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Ein thailändischer Künstler erweiterte den "Solidari-tea" mit einer Tasse, die auch die Flagge Myanmars zeigt. Seit Monaten vernetzen sich junge Aktivisten aus Hongkong, Thailand und Taiwan als Milchtee-Allianz.

Foto: Reuters / Sina Wittayawiroj

In Mandalay wurden am Samstag zwei Demonstranten erschossen.

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Auf dem Hauptplatz von Rangun, vor dem Rathaus, hatten sich damals, am 8. 8. 1988, zehntausende Menschen versammelt. Es wurde gesungen und getanzt, erinnert sich Kyaw Soe Win. Gerade hatten sie noch ihr Essen mit den Soldaten geteilt. Wenige Stunden später war die Festivalstimmung vorbei. Kurz vor Mitternacht wurden die Soldaten plötzlich ausgetauscht, erzählt Kyaw. Um Mitternacht ging das Licht aus. Und dann begann das Feuer. Von den Dächern schossen die Soldaten mit Maschinengewehren auf die Menge.

Wenn Kyaw von 1988 erzählt, erzählt er wie vom Krieg. Er hat gesehen, wie seine Freunde mit Stöcken geschlagen, mit Bajonetten erstochen oder von Polizeiautos überrollt wurden. Immer wieder konnte er nur knapp den Sicherheitskräften entkommen. Immer wieder ging er aber hinaus, auf die Straße. Seit Wochen hatten Kyaw und Freunde damals im ganzen Land gegen das Militärregime kampagnisiert – ohne Smartphones, ohne Internet.

Eine Bewegung war entstanden, aus der Aung San Suu Kyi als Demokratieikone hervorging. Alles war auf den "8. 8. 88" getaktet. "Wir wussten schon vorher, dass sie uns brutal niederschlagen werden." Tausende Menschen sind in den blutigen Monaten vor 33 Jahren gestorben. Wie viele genau, ist bis heute unklar.

Leichtes Spiel fürs Regime

Sie hätten es dem Militär damals leichtgemacht, meint Kyaw heute. Der Burmese kam Mitte der 1990er-Jahre nach Österreich. "Die neue Generation ist so viel klüger als wir." Er meint die jungen Demonstrierenden, die seit dem Putsch in Myanmar vor drei Wochen täglich auf die Straße gehen und gegen die erneute Machtübernahme des Militärs protestieren. Immer mehr Menschen schließen sich den Protesten an – unter ihnen Beamte, Mediziner, sogar Polizisten. Anstatt sich an einem Ort zusammenzurotten wie damals, würden sich die Protestierenden oft in kleinere Gruppen aufteilen, sagt Kyaw. Diese Flashmobs können schnell zusammenkommen und genauso schnell wieder auseinandergehen.

Diese Form des Protestes wurde nicht in Myanmar erfunden. Unter dem Banner "Milk Tea Alliance" vernetzen sich seit Monaten junge Menschen in Ostasien, um gegen autoritäre Regierungen zu protestieren. Der Milchtee, ein beliebtes Getränk in der Region, dient als Symbol der Solidarität.

In Hongkong protestierten Menschen gegen den zunehmenden Einfluss des chinesischen Festlands; in Taiwan gegen Drohgebärden aus China, sich die Insel wieder einzuverleiben; und in Thailand gegen die Unantastbarkeit der Monarchie und die Regierung, die 2014 ebenfalls mithilfe eines Putsches die Macht übernommen hatte. "Willkommen Myanmar", hieß es dann Anfang Februar nach dem Putsch von Anhängern der Milk Tea Alliance.

Die Allianz zeichnet sich vor allem durch die geschickte Verwendung der sozialen Medien aus. Online vernetzen sich Aktivistinnen grenzüberschreitend, um Taktiken für die Straße auszutauschen. Symbole wie der Dreifingergruß aus der TV-Serie Hunger Games tauchten bei den Protesten in Thailand genauso auf wie aktuell in Myanmar.

Regenschirme, das Symbol der Hongkonger Demokratiebewegung, sind nun auch in Myanmar zu sehen. Seit in Myanmar Menschen auf Töpfe und Pfannen trommeln, hört man dieses Protestsymbol auch in Bangkok. Ein Leitfaden aus Hongkong, wie man sich vor Tränengas schützen kann, wurde wiederum ins Burmesische übersetzt.

Die panasiatische Allianz hat sich vor knapp einem Jahr online entwickelt – ursprünglich aus Protest gegen Chinas wachsenden Einfluss in der Region. Mittlerweile vereint sie Bewegungen, die sich grundsätzlich gegen autoritäre Regime stellen, wie es Joshua Wong, der verhaftete Hongkonger Demokratieaktivist, im Time-Magazin formulierte.

Lose Online-Allianz

Die Allianz ist lose, es gibt keine Anführer oder klare Definitionen. Leicht können sich auch andere Länder anschließen. So haben Menschen in Indien den Begriff bereits verwendet, genauso wie in Indonesien und auf den Philippinen.

Kyaw, der Exilburmese, lobt vor allem die Zusammenarbeit zwischen alter und junger Generation in der aktuellen Situation. Von Österreich aus sammeln er und Exilburmesen Spenden, um Beamte in Myanmar zu unterstützen, die ihren Job verloren haben, weil sie sich den Protesten angeschlossen haben. Er ist hoffnungsvoll, dass sich die brutalen Geschehnisse von 1988 nicht wiederholen: "Damals konnten sie uns erschießen, und niemand wusste davon", sagt er. Das ist nun anders.

Als vergangene Woche eine Studentin in der Hauptstadt Naypyidaw angeschossen wurde, hielten dutzende Menschen ihre Smartphones darauf. Am Freitag erlag die junge Frau ihren Verletzungen. Medien auf der ganzen Welt berichteten von der ersten Toten bei den Protesten. .

In Mandalay eröffnete am Samstag die Polizei das Feuer auf streikende Werftarbeiter und andere Demonstranten, nachdem einige mit Schleudern auf die Einsatzkräfte geschossen hatten. Zwei Personen wurden durch Polizeischüsse getötet, 20 wurden verletzt. (red, Anna Sawerthal, 20.2.2021)