Bildungsminister Heinz Faßmann will den Markt für Ghostwriter mit hohen Strafdrohungen austrocknen. Doch das geplante Gesetz könnte dafür untauglich sein.

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Wer an das Geschäftsmodell von Ghostwritern denkt, hat zunächst schreibfaule, aber zahlungskräftige Studierende im Kopf. Tatsächlich ist diese Kundengruppe wohl am größten – die hohe Zahl an obligatorischen Seminararbeiten, Papers und Abschlussarbeiten in den modern zergliederten Studienplänen sorgt bei bösem Vorsatz für reichlich Schummeloptionen. Das Angebot der großen Ghostwriting-Agenturen ist jedoch vielfältiger, auch für die Arbeitswelt wird fremder Federschmuck feilgeboten: Von Businessplänen über Powerpoint-Präsentationen bis zu Bewerbungsschreiben ist alles Mögliche im Repertoire professioneller Textproduzenten.

Und dann gibt es noch die eine große schriftliche Hausarbeit, die österreichische Schülerinnen und Schüler seit 2015 als Teil der AHS-Matura verfassen müssen: die Vorwissenschaftliche Arbeit – kurz VWA. 40.000–60.000 Zeichen soll die VWA haben, bereits in der siebten Klasse müssen sich die Schüler Thema und Betreuungslehrer suchen sowie ein Exposé ("Erwartungshorizont") einreichen. Nach den Semesterferien der achten Klasse muss die VWA abgegeben werden, im Rahmen der mündlichen Matura gibt es in Nicht-Corona-Zeiten noch eine Präsentation des Textes samt Diskussionsrunde dazu.

Offene Angebote für VWAs

Schon seit Einführung der VWA wird gemunkelt, dass die Schreibhilfe bei manchen Arbeiten exzessiv ausfällt – sei es durch ehrgeizige Eltern oder eben durch Ghostwriter. Der Bundeselternverband schätzte 2017, dass rund ein Viertel der VWAs nicht allein gemacht wird. Eine Internetrecherche bei Ghostwriting-Agenturen und Kleinanzeigenportalen belegt jedenfalls ein reges Angebot für VWAs (siehe Interview mit Ghostwriterin).

Nun wollen die türkis-grünen Regierungsfraktionen Ende März eine Uni-Novelle beschließen, mit der es Ghostwritern ab dem Inkrafttreten im Herbst an den Kragen gehen soll. Das Erstellen und sogar das bloße Anbieten von Ghostwriting soll durch die Einführung eines neuen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestands scharf sanktioniert werden. Gewerbsmäßige Ghostwriter, denen 60.000 Euro Strafe drohen, sollen "aus dem Markt gedrängt werden", wie Bildungsminister Heinz Faßmann sagt.

Sonderregeln für Matura erschweren Nachfragen

Schul-Ghostwriter sind von dem neuen Paragrafen allerdings nicht betroffen, wie das Ministerium dem STANDARD auf Anfrage bestätigt: "Da der Betreuungsprozess einer VWA enger ist als an den Unis, sollte ein allfälliges Ghostwriting leichter bemerkt werden. Auch im Zuge der Präsentation und Diskussion sollte es durch gezielte Fragen schnell erkennbar sein, wenn eine Arbeit nicht selbst verfasst wurde." Allerdings fällt für den aktuellen wie schon teilweise* für den vergangenen Corona-Maturajahrgang die Präsentation und Diskussion weg. Lehrer berichten, dass dadurch mehr Möglichkeiten für Missbrauch bestehen. Als Betreuer habe man aber immerhin das Mittel, Abzüge bei der Bewertung zu geben, wenn die Arbeit nicht kapitelweise, sondern am Schluss auf einen Schlag abgegeben wird. Letzteres könnte nämlich ein Indiz für Ghostwriting sein. Für die Schul-Ghostwriter hat all das freilich keine rechtlichen Konsequenzen.

Geltungsbereich der Verschärfung umstritten

Doch können die Behörden mit der neuen Strafbestimmung – Paragraf 116a des Universitätsgesetzes (UG) – wenigstens gegen alle Hochschul-Ghostwriter und deren Angebote vorgehen? Das Bildungsministerium bejaht diese Frage, doch rechtlich eindeutig ist die Sache keineswegs. Juristen, mit denen der STANDARD gesprochen hat, hegen gewichtige Zweifel.

Die Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf von der Uni Wien argumentiert, dass die neue UG-Bestimmung nur auf jene 22 Hochschulen anzuwenden ist, die in Paragraf 6 des Gesetzes explizit aufgezählt werden. Sprich: auf die öffentlichen Universitäten. Nicht inbegriffen sind Fachhochschulen (FHs), Privatunis und Pädagogische Hochschulen (PHs). "Die Regelung hat damit eine große Lücke", warnt Reindl-Krauskopf. Ein Szenario könnte sein, dass Ghostwriter ihre öffentlich kommunizierten Angebote künftig auf FH-Arbeiten zuschneiden und sich dem neuen Paragrafen damit entziehen.

Das politisch angekündigte Vorgehen gegen Ghostwriting könnte so unterlaufen werden, befindet die Expertin: "Der Gesetzgeber ist gefordert, hier klarere Rahmenbedingungen zu schaffen." Das könne etwa durch eine Verankerung der neuen Strafbestimmung in den jeweiligen Gesetzen für FHs, PHs und Privatunis geschehen oder durch eine Präzisierung im Uni-Gesetz selbst. Aus dem Ministerium hieß es am Freitag dazu: "Sollte sich in der Praxis herausstellen, dass eine Klarstellung erforderlich ist, können wir die jederzeit nachziehen."

Ghostwriting als Beweismittelfälschung

Das Einreichen von fremden Arbeiten an öffentlichen Unis und Fachhochschulen – aber auch deren Anfertigung durch Ghostwriter – hält Reindl-Krauskopf indes schon jetzt für strafbar. Da die Verleihung eines akademischen Grades ein behördliches Verfahren durch die Hochschulen darstellt, handle es sich bei den Prüfungsarbeiten um Beweismittel. Wer diese trotz fremder Autorschaft als seine eigenen ausgibt, begehe eine Beweismittelfälschung. Der Ghostwriter bzw. die Ghostwriterin könne vom Gericht als Beitragstäter bzw. -täterin verurteilt werden – eine Möglichkeit, die allerdings auch in Zukunft eher theoretisch bleiben dürfte. Schon die Zahl der jährlich entdeckten Ghostwriting-Fälle bei Studierenden bewegt sich in Österreich nahe null, die Ghostwriter selbst findet man praktisch nie. (Theo Anders, 19.3.2021)