Seit zehn Tagen dominieren die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Finanzminister Gernot Blümel die Schlagzeilen. Anfangs hat die Opposition das Thema hochgekocht, aber zuletzt kamen die meisten Schlagzeilen von der ÖVP selbst, durch immer schrillere Attacken gegen die Behörde. Bundeskanzler, Verfassungsministerin, Klubchef, Abgeordnete: Alle sind sie damit beschäftigt, die Arbeit der WKStA mit ähnlich lautenden und meist überzogenen Vorwürfen zu desavouieren.

Dass eine Regierungspartei die Justiz so vehement unter Druck setzt, ist in einer reifen Demokratie unangebracht und wird, wenn dieser aggressive Ton anhält, zunehmend zum staatspolitischen Skandal. Warum tut die ÖVP das, fragen sich viele. Wäre es politisch nicht klüger, den Ball flachzuhalten, die mediale Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken und darauf zu setzen, dass bei den Ermittlungen nichts oder zumindest zu wenig für eine Anklage herauskommt?

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Vielleicht folgt die Partei hier dem Prinzip "Angriff ist die beste Verteidigung". Aber Angriffe müssen ein erreichbares Ziel haben, und dass die WKStA angesichts des Trommelfeuers einknickt, ist nicht zu erwarten. Auch die breite Öffentlichkeit bleibt davon unbeeindruckt, und die eigenen Leute sind bereits überzeugt, dass es eine linke Justizseilschaft auf die Türkisen abgesehen hat. Die Taktik vergiftet die Atmosphäre mit den Grünen und belastet die Regierungsarbeit, an deren Erfolgen Sebastian Kurz letztlich gemessen wird. Ist das wirklich jene Message-Control, derer sich die ÖVP so rühmt?

Es gibt eine andere Erklärung: Die türkisen Attacken auf die WKStA haben schon vor einem Jahr begonnen, nachdem Blümels Vorgänger Hartwig Löger in der Casinos-Affäre und ein enger Kurz-Mitarbeiter in der Schredderaffäre ins Visier der Ermittlungen geraten waren. Kurz musste Löger als Minister fallenlassen und hat das den Staatsanwälten offenbar nie verziehen. Seither haben die Angriffe auf die WKStA den Anschein einer persönlichen Vendetta eines Politikers, der trotz all seiner Erfolge Kritik als Kränkung erlebt und auf Rückschläge mit irrationaler Aggressivität reagiert.

Vier Jahre lang musste die Welt ein solches Verhalten in noch viel extremerer Form im Weißen Haus mitverfolgen. Man würde sich wünschen, dass Österreich eine politische Psychopathologie à la Donald Trump erspart bleibt. (Eric Frey, 20.2.2021)