Ganz großartig würde sich die Location als Bühnenbild für Gerhard Polt eignen. Doch in dieser Stube zöge es wohl auch dem Großmeister des bayerischen Kabaretts die Gänsehaut auf. Das Studio, das die CSU anlässlich ihrer virtuellen Aschermittwoch-Sause baute, gleicht einem rustikal-kitschigen Kabinett des Schreckens. Ein Raum, in dem CSU-Chef Markus Söder Platz nimmt, um als bäriger Spezi via Internet zum Volk zu sprechen.

Die Ingredienzien machen staunen: Bauernstube samt Kachelofen, bayerisches Wappenschild, ein Poster vom bayerischen CSU-Lieber-Gott und Säulenheiligen Franz Josef Strauß, FC-Nürnberg-Wimpel, Bierkrüge – und statt einer Pumuckl-Puppe, also einem Symbol eines wahren Münchner Kindls, ein R2-D2-Roboter, was auf die "Star Wars"-Affinität des bayerischen Ministerpräsidenten hinweisen dürfte, vielleicht aber auch als ein Wink in Richtung einer starken und technikgläubigen Zukunft herhalten soll. Wer jetzt an eines der berühmtesten Filmzitate der Geschichte, nämlich "Möge die Macht mit Dir sein" denkt, ist kein politischer Schlaumeier, denn dieser Gedanke liegt auf der Hand wie der Bierkrug, den Söder dann bei seiner Rede zum Aschermittwoch hochhebt. Söder weist darauf hin, dass er lediglich an Cola light nippe. Sauberer Pfundskerl, Prost, Bayern! Auch die Laugenbrezen und das drapierte Jausenbrett wirken wie Plastik-Sushi aus der Auslage eines asiatischen Lokals.

"Das Ganze wirkt, als wäre es nach einer Haushaltsauflösung am Flohmarkt gelandet", findet Sebastian Hackenschmidt, Kustode für Möbel am Wiener Museum für angewandte Kunst. Er sieht die Stube als zusammengestoppeltes Horrorkabinett. "Die Szene scheint wie aus einem schlechten Theaterstück. Alles soll auf einen Blick stimmungsmäßig erfassbar sein. Lebendig ist anders."

Orientteppich und "Star Wars"

Ganz besonders sticht dem Wissenschafter das vergleichsweise schlichte Nachtkastl links im Bild ins Auge. "Aus dem Bauch heraus gesagt, könnte es ein Möbel sein, wie es in Deutschland in den 30er-Jahren gebaut wurde." Noch mehr irritiert Hackenschmidt der Orientteppich unterm Stubentisch, nicht nur, aber auch weil Söder einst von sich gab, in ein bayerisches Klassenzimmer gehöre ein Kruzifix und kein Kopftuch. Man könnte meinen, Orientteppiche liegen vielerorts herum, aber Hackenschmidt kommt genau einer in den Sinn, nämlich jener Bodenbelag, der auf einem Foto in der großen Halle von Hitlers Berghof aus dem Jahre 1936 zu sehen ist. "Vielleicht will man damit auch sagen, wir haben den Islam schon auch bei uns dahoam," so der Mak-Mitarbeiter.

Foto: APA/dpa Pool/Peter Kneffel

Das Kruzifix ist in Söders Pseudo-Stube zwar vorhanden, aber Hackenschmidt vermisst ein wenig den Herrgottswinkel, gerade weil das Porträt von Franz Josef Strauß diesen wunderbar flankieren würde. Was dem Möbelauskenner zu Strauß und "Star Wars" einfällt? "Die Starfighter-Affäre 1957, einer von vielen Skandalen dieses 'großen starken Mannes', nach dem auch der Münchner Flughafen benannt ist." Einen Zusammenhang sieht er auch zwischen dem Kruzifix und dem großen Foto, auf dem Söder auf dem Bildschirm einer Veranstaltung zu sehen ist. Sebastian Hackenschmidts Kommentar: "Von Gottes Gnaden."

Der Landtagskorrespondent der "Münchner Abendzeitung", Ralf Müller, schreibt hierzu von einem Voranschreiten der Söderisierung in der CSU. Doch gab es neben diesem Prosit auf die inszenierte Gemütlichkeit mit Referenzen an die "gute alte Zeit" auch wirklich Eingemachtes. Söder parliert in seiner Rede von "Passauflimmern", das er vermitteln möchte, davon, "Bayern zu verstehen", von Bayern als "Revier" und von Corona als "Prüfung", die es zu bestehen gelte. Freilich, steht doch die CSU für eine christlich-soziale Partei. Für weniger Gläubige setzt er nach: "Corona macht null Spaß." Söder bittet durchzuhalten in diesen ernsten Zeiten, sagt, "das Virus ist schuld" und klopft sich auf die Schultern im Janker, wenn er meint, "wir haben das bisher doch ganz gut gemacht". Weiters meint der starke Mann Bayerns, er bleibe der Familie der CSU immer treu. Dafür gibt es dann virtuellen Applaus samt Fähnchen und natürlich Blasmusik. Na dann, Prost! (Michael Hausenblas, 18.2.2021)