Festivalstimmung im virtuellen Raum: Die Social Area des Medienkunstfestivals CIVA dient zum Plaudern.

Foto: CIVA Menegon Zago

Auf jeder Wolke schwebt ein anderes skurriles Ding: Handybildschirme, eine Europaflagge mit ziemlich devastierten Sternen, eine Art Luftballon. Ein Lieblingskunstwerk von Eva Fischer kommt aber von Margarete Jahrmann und Thomas Wagensommerer: eine Frauenfigur im schwarzen Reifrock. In den vergangenen Lockdowns ist die Wiener Künstlerin Jahrmann in ähnlicher Aufmachung über den Graben spaziert und hat so auf das pandemiebedingte Abstandhalten angespielt. Für die Onlineausstellung des neuen, heute startenden Wiener Medienkunstfestivals Civa hat das Duo sein Werk erweitert: Klickt man die Animation an, findet man sich in einer Fotogrammetrie von Wien wieder. Über EEG-Messung interagieren die Künstler mit der Arbeit. Es geht um Kontakt.

Zukunftsvisionen dank Technologie

Cassie McQuater hat für ihren Beitrag im digitalen Schauraum weibliche Charaktere aus alten Computerspielen geholt und verpasst ihnen neue, bessere Geschichten. In 18 weiteren Werken geht es um politisches Engagement im virtuellen Raum, die Balance von digital und analog oder nachhaltige Zukunftsvisionen dank Technologie. Die Schau ist das Herzstück von Civa, die Abkürzung steht für Contemporary Immersive Virtual Art. In den 1990ern war Wien mit Projekten wie Public Netbase oder Phonotaktik schon einmal weit vorne auf dem Gebiet zeitgenössischer digitaler Kunst. In jüngerer Zeit gab es die Festivals Coded Cultures, Paraflows oder Soundframe. Dies soll Civa fortsetzen.

Seit letztem Sommer arbeiten Leiterin Eva Fischer und ihr Team an dem Festival. An Beiträgen herrschte kein Mangel. Die Mischung aus heimischen und internationalen Künstlern und Experten war ihnen wichtig, Vernetzung der Szene untereinander ein Anliegen.

Das Überthema der neun Tage langen Ausgabe lautet passend zur Corona-Situation Social Distancing – Virtual Bonding, es geht also darum, wie es uns aktuelle Technologien ermöglichen, verbunden zu bleiben. Aber man will dabei kritisch sein, macht Fischer deutlich.

Digitale Freundlichkeit

Einen Beitrag dazu liefert etwa die Hausordnung. "Wir haben uns gefragt, wie können wir Safe Spaces gegen Trolle und Hatespeech ermöglichen?" Denn es gebe noch gar nicht so viel dagegen. Weil das Thema über das Festival hinaus für alle sozialen Netzwerke relevant ist, wird es auch ein Diskursprogramm zu "Love Speech" geben. Das Wiener Design studio Process forscht etwa, wie sich positive Symbole generieren lassen. Panels gibt es auch zu "Meinungsfreiheit", "Cyberaktivismus", "Netz und Natur". Gesellschaftspolitik ist so wichtig wie technische Entwicklungen.

Dennoch will man dem Festivalaspekt gerecht werden, auch im nur virtuellen Reich. Soziale Räume und thematische Chatgruppen laden ein, miteinander zu plaudern. Abends warten Musik- und Filmprogramme. Wer will, kann auch dahinter ein größeres Interesse sehen: Welche neuen Formate lassen sich finden, um Musik dank Digitalität neue Bühnen zu eröffnen? Mira Lu Kovacs und Musikerkolleginnen werden etwa über eine Feedbackschleife mit ihrem Publikum verbunden sein.

Das Festival ist gratis und weitgehend ohne Anmeldung zu erkunden, zum Mitverfolgen reicht der Browser am PC oder Smartphone. Wer tiefer eintauchen will, kann das über Plattformen wie Twitch oder Virtual-Reality-Headsets tun. (Michael Wurmitzer, 19.2.2020)