Was an Schuhen und Skiern mit bergauf fährt, ist entscheidend dafür, wie schnell und sicher es wieder bergab geht.

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Schon einmal in einen Rennschuh geschlüpft? Es fühlt sich an, als wären die Füße einzementiert. Für Rennläufer ist der Schuh als Verbindung zu Material und Schnee von enormer Bedeutung, jeglicher Spielraum inakzeptabel. "Die Kraftübertragung ist entscheidend", sagt der frühere Skirennläufer Günther Mader. "Der Schuh ist alles andere als eine Wohlfühlzone. Es hat sich gebessert, aber er ist in der Regel ein bis zwei Größen zu klein." Mader musste sich selbst eine "nicht mehr richtig bewegliche Zehe" operieren lassen. "Das, was die Mädels von den Stöckelschuhen kriegen, kriegen wir von den Skischuhen", sagt der bei Salomon im internationalen Management tätige 56-Jährige, der in allen fünf Disziplinen Siege gefeiert und sechs WM-Medaillen gewonnen hat, etwa Silber im Slalom von Crans-Montana 1987.

Wenig Spielraum

Dem Après-Ski zugeneigten Pistenbolzer ist ein Rennschuh nicht zu empfehlen. Rainer Salzgeber verweist aber auf eine altbewährte Taktik: "Wenn man die Schnallen nur leicht schließt, sollte man sich über einen längeren Zeitraum bewegen können und auch wohlfühlen." Der Schuh müsse aber perfekt passen, Druckstellen wären kontraproduktiv. Da nach dem Socken gleich der Schuh kommt, gibt es nicht viele Möglichkeiten, etwas zu verändern, sagt der 53-jährige Rennsportleiter von Head und WM-Silbermedaillengewinner im Riesentorlauf von Morioka 1993.

Rainer Salzgeber (l.) mit Anita Wachter.
Foto: Thomas Hirner

Haben früher Rennläufer mitunter ein, zwei Saisonen ihr Auslangen mit einem Paar gefunden, wird aufgrund der permanenten Weiterentwicklung heute laufend das Material gewechselt, so auch die Schuhe. Ausnahmen gibt es im Speedbereich, sagt Salzgeber. Die Entwicklung des Schuhs habe sich in den letzten Jahren auf Details beschränkt. "Abgeschlossen ist bei dem Werkl nie etwas", sagt Mader. So werden etwa verschiedene Materialien getestet. "Grundsätzlich", sagt Salzgeber, "besteht ein langsamerer Zyklus als bei Skiern." Eine Formänderung brauche Zeit und sei letztlich eine mit großem Aufwand verbundene Gratwanderung.

Und es gibt mitunter Komplikationen: etwa Bedingungen wie bei einem Rennen herzustellen, weil Pistenraupen allein keinen geeigneten Untergrund schaffen. "Dann kriegt man definitiv falsche Ergebnisse, von denen man sich nicht verleiten lassen darf", sagt Mader. Ein Profi in diesem Metier sei Marcel Hirscher gewesen. Es ist nicht einfach, Läufer zu finden, die Feedback geben können, sagt Salzgeber. Mader: "Und am Ende der Saison sind die Läufer ausgelaugt. Das macht es nicht einfacher."

Das Gesamtpaket

Für den finalen Erfolg sei jede Komponente von Bedeutung, das Gesamtpaket entscheidend: Ski, Bindung, Platte und Schuh. "Es ist ähnlich wie in der Formel 1, nur mit weniger Aufwand, weil wir nicht über die finanziellen Mittel verfügen", sagt Mader. Sehr problematisch sei, dass das "ganze Werkl bei allen Bedingungen so gut wie möglich funktionieren soll, sich das Wetter aber speziell in den Bergen rasch ändert und es viele verschiedene Verhältnisse gibt". Die hochentwickelten Skier tun ein Übriges, sie bieten selbst auf eisigem Untergrund besten Halt, bisweilen zu viel, dann klagen Läufer über zu aggressiv eingestelltes Set-up.

Zu Maders und Salzgebers aktiver Zeit in den 80er- und 90er-Jahren gab es "Riesenprobleme" mit den Schuhen für Techniker in Österreich. "Ausländische Firmen waren nicht im Pool. Wir waren gezwungen, die österreichischen zu fahren, damals wurde aber alles für die erfolgreichen Abfahrer unternommen, und für die Techniker sei es "nebenbei mitgelaufen. Wenn es eisig war, hatten wir Probleme mit dem Grip", sagt Mader. Seinerzeit sei die Materialabstimmung nicht so komplex gewesen, bis Mitte, Ende der Achtziger sogar relativ unprofessionell. "Aber dann hat es angefangen. Von 1992 an haben wir richtig viel in dem Bereich gearbeitet."

Nahe an der Perfektion

Heutzutage werde vor allem im Slalom- und Riesentorlaufbereich oft kurzfristig Neues probiert, das sei im Abfahrtsbereich nicht so einfach zu bewerkstelligen, weil die Gleitfähigkeiten öfter getestet werden müssen. "Eine Rolle spielt hier auch, wohin die Trends der Kurssetzung gehen", sagt Mader. Das ist oft schwer zu erahnen. "Im Endeffekt fahren wir immer am besten, wenn wir ein Material haben, das bei allen Bedingungen zu 95 bis 98 Prozent passt.

Hinsichtlich Bindungen könnte es künftig Revolutionäres geben. Andere Varianten werden ausprobiert. "Wir sind im Versuchsstadium. Es gibt de facto in allen Bereichen Möglichkeiten, etwas zu optimieren. Die Sicherheit ist natürlich ein wichtiger Punkt", sagt Salzgeber, der auf "einen Technologiesprung" hofft, auf eine Bindung, "die es bisher nicht gab".

Tüfteln an den Radien

Bezüglich der immer wieder diskutierten Radien – 30 Meter im Riesentorlauf, 40 (Damen) bzw. 45 Meter (Herren) im Super-G und 50 in der Abfahrt, wobei Slalomskier keiner Radius-, aber einer Längenlimitierung unterliegen – sieht Salzgeber nach wie vor Handlungsbedarf: "Bei den Damen könnte man sich überlegen, dass man mitunter kürzer gehen kann, speziell im Nachwuchsbereich. Ich glaube, dass gewisse Entscheidungsträger dieses Segment komplett ausblenden. Würden sie einmal ein Fis-Rennen anschauen, wo ein 16-jähriges Mädel mit hoher Startnummer runter fährt, dann hätten sie wahrscheinlich eine andere Meinung. Wir müssen uns de facto, so wie momentan die Fis und das ganze System herum funktionieren, überraschen lassen, was in Zukunft kommt." (Thomas Hirner aus Cortina d'Ampezzo, 20.2.2021)