Das ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg. Im Vordergrund unter dem gerippten Dach sollen künftig die Journalistinnen und Journalisten gemeinsam für TV, Radio, Online und Social Media arbeiten.

Foto: ORF

Was soll aus ihnen werden, wenn der ORF die Redaktionen von TV, Radio, Online bis Mitte 2022 in einem großen neuen Newsroom auf dem Wiener Küniglberg zusammenlegt? Um das zu erfahren, kommen am Freitag Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter und seine Stellvertreterin Gabi Waldner, TV-Chefredakteur Matthias Schrom und Stellvertreterin Eva Karabek, Online-Chefredakteur Gerald Heidegger und noch 30 andere zur Skype-Klausur mit ihrem Generaldirektor Alexander Wrabetz zusammen.

Wer wird diesen neuen, großen, zentralen Newsroom führen? Wie wird er organisiert? Und wie lässt sich in dieser zentralen Newsmaschine organisieren, was das Gesetz dem ORF vorschreibt – nämlich unabhängige, vielfältige, qualitätvolle Information, womöglich auch im noch engeren Austausch mit dem Publikum?

Die STANDARD-Leserinnen und -Leser in der ORF-Belegschaft wissen spätestens seit 1. Jänner, in welche Richtung es da gehen soll, der "Kurier" berichtete diese Woche ebenfalls.

Drei "Säulen" sollen die ORF-Information künftig tragen:

  1. Ein Newsdesk soll für die aktuellen kürzeren Elemente sorgen, von den Kurz-"ZiBs" bis zu Social-Media-Posts – das "journalistische Grundrauschen" nennt das etwa Karlheinz Papst, einer der Projektmanager. Der Newsdesk soll auch internationales Material und Beiträge beobachten und filtern wie derzeit vor allem das Außenpolitikressort. Für dessen Leitung kursieren schon erste Namen – etwa der bisherige Brüssel-Korrespondent Peter Fritz.
  2. Sendungsteams, wie sie ja etwa die "ZiB 2" schon hat, und Kanäle, also etwa die Ö3-Information oder die Ö1-"Journale".
  3. Ressorts – wo sich wie berichtet für Herbst ein großer Personalpoker abzeichnet. Bisher – bis auf Testballons wie Religion und Wetter – für Radio und TV getrennt geführte Ressorts sollen multimedial zusammenwachsen, die Ressortführung neu ausgeschrieben werden. Das wird bei der Innenpolitik besonders interessant – im Fernsehen ist Hans Bürger langjähriger Ressortleiter, im Radio Edgar Weinzettel. Und die Zugänge der beiden Teams unterscheiden sich bisher doch merkbar.

Der Newsroom bekommt zudem, wie berichtet, eine eigene Technik und eine eigene wirtschaftliche Organisation samt Management.

Newsroom-Chefs

Wirklich zentral wird aber die Frage des journalistischen Newsroom-Managements. Interner Diskussionsstand nach STANDARD-Infos: Eine so große Organisation könne keine Einzelperson leiten, wenn all jene beruhigt werden sollen, die einen neuen zentralen Chefredakteur oder eine zentrale Chefredakteurin befürchten – mächtiger als einst Werner Mück unter der ÖVP-FPÖ-Regierung ab 2002 im ORF. Mück leitete alleine die Fernsehinformation recht zentral, künftig sind auch alle übrigen ORF-Medien und -Kanäle im Newsroom.

Aber zugleich sagen Menschen mit tiefem Einblick in das Projekt: Es werde dann doch wohl einen oder eine Verantwortliche(n) geben müssen. Um gleich anzufügen: aber auch mehrere StellvertreterInnen, die das operative Tagesgeschäft im Newsroom übernehmen. Diese StellvertreterInnen könnten sich im Tagesgeschäft abwechseln, womöglich aber auch zusätzlich für bestimmte Medien – TV, Radio, Online etwa – zuständig sein.

Denn nach bisherigem Informations- und Diskussionsstand dürfte es mit dem Newsroom etwa keinen Radio-Chefredakteur mehr geben, sondern eher den einzelnen Kanälen zugeordnete Infochefs. ORF 1, ORF 2 und ORF 3 haben schon Chefredakteure – wobei der Großteil der TV-Information zu ORF 2 ressortiert. Und die Flaggschiffe der Radioinformation laufen auf Ö1.

Jobs, Jobs, Jobs

Mit der Newsroom-Führung, Ressortleitungen und teils auch neuen Sendungs- und Plattformchefs kommt auf die ORF-Information insgesamt die größte Neuorganisation seit Jahrzehnten zu.

Sie vervielfacht die Möglichkeiten personeller Deals im Jahr der Bestellung der nächsten ORF-Führung. Generalswahlen sind schon ganz ohne Newsroom-Projekt mit vielen Personalfragen verknüpft – neben dem Alleingeschäftsführer an der ORF-Spitze mit den derzeit vier, künftig womöglich drei Direktionsjobs in der Zentrale sowie neun Landesdirektionen und danach auch Landeschefredaktionen, wenn die Amtsträger zu Direktoren aufrücken.

Der amtierende ORF-General, mit großem taktischem Geschick der längstdienende aller Zeiten in der Funktion, dürfte sich für den Job neuerlich bewerben, auch wenn er darüber bisher schweigt.

Eine ÖVP-nahe Mehrheit, die erste seit Jahrzehnten, entscheidet im Sommer über die Besetzung. (fid, 19.2.2021)