiden Betrieben, heißt es. Das Café Museum ist mit 839 Buchungen das bestgebuchte Lerncafé. 2.012 Buchungen waren es an allen Wiener Standorten.

"Es kann sehr belastend und frustrierend sein, wochenlang im Homeoffice oder Homeschooling in oftmals zu kleinen Wohnungen auszuharren", sagt auch Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr, der das Projekt gestartet hat. Es sei also "kein Wunder, dass den Menschen schön langsam die Decke auf den Kopf fällt" – und das schlage sich insbesondere auf die psychische Gesundheit der Jugendlichen nieder.

Abstand von Alltag

Vorerst nur bis Weihnachten geplant, wurden die Lerncafés wegen des regen Interesses auf unbestimmte Zeit verlängert – und zuletzt auch ausgebaut. "Auch wenn die Schulen nun wieder offen sind, brauchen Jugendliche und Studierende weiterhin alternative Rückzugsorte, denn gerade im Winter kann man nur schwer nach draußen ausweichen", sagt Wiederkehr. Zusätzliche Kaffeehäuser, wie etwa das Statt-Beisl im WUK oder das Jump Around haben sich der Aktion angeschlossen, aber auch bei den Volkshochschulen kann man seit rund einer Woche mehr als 70 Räume buchen, um ungestört zu lernen – Lerncafé Plus nennt sich das dann.

Warum die Volkshochschulen mitmachen? "Bildung bedeutet mehr, als nur für Schule und Beruf zu lernen. Oftmals fehlt es aber schlichtweg am geeigneten Ort, um etwas für sich selbst tun zu können", sagt Herbert Schweiger, Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen.

Neue Kaffeehausgeneration

Bewirten darf Querfeld die Lernenden übrigens nicht. Doch: "Dadurch wird das Wiener Kaffeehaus einer jüngeren Generation nähergebracht, die sonst vielleicht keine Anknüpfungspunkte zur Kaffeehaustradition hat."

Meltem war schon lange Kaffeehaus-Fan, wie sie erzählt. "Ich mag die Ausstattung, die Atmosphäre", sagt sie. Komisch sei es aber schon, dass man allein am Tisch sitzt und kein Heißgetränk mit Freundinnen und Freunden trinkt. Stattdessen schreibt sie nun im Café Museum an ihrer Masterarbeit in Bildungswissenschaften. In ihrer Wohngemeinschaft sei zu wenig weitergegangen – gerade wenn auch ihre Mitbewohnerin daheim sei. "Da will man dann gerne mal einen Kaffee gemeinsam trinken und plaudern", sagt die 25-Jährige.

Voraussichtlich bis Ostern müssen die Lokale aufgrund der Corona-Maßnahmen des Bundes jedenfalls geschlossen haben. So lange will Querfeld jedenfalls ihre Kaffeehäuser für Schülerinnen und Schüler offen halten. Und danach? "Das Kaffeehaus war immer ein Platz, um sich zu treffen, zu arbeiten und sich weiterbilden." (Oona Kroisleitner, 19.2.2021)