Bildschirmmüde Augen freuen sich über Abwechslung – ich kann mich nicht beklagen.

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Manchmal fühle ich mich in meinem Homeoffice wie in einer Theaterloge. Und das Haus vis-à-vis ist die Bühne, auf die ich schaue, wenn meine Augen Bildschirmpause brauchen.

Diese Bühne ist ein großer Neubau mit Laubengängen. Die Erschließung der Wohnungen erfolgt also im Freien – und damit direkt vor meinen bildschirmmüden Augen. Seit bald einem Jahr sitze ich an meinem Schreibtisch und schaue hinüber auf dieses Haus, in dem ständig irgendwo eine Tür auf- oder zugeht und immer gerade irgendetwas passiert. Ich sehe in der Früh eine junge Frau mit Kinderwagen aus ihrer Wohnung kommen und später einen Paketboten an einer Tür klingeln.

Ein paar Stockwerke darüber kehrt ein Paar vom Einkaufen zurück. Unlängst hat sich ein Mann aus seiner Wohnung ausgesperrt. Er nahm es mit Humor. Unten, auf dem Spielplatz vor dem Haus, herrscht immer Halligalli. Hier wird gesprungen, gerutscht, Fußball gespielt. Der Ball landet stets innerhalb von zehn Minuten im Baum – oder auf einem der Laubengänge darüber. Das gibt ein Geschrei.

Hollywood-Kulisse

Ich mag nicht nur die Bewohner dieses Hauses. Ich habe auch das Gebäude – oder zumindest die eine Fassadenseite, die ich davon kenne – ins Herz geschlossen. Wie der Rest des Hauses aussieht? Keine Ahnung. Es könnte sich auch nur um eine Hollywood-Kulisse handeln – aber mit ungewöhnlicher, wiesengrüner Fassade. Wenn man gemein sein will, könnte man sagen, dass sie ein wenig gatschfarben ist. Aber wer will das?

Das Haus hebt sich von den umliegenden Häusern ab. Es strahlt gute Laune aus. Unlängst ist mir plötzlich eingefallen, dass die Leute vis-à-vis mich wohl auch auf meiner vermutlich nicht sehr spannenden Homeoffice-Bühne sehen können. Darum habe ich schnell weitergearbeitet. Aber demnächst winke ich einmal hinüber. (Franziska Zoidl, 19.2.2021)