Zehn Infizierte am Wochenende, darunter ein Kind, 30 Betroffene am Dienstag, und zwei Tage später 40 Corona-Fälle: Der Kindergarten Loosdorf 1 im Bezirk Melk in Niederösterreich sieht sich mit einem wachsenden Corona-Cluster konfrontiert, der dazu führte, dass die gesamte Einrichtung mit vier Gruppen geschlossen wurde. Stand Donnerstag (8 Uhr) waren bereits fast ein Viertel (23,22 Prozent) der betreuten Kinder, nämlich 27 von 86, und 13 von 15 Mitarbeiterinnen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, bestätigte Bezirkshauptmann Norbert Haselsteiner auf STANDARD-Anfrage.

Knapp drei Stunden später berichtete die APA, die sich auf Angaben aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) bezog, über 41 Infizierte im Loosdorfer Kindergarten-Cluster.

Am 11. Februar war bei einer Kindergartenpädagogin ein Verdacht auf eine Infektion aufgetreten: "Entsprechend den Vorgaben wurde nach Vorliegen des positiven Testergebnisses unverzüglich das Contact-Tracing durchgeführt, sämtliche Kontaktpersonen K1 erhoben, diese häuslich abgesondert bzw. einer Testung zugeführt." Als K1 gelten alle Kindergartenpädagoginnen, Betreuerinnen und Kinder, die Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten, ebenso wie Personen aus dem familiären und sonstigen Umfeld der positiv Getesteten. "Alle erwachsenen Kontaktpersonen wurden einer Testung zugeführt. Kindergartenkinder wurden und werden nur mit Einwilligung der Eltern, die alle von der Bezirkshauptmannschaft informiert wurden, getestet", erklärte der Behördenchef.

Mobile Teams screenen benachbarte Schulen

Damit gehen die Niederösterreicher einen Schritt mehr auf Nummer sicher, als der Bund vorsehen würden, denn, so sagte Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) am Mittwoch zum STANDARD: "Für Kindergartenkinder sind entsprechend den Empfehlungen der Gesundheitsbehörde keine Tests vorgesehen. Wir werden heute als zusätzliche Maßnahme aus dem Bildungsbereich alle umliegenden Schulen des betroffenen Kindergartens von mobilen Testteams screenen lassen."

Die Landesregierung in St. Pölten hat bereits allen 11.000 Pädagoginnen und Betreuern in Kindergärten und Tagesbetreuungseinrichtungen sowie Tageseltern Anterio-Nasal-Tests, wie sie in den Schulen verwendet werden, zur Verfügung gestellt, als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme zu den verpflichtenden wöchentlichen Berufsgruppentestungen in Teststraßen. "Diese liefern rasche Ergebnisse und können Klarheit schaffen, wenn sich beispielsweise jemand vor dem Dienstantritt unwohl oder kränklich fühlt", sagte die Landesrätin.

Kindergärten sind Ländersache

Kindergärten sind ja Ländersache, aber das Bildungsministerium hat den Bundesländern angeboten, "bei der Koordinierung und Beschaffung von Tests zu helfen, sei es bei logistischen Fragen oder mit Informationen über angebotene Testprodukte", hieß es dazu aus dem Büro von Minister Heinz Faßmann. Auch das Land Oberösterreich hat bei der Bundesbeschaffungsagentur rund 45.000 Antigen-Selbsttests für die mehr als 10.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im elementarpädagogischen Bereich bestellt und Anfang Februar verteilt. In der Steiermark wurde das Kindergartenpersonal mit 21.000 Selbsttests und 100.000 FFP2-Masken kostenlos versorgt.

In Loosdorf dürfen die betroffenen Erwachsenen und Kinder nach dem Ende ihrer Quarantäne wieder in den Kindergarten. Und dann?

Viele Eltern, die Kinder im Kindergarten haben, sind verunsichert mit Blick auf das engmaschige Testnetz, das Bildungsminister Faßmann für die Schulen geknüpft hat. Bis auf die Berufsgruppentests gibt es keine fixe Teststruktur, die Kinder werden gar nicht testet.

"Kinder sollten auch getestet werden"

"Sollten sie aber", meint der Leiter der Kinderklinik I der Med-Uni Innsbruck, Thomas Müller. "Nur so bekommen wir ein Gespür dafür, was in den Kindergärten abgeht", sagt der Pädiater im STANDARD-Gespräch. "Bis jetzt ist der Kindergarten eine richtige Blackbox in der Pandemie. Wir müssen auch da genauer hinschauen."

In einem von ihm mitverfassten Positionspapier für eine sichere Öffnung von Kindergärten und Schulen mit mehreren Wissenschaftern anderer Fachbereiche wurden auch für Kinder in Kindergärten und Krippen zweimal pro Woche (dienstags und freitags) Antigentests mittels Nasentests unter Aufsicht des Betreuungspersonals gefordert. Das Personal selbst sollte verpflichtend sogar alle zwei Tage (Montag, Mittwoch, Freitag) getestet werden. Bei einem positiven Test (bestätigt durch PCR-Test) würde die betroffene Gruppe sofort für zehn Tage geschlossen: "Hier könnte man nach fünf Tagen Quarantäne die K1-Kinder wieder 'reintesten' lassen", schlägt Müller vor. Man müsse vor allem die Quellen der Infektionen finden und dort die weitere Ausbreitung stoppen.

Zusätzlich wären "FFP2-Masken zum Eigenschutz für das erwachsene Personal kein Fehler", meint der Kinderarzt, "auch wenn es nicht ideal ist, wie uns Kindergartenpädagoginnen sagen. Aber dann wären wohl zwei Tests pro Woche auch in Ordnung. Ansonsten jedoch auf alle Fälle ein Mund-Nasen-Schutz." Die Masken sollen täglich gratis zur Verfügung gestellt werden. Die Kleinkinder bleiben unmaskiert. Zusätzlich fordert das Wissenschafterkollektiv auch für den Elementarbereich ein nationales Monitoring mit Gurgeltest wie in den Schulen.

Aktuell sieht die epidemiologische Lage bei den Kleinkindern übrigens so aus: Laut Ages gab es im Zeitraum 27. Jänner bis 16. Februar 3.634 Kinder (1.960 Buben, 1.674 Mädchen) unter fünf Jahren mit bestätigter Sars-CoV-2-Infektion.

Kinder erkranken seltener und meist ohne oder mit milden Symptomen

Auf die Ages-Daten zum Infektionsgeschehen verweist auch der Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems bei der Frage, ob Kindergartenkinder ebenfalls einem systematischeren Testregime unterworfen werden sollten. "Kinder unter fünf Jahren sind die einzige Bevölkerungsgruppe, die eine Inzidenz unter 50 von 100.000 schaffen würde", sagt er im STANDARD-Gespräch. Sie erkranken seltener als Erwachsene und haben meist gar keine oder sehr milde Symptome.

Gartlehner hält es zudem für "wahrscheinlich schwer, Kindergartenkinder lückenlos zu testen. Das Mindeste wären Selbsttests für die Pädagoginnen. Außerdem sollten sie auf der Impfliste weiter oben gereiht werden." Generell seien regelmäßige Tests ein wichtiges Instrument bei der Pandemiebewältigung.

Laut dem unlängst überarbeiteten Covid-19-Impfplan des Gesundheitsministeriums vom 11. Februar kommt das Personal in Schulen, Kindergärten, Kinderkrippen und Kinderbetreuungseinrichtungen in Phase 2 dran. Die ist nicht durch einen konkreten Zeitpunkt definiert, sondern durch die "bessere Verfügbarkeit von Impfstoff", in der mit den Impfungen im niedergelassenen Bereich und in lokalen Impfstellen begonnen wird.

Elementarpädagoginnen sagen, die Eltern müssten testen

Für die Sprecherin des Netzwerks Elementare Bildung in Österreich (Nebö), Natascha Taslimi, sind FFP2-Masken im Umgang mit Kleinkindern "aus pädagogischer Sicht unzumutbar". Sie forderte Schnelltests oder Tests durch mobile Teams. Denn der wöchentliche Berufsgruppenpflichttest sei für viele wegen der Personalengpässe in der Dienstzeit nicht möglich.

Regelmäßige Testungen der Kinder finden sich hingegen nicht im Forderungskatalog der Berufsgruppenvertretung. Es gebe im Kindergarten schlicht keine ausreichenden Personalressourcen, um diese Tests durchzuführen: "Das könnte nur an die Eltern delegiert werden."

Mundspül-Spucktests als kinderfreundliche Möglichkeit

Wesentlich bei der Testung von Kleinkindern ist die Methode. Gurgeln können sehr junge Kinder in der Regel noch nicht, die "Nasenbohrertests" in den Schulen setzen ebenfalls eine gewisse motorische Geschicklichkeit voraus. Aber gibt es überhaupt kleinkinderfreundliche Testvarianten? Nachfrage beim Virologen Christoph Steininger von der Med-Uni Wien, der selbst einen Corona-Test mitentwickelt hat. Dieser basiert auf einer einminütigen Rachenspülung mit geschlossenem Mund. Die Salzlösung wird danach in ein Proberöhrchen gespuckt: "Mund spülen können Kinder, die Zähne putzen können", erklärt Steininger.

Die Stadt Wien will diese simple Anwendung im Rahmen eines Projekts mit der Wirtschaftskammer Wien nutzen und die Bevölkerung der Stadt bis Ende März mit verlässlichen Gratis-PCR-Tests ausstatten. Die Spucktests können zu Hause durchgeführt werden und gehen dann per Post an ausgewählte Labore, die binnen 24 Stunden das Ergebnis per SMS schicken: "Damit werden auch Kindergartenkinder die Option haben, sich daheim mit den Eltern testen zu lassen", sagt Steininger. Bei der österreichischen Teststrategie vermisst der Virologe "Einheitlichkeit und Klarheit. Epidemiologisch am sinnvollsten wäre es natürlich zu sagen: Man testet einfach alle durch – und fertig."

In Deutschland läuft eine Corona-Kita-Studie

Was das Thema "Blackbox Kindergarten" anlangt, liegt das pandemische Geschehen in Deutschland übrigens weniger im Dunkeln als in Österreich. Das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Deutsche Jugendinstitut wollen mit der Corona-Kita-Studie herausfinden, "wie sich die Pandemie auf die Kindertageseinrichtungen und die Tagespflege auswirkt und welche Rolle Kinder im Vorschulalter bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 spielen".

Laut dem jüngsten Monatsbericht über den Jänner wurden in Kalenderwoche 2 in Deutschland 2.069 Kinder bis fünf Jahren als Corona-Fälle übermittelt, was einer Inzidenz von 44 Fällen pro 100.000 entspricht. "Ihr Anteil an allen Meldefällen betrug in dieser Woche 1,9 Prozent und liegt damit weiterhin deutlich unter dem Bevölkerungsanteil (5,7 Prozent)." 2,0 Prozent der Fälle in KW 2 waren im Alter von sechs bis zehn Jahren, 1,8 Prozent zwischen elf und 14. Der Anteil der 15- bis 20-Jährigen beträgt aktuell 5,9 Prozent und liegt damit leicht über dem Bevölkerungsanteil dieses Alterssegments (5,8 Prozent).

Weiters berichtet das RKI im Jännerbericht, dass bisher 1.141 (3,6 Prozent) Covid-19-Fälle im Alter bis fünf Jahren in ein Krankenhaus eingewiesen und 19 Fälle (2,1 Prozent) auf der Intensivstation behandelt werden mussten. "Es wurden bislang sieben Covid-19-Todesfälle bei den Null- bis Fünfjährigen übermittelt, von denen bisher vier (0,01 Prozent) validiert sind."

Als "Ausbruch" gelten mindestens zwei bestätigte Corona-Fälle

Als "Ausbruch" wertet das RKI "mindestens zwei laborbestätigte Covid-19-Fälle". Mit Datenstand 18. Jänner wurden bis Mitte Jänner (KW 2) insgesamt 781 Ausbrüche mit dem Infektionsumfeld "Kindergarten, Hort" (die beiden Einrichtungen werden in den Daten nicht getrennt) übermittelt, denen 4.172 Fälle zugeordnet wurden. Vor Weihnachten nahmen die gemeldeten Kita-Ausbrüche noch einmal deutlich zu und erreichten Mitte Dezember mit 105 Fällen einen Höhepunkt.

"Seit dem harten Lockdown in KW 51 war ein sehr rascher Rückgang der wöchentlich übermittelten Kita-/Hort-Ausbrüche zu erkennen. In den letzten Wochen bewegten sich die Ausbrüche auf einem niedrigen Niveau. Dies kann vermutlich auf die seitdem eingeführte Notbetreuung in den Kitas und die damit verbundene niedrigere Inanspruchnahme der Kindertagesbetreuung zurückgeführt werden", heißt es im RKI-Bericht. Auch die Feiertage hätten wahrscheinlich dazu beigetragen. Mitte Jänner war wieder ein leichter Anstieg der Kita-/Hort-Ausbrüche zu erkennen. Wobei zu beachten ist, dass die Erfassung von Covid-Ausbrüchen "mit einer gewissen Verzögerung erfolgt".

Größere Ausbrüche in Kindergärten und Horten "die Ausnahme"

Größere Ausbrüche im Kita-/Hort-Setting seien "weiterhin die Ausnahme". Im Median kommen vier Covid-19-Fälle pro Ausbruch vor – der Median gibt an, dass eine Hälfte aller Ausbrüche mehr, die andere Hälfte weniger als vier Betroffene hatte. Den größten Anteil der insgesamt 4.172 Fälle von einem Kita-/Hort-Ausbruch machen Fälle im Alter von 15 Jahren und älter mit 2.458 Fällen (59 Prozent) aus.

Rund ein Drittel der Fälle war 0 bis 5 Jahre alt. Bei zwei Dritteln (68 Prozent) aller gemeldeten Kita/Hort-Ausbrüche waren auch Kinder bis fünf Jahren Teil des Ausbruchs. 66 Ausbrüche (acht Prozent) wurden ausschließlich Kindern im Alter von null bis zehn Jahren zugeordnet. Im Vergleich dazu wurden bei mehr als einem Viertel (202 Ausbrüche; 26 Prozent) nur Fälle im Alter von 15 Jahren und älter gemeldet.

Die Kita-/Hort-Ausbrüche nehmen jedoch laut der RKI-Studie "insgesamt einen geringen Anteil von acht Prozent an allen Ausbrüchen ein, in denen Kinder im Alter von null bis fünf Jahren Teil des Ausbruchs waren". Das wahrscheinliche Infektionsumfeld "Kita" mit der Zusatzinformation, dass der Fall dort betreut wurde, wurde bisher bei 529 Fällen im Alter von null bis fünf Jahren angegeben. "Dies bedeutet nicht, dass sich die Fälle dort auch infiziert haben müssen", wird in der Studie betont. (Lisa Nimmervoll, 18.2.2021)