Die nächste Android-Generation betritt erstmals die Bühne.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Das Rad der Weiterentwicklung steht auch in Zeiten der Pandemie nicht still: Mit dem Developer Preview 1 hat Google nun die erste Testversion für Android 12 veröffentlicht. Wie gewohnt konzentriert man sich dabei zunächst ganz auf strukturelle Verbesserungen an der Softwarebasis sowie neue Möglichkeiten für App-Entwickler, während für die Nutzer wirklich sichtbare Änderungen erst mit späteren Previews folgen sollen. Und doch zeichnet sich auch hier schon gut ab, in welche Richtung die weitere Entwicklung geht.

Benachrichtigungen

Mit der neuen Softwaregeneration will Google das Design von Benachrichtigungen grundlegend überarbeiten. In der offiziellen Ankündigung heißt es dazu, dass nicht nur der Look moderner, sondern diese künftig auch einfach zu benutzen sein sollen. Allerdings ist all das zunächst nur bruchstückhaft vorhanden, der optische Umbau soll also erst mit späteren Testversionen voll zur Geltung kommen. Jedenfalls gibt es dazu passend nicht nur neue Übergänge und Animationen, auch die Performance beim Wechsel von Benachrichtigung auf die zugehörige App soll in Zukunft besser sein – quasi nahtlos, so zumindest das Versprechen.

Eine weitere signifikante Performance-Verbesserung gibt es in einer der wichtigsten Android-Komponenten, dem zur Interprozesskommunikation genutzten Binder. Durch eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen sollen Binder-Aufrufe nun im Schnitt doppelt so flott sein. Bei einzelnen Aufgaben spricht man noch von wesentlich größeren Zugewinnen, etwa den Faktor 47 beim Aufruf des ContentProvider oder auch Faktor 15 beim Aufheben von Wake Locks. Ein weiteres bekanntes Performance-Defizit geht man mit neuen Beschränkungen für im Vordergrund laufende Services an. Diese dürfen künftig nicht mehr aus dem Hintergrund gestartet werden, stattdessen gibt es im JobScheduler neue Möglichkeiten um solche Aufgaben mit hoher Priorität durchzuführen – unabhängig von den Beschränkungen durch Stromsparmaßnahmen und doch zentral abgewickelt und so weniger problemanfällig.

Die Runtime wandert zentral zu Google

Mit den Google Play System Updates ("Project Mainline") hat Google zuletzt die Wartung einzelner Android-Bestandteile unter die eigene Kontrolle genommen. Unabhängig von großen Softwareupdates durch den Gerätehersteller gibt es also bei aktuellen Geräten regelmäßig Updates zentraler Module wie des Media-Frameworks, des Berechtigungssystems oder auch wichtiger Netzwerkkomponenten direkt von Google. Mit Android 12 kommt hier nun eine weitere – und wohl bisher die wichtigste – Komponente hinzu: Die Android Runtime (ART). Diese ist für die Ausführung praktisch aller Apps zuständig, und spielt damit eine wichtige Rolle. Die zentrale Pflege durch Google selbst soll nun neben regelmäßigen Aktualisierungen auch Kompatibilitätsprobleme durch Änderungen von Drittherstellern ein Ende bereiten – worüber sich so mancher App-Entwickler freuen dürfte.

Privacy

Gerne betont Google seine Bemühungen zur Verbesserung der Privatsphäre von Android-Nutzern. Tatsächlich hat sich in dieser Hinsicht in den vergangenen Versionen einiges getan. Mit Android 12 will man diesem Trend treu bleiben. So soll etwa der Zugriff auf eindeutig identifizierbare Hardwaremerkmale wie die Netlink MAC weiter beschränkt werden. Bei Apps, die Android 12 adressieren, wird dann statt der echten Nummer einfach ein leerer Wert geliefert. Auch führt man beim für die Einbettung von Webinhalten in Apps genutzten Webview jenes SameSite-Cookie-Verhalten ein, das bei Chrome bereits zum Einsatz kommt – was nicht zuletzt die Transparenz für Nutzer erhöhen soll. Und auch der Zugriff auf nicht-offiziell spezifizierte Schnittstellen des Entwicklungskits wird – einmal mehr – eingeschränkt. Google betont dabei, dass weitere Privacy- und Security-Verbesserungen in späteren Versionen folgen werden. Ob man damit auch Anti-Tracking-Maßnahmen – wie sie zuletzt nach dem Vorbild von Apple auch rund um Android kolportiert wurden – meint, muss sich allerdings erst zeigen.

Multimedial

Zu den neuen Möglichkeiten gehört die Unterstützung für das Bildformat AVIF (AV1 Image File Format), das eine deutlich bessere Bildqualität bei gleicher Größe im Vergleich zu anderen Formaten wie JPEG bieten soll. Zu anderen Codecs: Viele aktuelle Smartphones unterstützen in der Hardware bereits HEVC, allerdings sind nicht alle Apps damit kompatibel. Ein neuer Transcoding-Dienst soll nun automatisch solche Dateien ins gebräuchlichere AVC-Format umwandeln, wenn kein nativer HEVC-Support vorhanden ist – zumindest so die App-Entwickler das wollen. Das Ganze ist also als eine Art Brückenlösung gedacht, um die Kompatibilität mit HEVC in Apps auf einfache Weise zu verbessern.

Verbessert wurde die Unterstützung für Multikanal-Audio und hier vor allem für räumliche Informationen. Dazu gehört die Unterstützung von MPEG-H-Wiedergabe, außerdem wurden Audio Mixer, Resampler und Effekte nun für bis zu 24 Kanäle optimiert – statt wie bisher acht. Gerade für Spielentwickler interessant sein dürften neue Möglichkeiten für haptisches Feedback, das nun auch an Audio-Effekte gekoppelt werden kann. Weitere Optimierungen gab es für die Nutzung der Gestensteuerung im "Immersive Mode", also wenn das Geschehen den gesamten Bildschirm einnimmt. Und ebenfalls neu: Einheitliche Programmierschnittstellen für unterschiedliche Wege Inhalte einzufügen – über Tastatur über den Zwischenspeicher bis zu Drag and Drop.

Download

Die erste Developer Preview für Android 12 steht ab sofort für sämtliche aktuell noch offiziell unterstützte Pixel-Smartphones zum Download – also ab dem Pixel 3. Google betont dabei allerdings, dass es sich noch um eine frühe Testversion handelt, die nur für Entwickler aber nicht für Endnutzer bestimmt ist. Entsprechend soll das offizielle Betaprogramm, mit dem dann einfach auf die neue Version aktualisiert werden kann, erst später starten. Bis dahin muss die neue Version manuell aufgespielt werden. Wie immer gilt allerdings, dass diese nicht für den Alltagseinsatz zu empfehlen, zu viele Fehler gibt es üblicherweise noch so früh im Entwicklungszyklus.

Auch für Android TV

Gerne betont Google die vielfältigen Einsatzgebiete für sein Betriebssystem – von der Smartwatch über Smartphones und Tablets bis zu TV-Geräten. Die Realität ist aber, dass viele dieser alternativen Ausgaben der Entwicklung der Smartphone-Version zum Teil deutlich hinterherhinken. Insofern ist es erfreulich, dass es dieses Mal auch gleich eine erste Developer Preview von Android 12 für Android TV gibt – wenn auch vorerst nur für Googles Entwicklerplattform ADT-3. Das ist auch deswegen interessant, weil etwa das aktuelle Chromecast mit Google TV derzeit noch nicht einmal die Aktualisierung auf Android 11 erhalten hat.

Ausblick

Der weitere Zeitplan sieht jedes Monat eine neue Testversion vor. Besonders interessant könnte es da zur Veröffentlichung der ersten Beta im Mai werden. Da nimmt Google nämlich üblicherweise die Integration der für die Nutzer sichtbaren Neuerungen vor. Zuletzt war etwa von einem "Material NEXT" genannten Redesign der Oberfläche die Rede, das mit einem deutlich erweiterten Theming-System einhergehen soll. Auch von einem eigenen Gaming-Modus, App-Paaren und nicht deaktivierbaren Privacy-Indikatoren bei Nutzung von Kamera und Mikrofon war bereits zu hören. Die stabile Version von Android 12 wird dann für September erwartet – zumindest für Pixel-Geräte. Zuvor sind aber noch sieben weitere Testversionen geplant. Einen offiziellen Codenamen tragen neue Android-Releases zwar mittlerweile nicht mehr, wer trotzdem unbedingt einen Spitznamen verwenden will: Intern soll Android 12 bei den Google-Entwicklern als "Snow Cone" firmieren. (Andreas Proschofsky, 18.02.2021)