Ina Regen sucht für den ORF den nächsten Superstar.

Foto: ORF/Ramstorfer

1.700 Bewerber, 200 schafften es bis zum Livecasting, 64 sind dabei: Das sind die Zahlen, die hinter "Starmania 21" stehen. Am Freitag, 26. Februar, startet in ORF 1 die Neuauflage jener Castingshow, die im Jahr 2002 erstmals auf Sendung ging und der Christina Stürmer ihre Karriere zu verdanken hat. Bei der dritten Staffel 2006 wurde Tom Neuwirth Zweiter, 2014 sollte er als Conchita Wurst den Song Contest gewinnen. Über mögliche Karrieren entscheidet dieses Mal das Musikertrio Tim Bendzko, Nina Sonnenberg alias Fiva und Ina Regen.

STANDARD: "Starmania" ist das erste Mal im Jahr 2002 auf Sendung gegangen: Damals waren sie 18 Jahre alt, also im besten "Starmania"-Alter. Haben Sie sich beworben?

Regen: Ich habe darüber nachgedacht, es zu tun, mir die ersten Staffeln auch angesehen. Nachdem ich in diesen Jahren mehr mit dem Jazz als mit dem Pop geliebäugelt habe, ist es für mich dann die Marianne-Mendt-Jazznachwuchsförderung geworden.

STANDARD: Sie entscheiden als Jurymitglied über zukünftige Karrieren. Eine verantwortungsvolle Aufgabe?

Regen: Extrem. Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe, aber auch großen Respekt vor meinem Berufsstand. Insofern werde ich mich bemühen, klare Ansagen zu machen, aber mit den Menschen wertschätzend umzugehen, die sich mit ihrem Talent und möglicherweise zum ersten Mal einer Öffentlichkeit präsentieren. Wir müssen aber in der Kommunikation einen Unterschied machen, dass es nicht einfach nur ein Talent-Contest ist, bei dem wir die beste Stimme suchen, wir wollen tatsächlich zukünftigen Karrieren einen Startschuss geben. Dafür braucht es mehr als nur eine gute Stimme. Wir suchen das ominöse, sagenumwobene Gesamtpaket.

STANDARD: Welche Komponenten sollte das Gesamtpaket beinhalten?

Regen: Die Stimme, das Sich-in-der-Musik-Finden, ist die Grundvoraussetzung. Darüber hinaus geht es um die Frage, wie die Körpersprache zur musikalischen Ausdrucksweise passt, also wie gut ist das Instrument innen und außen. Es war immer schon wichtig und bleibt wichtig, wenn man sich im Musikbusiness positioniert: dass man eine Haltung findet, die man mit viel Authentizität nach außen trägt, oder dass man – wie das Bilderbuch, Falco oder Conchita Wurst als bestes Beispiel gemacht haben – in eine Kunstfigur schlüpft, mit der man auf der Bühne agiert.

STANDARD: Wie hart darf die Kritik ausfallen?

Regen: Hart in der Sache, weich im Umgangston, das habe zumindest ich mir vorgenommen. Dass ich empathisch bleibe und mit und den Zusehern vor Augen halte, dass es um echte Menschen geht und weniger um Quote. Genremäßig wünsche ich mir von uns als Jury, dass wir sehr offen bleiben. Wenn es gut ist, ist es gut, hat Marianne Mendt einmal zu mir gesagt. Das gilt für jedes Genre.

STANDARD: Wie sind Sie in die Jury gekommen?

Regen: Man hat mich gefragt, ich habe Ja gesagt. Da bin ich (lacht).

STANDARD: Blickt man auf die vier Staffeln "Starmania" zurück, haben eigentlich nur Tom Neuwirth, Christina Stürmer und – mit Abstrichen – Nadine Beiler die Show als Rampe für ihre Musikkarriere nutzen können. Das sind nicht viele.

Regen: Ich glaube, dass es in der Musik nicht anders ist als etwa im Sport. Es gibt viele Menschen, die Musik als Hobby haben, aber in die Bundesliga oder in die Champions League schaffen es dann nicht viele. Man sollte mit den richtigen Erwartungen in diese Talenteshow gehen. Man ist dann nicht fertig, nur weil man es gewonnen hat. Ich sehe "Starmania" wie das "Mensch ärgere dich nicht"-Spiel: Man würfelt einen Sechser, dann darf man auf das Spielfeld. Das heißt nicht, dass man gewonnen hat, sondern dort geht die Arbeit überhaupt erst los. Es wird Rückschläge geben und dieses Level an Aufmerksamkeit, das man in diesen Wochen auch medial bekommt, das ist nicht zu halten. Der Hype ist ein kurzzeitiger. Das muss man den Kandidaten klarmachen. Es sind aber nicht nur Newcomer dabei, sondern Leute, die Youtube-Kanäle mit zigtausend Followern haben. Andere fangen erst an. Diesen Shortcut zur Spitze gibt es weder im Sport noch in der Musik. Eine Karriere ist sehr viel Arbeit, den Durchbruch schaffen ganz wenige.

Ina Regens erstes Album "Klee" wurde 2019 beim österreichischen Musikpreis Amadeus als Album des Jahres ausgezeichnet.
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STANDARD: Welche Probleme warten danach auf die Kandidaten?

Regen: Psychische? (lacht). Ich würde den Kandidaten schon jetzt empfehlen, die Fühler auszustrecken und sich ein Team an professionellen und vertrauenswürdigen Menschen zu suchen, mit denen man langfristig zusammenarbeiten will. Sofern man das möchte. Ich bin mir sicher, dass nicht jeder der 64 Kandidaten nachhaltig in der Musikwelt Fuß fassen will. Da sind auch einige dabei, die einen normalen Beruf haben und schauen wollen, was passiert. Ich weiß nicht, ob diese Verantwortung dem ORF zukommen muss, und ich weiß auch gar nicht, ob das so gescheit wäre. Je autonomer die Künstler sein dürfen, umso gesicherter wird der Erfolg sein.

STANDARD: Wie gut kennen Sie die Kandidaten, die Sie bewerten?

Regen: Eigentlich gar nicht. Ich habe wie viele andere auch die Presseaussendungen gelesen, wo die 64 Kandidaten vorgestellt wurden, habe aber dem Impuls, jeden zu googlen und zu recherchieren, widerstanden, weil ich mir gedacht habe: Es ist nicht fair, mir schon jetzt eine Meinung zu bilden, sondern ich möchte die Leistung des Abends bewerten. In der Hoffnung, dass sie ihre Leistung abrufen können. So gesehen ist "Starmania" letztendlich ein Realitätscheck.

STANDARD: Schauen Sie regelmäßig Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar"?

Regen: Früher, als "Starmania" rausgekommen ist, habe ich das natürlich vehement verfolgt. Zu dieser Zeit gab es einen Riesenhype um Castingshows, es gab etwa noch "Popstars" in Deutschland. In den letzten Jahren habe ich aber kaum mehr etwas davon mitbekommen und schaue mir nicht jede Woche "DSDS" oder "The Voice of Germany" an. Dazu fehlt mir auch die Zeit. Das einzige Format, das ich ein bisschen mitverfolge, ist "Sing meinen Song", weil ich spannend finde, dass sich etablierte Künstler in andere Genres vorwagen. Gerade die "DSDS"-Kategorie "Leider nein" ist, was Menschlichkeit angeht, ein ziemlicher Abtörner.

STANDARD: Ist es ein schmaler Grat zwischen Menschenverachtung und Heroisierung, wenn man sich etwa über die "Leider-Nein-Kandidaten" lustig macht?

Regen: Natürlich hat es was von Voyeurismus. Es kommt immer darauf an, wie man damit umgeht. Dieter Bohlen liegt inhaltlich nicht so falsch. Die Art und Weise, wie er es macht, ist Dieter-Bohlen-typisch und sehr verachtend. Die Quote gibt ihm recht, wenn sich aber Menschen – so wie ich – dagegen entscheiden würden, dass sie es sich nicht ansehen, weil mit Menschen in der Öffentlichkeit nicht so umgegangen werden soll, dann hat das eine Wirkung. Wir müssen uns fragen, warum das noch immer so eine große Plattform hat. Da gehören immer zwei dazu: die es ausstrahlen – und jene, die es ansehen.

STANDARD: Dieter Bohlen ist also kein Vorbild?

Regen: Für mich ist Dieter Bohlen ein abschreckendes Beispiel. Hart in der Sache, ja, menschenverachtend, herabwürdigend oder Vergleiche, die für den schnellen Lacher konzipiert sind, nein. Das ist nicht mein Stil, und im Fernsehen sollte man nicht anders mit Menschen umgehen als privat, wenn man auf Fremde trifft.

STANDARD: Wie wird es im ORF laufen?

Regen: Soweit ich das nach den Vorgesprächen beurteilen kann: Wir haben als Juroren keine Richtlinien bekommen, wir waren uns aber alle einig, dass wir diese Umgangsart vermeiden möchten.

STANDARD: Wie sehr schmerzt es, dass kein Publikum dabei sein darf?

Regen: Der ORF versucht das Publikum so gut wie möglich einzubinden. Social Media wird eine große Rolle spielen, aber ich würde es jedem Kandidaten vom Herzen gönnen, dass man diese Euphorie und den Adrenalinkick, der mit dem Applaus kommt, mitnehmen könnte. Ich durfte ja schon bei mehreren Live-TV-Sendungen mit Publikum auf der Bühne stehen – zum Beispiel früher beim Song Contest. Diese Stimmung ist mit nichts zu vergleichen. Aber wer weiß: Die Sendung dauert zehn Wochen, und vielleicht sind wir in Richtung Finale dann so weit, dass wir ausgewählte Menschen im Publikum haben dürfen.

STANDARD: Gehören Social Media zum selbstverständlichen Rüstzeug, das man als Künstlerin und Künstler mitbringen muss?

Regen: Künstler oder Menschen in der Öffentlichkeit wollen immer unabhängiger sein in der Art, wie sie öffentlich kommunizieren – und dass es nicht mehr diese Umwege über die etablierten Medien braucht. Ich glaube, dass der Umgang mit Social Media schon ein Talent ist, das man mitbringen muss, oder zumindest der Wille, sich auch zeitlich zu engagieren, sollte vorhanden sein. Es ist viel Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ohne Social Media noch funktioniert. Ein großer Teil unserer Welt hat sich auf das Smartphone verlagert, und wenn man sich aus diesem Spiel herausnimmt, muss man auf einer anderen Ebene sehr stark sein. Das ist möglich, aber schwierig.

STANDARD: Was erwarten Sie von der ORF-Präsenz als Jurorin für Ihre Karriere?

Regen: Es trifft sich natürlich günstig, dass "Starmania" zeitgleich mit der Veröffentlichung meines zweiten Albums "Rot" stattfindet. Der Release war schon länger für den 12. März geplant. Natürlich ist mir diese regelmäßige Öffentlichkeit im Freitagabendhauptprogramm bewusst, und ich denke, dass sich mehr Menschen den Namen Ina Regen und das Gesicht dazu merken werden, aber letztlich werde ich nur mit meiner Musik überzeugen können. Sollten Menschen auf sie aufmerksam werden, freue ich mich, kalkulieren kann man aber nicht damit.

InaRegenVEVO

STANDARD: Bekommen Kunst und Kultur den Stellenwert, den sie verdienen?

Regen: Ja und nein. Im Volksmund herrscht oft noch die Meinung, dass Künstler einmal was Gescheites hackeln sollten, und dann gibt es genauso Gegenpositionen. Ich bekomme sehr viele wertschätzende Nachrichten via Social Media. Viele sagen, dass sie nicht durch diese schwere Zeit gekommen wären, wenn es nicht Musik, Serien, Filme oder Bücher geben würde. Den Menschen wird der Wert von Kunst immer mehr bewusst.

STANDARD: Wäre "Freitesten" eine Möglichkeit, um bald wieder mit Konzerten zu starten?

Regen: Das wäre eine sehr gute Möglichkeit. Mehrere Studien belegen, dass Kulturbetriebe bis jetzt keine Corona-Hotspots waren und dass die Verteilung des Virus in geregeltem Ambiente gut eingedämmt werden kann.

STANDARD: Welche Bilanz möchten Sie am Ende der Staffel ziehen? Dass ein neuer Superstar entdeckt wurde?

Regen: Sollten wir es in den zehn Wochen schaffen, dass Talent wertgeschätzt und gefeiert wird und dass Kunst das Verbindende zelebrieren kann, an dem alle teilhaben und das nicht von oben nach unten geht, dann ist viel geschafft. Natürlich wünsche ich allen, dass sie am Ende den Rückenwind für eine Karriere bekommen, sollten sie sich das wünschen. Es wäre schön, wenn wir eine nachhaltige Karriere aufblühen sehen. (Oliver Mark, 21.2.2021)