Der Gusto auf einen Schluck örtlichen Alkohols während ihrer behördlich verhängten Covid-Quarantäne brachte eine Pensionistin vor das Strafgericht.

Foto: FH Burgenland/Matthias Vlasits

Korneuburg – Frau I. habe trotz ihrer Infektion mit Covid-19 alles richtig gemacht. Sagt die 57-Jährige bei ihrem Prozess am Landesgericht Korneuburg zu Richterin Monika Zbiral. Logischerweise bekennt sich die Pensionistin daher zum Vorwurf der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nicht schuldig. Sie sei nämlich davon ausgegangen, dass ihre Quarantäne bereits abgelaufen sei, als sie Ende Oktober in einer kleinen Weinviertler Gemeinde eine Kiste Wein an der Haustür entgegennahm und bar bezahlte.

Hauptgemeldet ist Frau I. zwar in Wien, in der niederösterreichischen Marktgemeinde renoviert sie aber ein Haus und beschloss, dort auch ihre Quarantäne zu verbringen. Ob das die Königsidee war, sei dahingestellt. Frau I. sagt zur Richterin selbst bei einer Gelegenheit: "Sie kennen meine Vorgeschichte in dem kleinen Ort." Zbiral und I. kennen sich tatsächlich: Zbiral entschied sich bei einem Suchtmittelprozess gegen I. im April 2019 für eine Diversion, obwohl die Pensionistin fünf Vorstrafen hat. "Das verstehe ich nicht, damals waren Sie nett, jetzt sind Sie so streng", wirft die Vielrednerin einmal enttäuscht ein.

Nach Operation infiziert

Die Angeklagte Infizierte sich bei einer Knie-OP in einem Spital mit Sars-Cov-2. Als sie Symptome entwickelte, rief sie bei 1450 an. "Die sind gekommen und haben mich getestet. Ein paar Tage später kam der Bescheid von der Bezirkshauptmannschaft." Das Schriftstück, das sie vorlegt, bezieht sich allerdings auf ihren Status als Verdachtsfall – und war an ihre Wiener Anschrift adressiert. Den zwei Tage später ausgestellten Quarantänebescheid, nachdem ihr Test die Ansteckung nachwies, will Frau I. nie bekommen haben.

"Ich bin nicht sehr gut in bürokratischen Dingen", entschuldigt sich die Akademikerin. Etwas später gesteht sie ein: "Ich lasse auf mir sitzen, dass ich einen Formfehler gemacht habe." Die Richterin hält I. nämlich vor, dass selbst in dem von ihr selbst vorgelegten amtlichen Schriftstück steht, dass die Quarantäne erst mit einem schriftlichen Aufhebungsbescheid endet.

Mehrere Telefonate mit Bezirkshauptmannschaft

Den hatte die Angeklagte nicht, als sie sich am 21. Oktober von einer örtlichen Kellerei eine Kiste liefern ließ. Laut Anklage öffnete sie ohne Maske ihre Haustür, um der Kellereimitarbeiterin Geldscheine zu überreichen. Die ohne Verteidigerin erschienene I. argumentiert, sie habe während der Quarantäne mehrmals mit der Bezirkshauptmannschaft und der Amtsärztin telefoniert, dabei sei die Quarantäne ihrer Meinung nach aufgehoben worden, da sie schon tagelang keine Symptome mehr gehabt habe. "Ein Bescheid kann auch mündlich erfolgen", belehrt sie die Richterin. Wer die Quarantäne angeblich aufgehoben habe, wisse sie aber nicht mehr.

Bekannt ist dafür, wie sie angezeigt wurde. Vorsichtig ausgedrückt scheint der Datenschutz in Kleingemeinden nicht oberste Priorität zu haben. Die Lieferantin verrät als Zeugin, wie sie von Frau I.s Infektion erfahren hat: "Mei Mau hod ma des gsogt, der hod des ghert von wem von da Gemeinde." Die Geschichte verbreitete sich: Zwei Tage nach der Lieferung zeigte der Vizebürgermeister Frau I. bei der Bezirkshauptmannschaft an. Die Verwaltungsbehörde schickte eine Polizeistreife vorbei, laut deren Protokoll nahm die Angeklagte das Erscheinen der Exekutive unfroh auf und wurde ungehalten.

Richterin findet wenig definitive Erkenntnisse

Richterin Zbiral verweist am Ende auf ihre Eigenrecherche: Sie suchte im Internet nach eindeutigen wissenschaftlichen Belegen, ob Frau I. die Lieferantin überhaupt hätte anstecken können. Ihre Erkenntnis: "Es gibt noch kein gesichertes Wissen." Das Risiko einer Übertragung des Erregers via Geldscheinen sei zwar "wahrscheinlich sehr gering", eine abschließende Einschätzung gebe es aber noch nicht.

Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren Haft verurteilt Zbiral Frau I. schließlich zu sechs Wochen bedingt. Das Verschulden sei gering, daher reiche eine symbolische Strafe, ist die Richterin überzeugt. Die Angeklagte nimmt sich wie die Staatsanwältin Bedenkzeit, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Ob ihre Quarantäne mittlerweile eigentlich von der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben worden ist, weiß Frau I. laut eigenen Angaben nicht. (Michael Möseneder, 18.2.2021)