Im Zuge der Parlamentssanierung bekommt auch der Wappenadler aus dem Nationalratssitzungssaal einen neuen Schliff verpasst.

Foto: Werner Dedl

Es ist, als tauche man mit einem Mal in eine andere Welt ein. Wenn man die schmale Straße entlang des Flusses Aist durch das wildromantische Josefstal fährt, das die Mühlviertler Gemeinden Tragwein und Schwertberg verbindet, lässt man mit einem Mal die Hektik des morgendlichen Pendlerverkehrs hinter sich.

Und doch ist es nicht nur die Schönheit der Natur, die hier begeistert. Wer durch das Josefstal streift, taucht tief in die österreichische Industriegeschichte ein. Steinerne Zeugen davon sind die altehrwürdigen und zumeist detailverliebt renovierten Produktionsstätten, die nahe am Wasser liegen. Mit dem Familienunternehmen Merckens findet sich etwa hier einer der führenden Betriebe im Bereich der Karton- und Pappenproduktion.

Tal der Arbeiter

Untrennbar ist das Josefstal auch mit der Gewinnung von Kaolin, weißer Tonerde, verbunden. Die Kaolinvorkommen in Kriechbaum nahe Schwertberg waren bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bekannt, blieben aber ungenutzt. Den Tonerde-Bedarf Österreichs deckten bis 1922 zum Großteil ausländische Firmen.

Mit der Gründung der österreichischen Kaolin- und Montanindustrie Ges.m.b.H. änderte sich das schlagartig. Die heutige Kamig legte den notwendigen Aufbereitungsbetrieb ins Josefstal. Eine eigene Seilbahn und eine Eisenbahnlinie sorgten für den Zu- und Abtransport. Ab den späten 80er-Jahren erleichterte dann ein neues Rohrleitungssystem den Transport – und der Standort an der Aist wurde aufgelöst.

Lebenstraum erfüllt

Christian Reisinger erzählt diese Geschichten gern. Er ist in dieser Gegend aufgewachsen, hat am oberen Ende des Josefstals in einem kleinen Betrieb sein Handwerk gelernt – und sich später weiter unten im Tal als Schmiedemeister seinen Lebenstraum erfüllt.

Eine steile Straße führt von der Bundesstraße hinauf zu dem ehemaligen Betriebsgebäude der Kamig. Massive Steinmauern harmonieren hier mit viel Stahl. In dem imposanten Foyer ist es wohlig warm, was angesichts der beachtlichen Raumhöhe und der massiven Steinhülle durchaus erstaunt.

Der Mühlviertler Schmiedemeister Christian Reisinger hat sich auf die Restauration von historischen Metallarbeiten spezialisiert.
Foto: Werner Dedl

"Wir haben viel gemacht. Das Gebäude war in einem argen Zustand." Christian Reisinger betreibt in dem Gemäuer seine Metallwerkstatt. Was nach Hammer und Amboss klingt und nach Feuer und Schwefel riecht, ist in Wahrheit ein sehr sensibles, gar kunstsinniges Handwerk.

Neue Vogelperspektive

Der Mühlviertler Schmiedemeister hat sich nämlich auf die Restauration von historischen Metallarbeiten spezialisiert. Gitterwerke, Denkmäler, technisches Kulturgut, historischer Stahlbau. Die Liste der heiklen Arbeiten ist entsprechend lang: das Haupttor beim Schloss Schönbrunn, das Gewächshaus im Wiener Augarten, die Glasmosaikfenster von Koloman Moser in der Otto-Wagner-Kirche am Steinhof, die großen Torportale in der Hofburg, die Reiterdenkmäler von Erzherzog Carl und Prinz Eugen auf dem Heldenplatz.

Durch eine raumhohe Stahltür gelangt man in die eigentliche Produktionshalle der Schmiede. An diesem Morgen ist es auch hier auffällig ruhig. Mitarbeiter pinseln fast zärtlich kleine Engelsfiguren. An der Wand steht der Spruch "Gott segne unser Werk". Natürlich aus schmiedeeisernen Buchstaben. Doch der eigentliche Blickfang ist nicht die gehämmerte Frömmigkeit, sondern vielmehr ein mächtiger Adler. Gelandet auf einer speziellen Holzkonstruktion inmitten des Raumes.

Es handelt sich dabei nicht um irgendeinen Vogel. Vielmehr hat sich Staatstragendes in der Praxis von "Dr. Steelhammer" eingefunden. Denn im Zuge der Parlamentssanierung bekommt auch der Wappenadler aus dem Nationalratssitzungssaal einen neuen Schliff verpasst. Und mit der Durchführung des Faceliftings haben Bund und Denkmalamt Christian Reisinger beauftragt.

Der Nachwuchs hübscht die Engerln auf.
Foto: Werner Dedl

Der Adler über dem Nationalratspräsidium wurde in den 1950er-Jahren von dem Bildhauer Rudolf Hoflehner entworfen und angefertigt. Er besteht aus getriebenem Stahlblech und wiegt etwa 650 kg. Für den erfahrenen Schmied ist es eine durchaus ehrenvolle Arbeit. "An so einem Symbol für den Parlamentarismus, das jeder in Österreich kennt, arbeitet man als Handwerker schon mit einem ganz besonderen Gefühl."

Kriechmayr-Effekt

Stellt sich die Frage, wie man mit dem Druck einer ganzen Nation umgeht? Denn stutzt man dem Adler unabsichtlich die Flügel, ist der Schritt zur Staatsaffäre wohl ein kleiner. Reisinger: "Sicher ist ein gewisser Druck vorhanden. Aber Druck kann sich auch positiv auswirken und irrsinnig motivierend sein. Schauen Sie sich doch den Vincent Kriechmayr an!"

Bei dem in vier Teile geschnittenen Adler gehe es vor allem darum, Korrosionsschäden zu sanieren. "Das ist heikel. Die vom Künstler geschaffene Struktur am Metall muss erhalten bleiben. Wenn der Adler wieder im Parlament hängt und plötzlich irrsinnig glänzt, dann habe ich es vergeigt." Es sollen nur Maßnahmen gesetzt werden, die man zurücknehmen könne. "Sauber, aber alt sollen die Stücke am Ende wirken. Und man soll auf keinen Fall das Gefühl haben, dass gerade vorher der Theophil Hansen bei der Parlamentstür hinausmarschiert ist."

Neben dem Wappentier finden sich noch zig andere Parlamentseinrichtungsgegenstände wie Treppenfiguren, Leuchtkörper, Dekorketten zur Restaurierung in der Schwertberger Schmiede.

Nur Akademiker

Reisinger selbst hat "irgendwann Ende der 1980er-Jahre" entschieden, dass Gartentüren und Stiegengeländer zwar nett sind, sein Handwerkerherz aber mehr zum Glücklichsein braucht. Und so ist der Familienvater auf den Bereich der Metallrestauration gestoßen. Mit nur einem Problem: "Das Fach war damals ausschließlich akademisch besetzt. Und dann kommt plötzlich der Mühlviertler Handwerker. Glauben Sie mir, man hat mich nicht gerade mit Jubelchören empfangen."

Heute ist die Anfangsskepsis längst verflogen und Reisinger gilt mit seinen 15 Mitarbeitern als international geschätzter Fachmann. Wobei man in der unmittelbaren Umgebung kaum tätig ist: "In Oberösterreich machen wir ganz wenig. Einfach weil es da nicht so viele denkmalgeschützte Metallobjekte gibt."

Bleibt die Frage, ob nicht durch den Fokus auf Restaurationsarbeiten die Befriedigung der Handwerker-Lust durch das Schaffen neuer Objekte zu kurz kommt. "Natürlich bin ich nach wie vor leidenschaftlicher Handwerker. Das war ich immer und werde ich auch immer sein. Aber mich fasziniert bei alten Stücken immer auch die Geschichte dahinter." (Markus Rohrhofer, 20.2.2021)