Das Amtsgeheimnis dürfte tatsächlich fallen.

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Wien – Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich auf das Paket zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und Einführung der Informationsfreiheit geeinigt. Das wurde dem STANDARD am Freitagnachmittag aus dem Büro von Vizekanzler und Interimsjustizminister Werner Kogler (Grüne) bestätigt. Das Gesetz soll am Samstag oder am Montag in Begutachtung gehen.

Das Informationsfreiheitsgesetz war im Regierungsprogramm schon recht detailliert ausverhandelt, an einigen Punkten hat es sich zuletzt aber noch gespießt. Bereits im Sommer 2020 habe es einen Gesetzesentwurf gegeben, verlautet die Regierung nun, im Herbst seien dann "Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern" geführt worden.

Grenze von 100.000 Euro für Informationsautomatik

Final geeinigt hat sich die Koalition nun wie erwartet auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und ein Grundrecht auf Zugang zu Information. Die Grenze für die Beteiligung der öffentlichen Hand an privaten Unternehmen, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, wird von 50 Prozent auf 25 Prozent gesenkt.

"Informationen von allgemeinem Interesse sind in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise proaktiv zu veröffentlichen, insbesondere Studien, Gutachten, Stellungnahmen, Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro", heißt es in der Punktuation. Diese Begrenzung mit einem Wert von 100.000 Euro ist nicht im Regierungsprogramm festgehalten, sie dürfte vor allem Gemeinden entlasten. Die Daten sollen in einem "zentralen Informationsregister" gesammelt werden.

Ausnahmen noch vage gehalten

Zentraler Punkt des neuen Gesetzes ist die Gestaltung der Ausnahmeregelungen – sind sie zu umfangreich, könnten sie der neu geschaffenen Informationsfreiheit die Zähne ziehen. Hier bleibt auch die Punktuation vage: "Ausnahmen für das Informationsrecht werden geschaffen, soweit und solange die Geheimhaltung erforderlich und verhältnismäßig ist (nationale Sicherheit, personenbezogene Daten, Vorbereitung von Entscheidungen et cetera)" – Details wird wohl erst der Gesetzesentwurf zugänglich machen.

Festgehalten wird auch, dass der Zugang zu Informationen gebührenfrei sein soll. Die Frist für eine Antwort ist mit vier Wochen festgelegt, "bei schwierigen Auskünften oder Abwägungen acht Wochen". Für die Durchsetzung in Streitfragen sind die Verwaltungsgerichte zuständig, die Datenschutzbehörde "agiert als eine Service- und Informationsstelle für alle Behörden und Einrichtungen".

"Dissenting opinions" und Cooling-off am VfGH

Auch justizielle Transparenz soll mit dem Paket umgesetzt werden: Vereinbart ist nämlich die "Stärkung der Transparenz und Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) durch Möglichkeit auch für Sondervoten bei Gerichtsentscheidung ("dissenting" und "concurring opinion") – die Mitglieder des Höchstgerichts sollen bei ihren Entscheidungen also auch jene Argumente anführen können, die keine Mehrheit im Richterkollegium gefunden haben.

Und: Für Mitglieder des VfGH soll eine Cooling-off-Periode gelten, sie sollen also nicht direkt von einem Regierungsamt ins Höchstgericht wechseln können, wie es Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) 2017 getan hat. Beides sind langjährige Forderungen der Grünen.

Edtstadler: "Ambitioniertes Paket"

"Die Informationsfreiheit ist ein Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft. Hier wird es ein einklagbares Recht geben, auch jene Dinge zu erfahren, bei denen bisher das Amtsgeheimnis entgegengestanden ist", sagt Kogler. ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler: "Wichtig ist mir, dass das Recht auf Informationsfreiheit effektiv und effizient verwirklicht und gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der Verwaltung bewahrt wird." Das vorliegende Gesetz "ist ein ambitioniertes und zugleich ausgewogenes Paket".

Zweidrittelmehrheit nötig

Mit der koalitionsinternen Einigung ist es freilich nicht getan: Für den Beschluss des Verfassungsgesetzes braucht Türkis-Grün eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Infrage kommen dafür die Stimmen von SPÖ oder FPÖ, mit denen jetzt verhandelt werden muss.

Auch nach Beschluss wird nichts überstürzt: Eingeplant ist eine Legisvakanz, also eine Übergangsfrist, bis das Gesetz in Kraft tritt. Diese soll mindestens ein Jahr dauern – realistischerweise gilt die Informationsfreiheit also erst 2023. (Sebastian Fellner, 19.2.2021)