Gigantische Rechenzentren sind notwendig, um Digitalwährungen wie Bitcoin herzustellen. Zerstört das deren Potenzial für den Klimaschutz?

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Ist den Märkten das Klima egal? Zumindest lässt sich mit der Erderwärmung nach wie vor gutes Geld verdienen. Ölunternehmen wie Exxon Mobil und Shell gehören zu den lukrativsten Unternehmen der Welt, Kohlekraftwerke werden immer noch mit Milliardenbeträgen gefördert. Und im Privaten? Da freuen sich viele Firmen, wenn wir weiter fröhlich durch die Welt jetten und Fleisch essen.

Ökonominnen und Ökonomen zufolge muss das nicht so sein. Seit Jahren setzen sich viele von ihnen dafür ein, mittels CO2-Steuern oder Emissionshandels klimaschädliches Verhalten teurer zu machen. Aber einigen Finanzexperten und Expertinnen gehen die Vorschläge nicht weit genug.

Ihre Idee: Warum führen wir nicht eine digitale Währung ein, die klimafreundliches Verhalten belohnt, anstatt CO2-Sünder zu bestrafen? Alle, die der Atmosphäre CO2 entziehen, etwa, indem Bäume gepflanzt oder landwirtschaftliche Flächen renaturiert werden, sollen mit der neuen "Klima-Währung" bezahlt werden. Laut den Befürworterinnen und Befürwortern würde Klimaschutz damit zu einem lohnenden Investment werden. Aber kann das auch funktionieren?

Die Geburt der Idee

Die Vorschläge für eine digitale Klima-Währung kommen von unterschiedlichsten Seiten. In Deutschland präsentierte die Freie Demokratische Partei (FDP) das Konzept bereits vor zwei Jahren. Laut den Liberalen würde die Währung, genannt "Arbil", ähnlich wie die Kryptowährung Bitcoin funktionieren. Sie könnte von einem Verein an Unternehmen und Private ausgegeben werden, die nachweislich CO2 und andere Treibhausgase der Atmosphäre entziehen. Die Währung könnte man später gegen Emissionszertifikate eintauschen.

Das würde laut FDP auch den Wert der Digitalwährung garantieren. Ein Arbil-Coin entspräche dem Preis für ein Zertifikat für eine Tonne CO2, aktuell also rund vierzig Euro. Lediglich eine limitierte Anzahl an Teilnehmern des Vereins soll die Coins erzeugen dürfen, um so die in Umlauf befindlichen Stücke zu begrenzen und Fälschungen vorzubeugen.

Klimamaßnahmen international belohnen

Aber die Idee ist nicht auf Deutschland begrenzt. Laut Frank Van Gansbeke, Finanzexperte und Professor am US-amerikanischen Middlebury College, könnte eine bestimmte Anzahl digitaler Klima-Token auch von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten ausgegeben werden – und zwar an jene Länder, die am meisten für die Pariser Klimaziele von 2015 leisten. Ähnlich wie dem Vorschlag der FDP würde jeder Token dem Preis für eine Tonne CO2 entsprechen und könnte von den Ländern bei Bedarf gegen Dollar oder Euro eingelöst werden.

Dem US-amerikanischen Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson gefiel die Idee der Klima-Währung gar so gut, dass er dem Thema kürzlich ein Buch widmete. In dem fiktiven Szenario, das der Autor für die Zukunft zeichnet, haben Zentralbanken die neue digitale Währung akzeptiert und verwenden diese, um Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen. Städte, die ihre Infrastruktur umbauen, Unternehmen, die CO2 abscheiden und speichern, und Landwirte, die von Fleisch- auf Gemüseerzeugung umsteigen, sollen nach einer Überprüfung mit der Klima-Währung bezahlt werden.

Kann es funktionieren?

"Der Gedanke, mit einer digitalen Währung klimafreundliches Verhalten zu unterstützen, hat durchaus Zukunft", sagt der Finanzexperte Daniel Schwarzl. Entscheidend für die Verbreitung der Währung sei aber dessen Massentauglichkeit.

Bereits jetzt gebe es hunderte Kryptowährungen, von denen es nur die wenigsten – wie etwa Bitcoin – geschafft hätten, aus der Community auszubrechen. "Die Ausgabe über die Zentralbanken oder staatliche Stellen wäre ein sehr wesentlicher Schritt hin zu mehr Akzeptanz", sagt er.

Blockchain als Technologie

Tatsächlich experimentieren bereits dutzende Banken weltweit mit der Einführung einer digitalen Währung. Damit könnten Zahlungen über mobile Apps beispielsweise gezielt an besonders vom Klimawandel betroffene Bevölkerungsgruppen gehen und insgesamt mehr Nutzern zur Verfügung stehen, so die Argumente von Befürwortern und Befürworterinnen.

Die Technologie, auf der eine digitale Klima-Währung laut Finanzexperten aufbauen könnte, wäre die Blockchain, die schon jetzt Basis von Bitcoin und anderen Kryptowährungen ist. Mithilfe der Technologie können Transaktionen dezentral abgewickelt werden, die sicherer und transparenter sein sollen. Laut Schwarzl biete das System auch viel Potenzial in Entwicklungsländern, in denen Menschen eher über einen Internetzugang als ein Bankkonto verfügen. Nicht zuletzt wäre eine solche Digitalwährung – anders als andere Währungen – weniger anfällig für eine Geldentwertung, da die maximale Menge technisch begrenzt ist und wie bei Bitcoin bei 21 Millionen Stück liegt, so Schwarzl.

Allerdings ist das Einsatzgebiet der Blockchain, etwa als Basis für eine Klima-Währung, derzeit noch eingeschränkt und laut Kritikern vielfach nicht ausgereift. Es bestehe das Risiko von Attacken durch Kriminelle, etwa indem Informationen gefälscht oder Daten gestohlen werden.

Viele offene Fragen

Was bedeutet das alles nun für die Idee einer digitalen Klima-Währung? Werden eines Tages alle unsere Handlungen anhand ihres Effekts auf das Klima bewertet und in entfernten Rechenzentren gespeichert? Wer bestimmt, ob eine Maßnahme zur CO2-Reduktion tatsächlich umgesetzt wird und damit unterstützungswürdig ist? Und werden wir in der Zukunft nur noch mit digitalen "Klima-Token" bezahlen?

Finanzexpertinnen und -experten, die die Klima-Währung forcieren, haben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen. Laut Frank Van Gansbeke, jenem Experten, der sich für die IWF-Klima-Token ausspricht, müssten Länder, die CO2-Reduktion planen, dem IWF Nachweise über den Effekt dieser Maßnahmen erbringen. Zudem könnten Satelliten, die den Ausstoß von CO2 und das Wachstum von Wäldern und anderen Grünflächen vom Weltraum aus beobachten, weitere Nachweise bezüglich der Fortschritte der Länder liefern. Der Autor Kim Stanley Robinson wiederum spricht sich für die Kontrolle durch Ratingagenturen oder multilaterale Organisationen aus. Erst bei einer Zertifizierung durch diese Agenturen sollen die Klima-Token ausbezahlt werden.

Problem des Stromverbrauchs

Umso mehr Daten verarbeitet werden müssen, desto mehr Rechenzentren und Energie werden für die Digitalwährung benötigt. Der Stromverbrauch ist einer der Kritikpunkte, den sich Kryptowährungen wie Bitcoin regelmäßig gefallen lassen müssen. Könnte eine digitale Klima-Währung paradoxerweise zu mehr CO2-Emissionen führen, als sie reduziert?

Laut Schwarzl müsse der Energieverbrauch der Kryptowährungen in Relation gesehen werden. "Die Transaktionen von Kryptowährungen sind wesentlich effizienter als jene des traditionellen Finanzsystems." Würde sich das Finanzsystem langfristig Richtung Krypto- und Digitalwährungen bewegen, dürfte das insgesamt den Stromverbrauch senken, so der Experte.

Kein alltägliches Zahlungsmittel

Dass Klima-Tokens einmal zum alltäglichen Zahlungsmittel werden, hält er für unrealistisch. Stattdessen könnten sie aber ein langfristiges Investment sein, bei dem es auch steuerliche Vorteile geben könnte und mit dem klimafreundliches Verhalten belohnt wird.

Geht es nach den Befürwortern, könnten Menschen eines Tages vielleicht allein vom Bäumepflanzen oder von der Landschaftspflege leben, Unternehmen, die CO2 abscheiden und speichern, wären die großen Gewinner, und Ölkonzerne wären besser dran, wenn sie Ölreserven im Boden lassen. Bis es so weit ist, hat die Idee aber wohl noch einen weiten Weg vor sich. (Jakob Pallinger, 20.02.2021)