Die WKStA muss immer wieder heftige Kritik aus der Politik aushalten. Im Fall des Kurz-Termins ist sie nicht berechtigt, sagen namhafte Juristen.

Johann Grafs Termin mit einer Person namens "Kurz" war also definitiv eine Familienangelegenheit. Der Novomatic-Chef soll bei dem betreffenden Kalendereintrag seine Schwiegertochter Martina Kurz gemeint haben, sagt diese in einer eidesstattlichen Erklärung, nicht den damaligen Außenminister und jetzigen Kanzler Sebastian Kurz.

Es ist nicht so, als hätte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft das nicht mitbedacht, immerhin merkte sie in einem Aktenvermerk an, dass eine Martina Kurz existiert. Und doch war es Grund genug für manche Medien und die ÖVP, der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Grundlage abzusprechen. Von einer "Schlamperei" der WKStA war da zu lesen und davon, dass diese nun "Erklärungsbedarf" habe.

"Wie ein Kartenhaus" seien die Ermittlungen zusammengefallen, meinte auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger, die Opposition widersprach prompt und vehement. Die Grünen mahnten zur Ruhe und forderten, die Ermittler ihre Arbeit machen zu lassen.

Juristen untermauern nun den Aufschrei der Opposition. DER STANDARD hat mehrere namhafte Expertinnen und Experten um ihre Einschätzung gebeten, ob die Kurz-Verwechslung tatsächlich die Ermittlungen infrage stellt. Der Tenor der Antworten: nein.

Untermauerung statt Grund

So meint etwa Rupert Wolff, der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak), der Termin – egal mit wem und ob es ihn gab – spiele kaum eine Rolle. "In Wahrheit geht es aus meiner Sicht überhaupt nicht darum nachzuforschen, ob der Termin mit dem Bundeskanzler stattgefunden hat, sondern darum, ob es zu einer finanziellen Zuwendung aus der Spha¨re der Novomatic in die Sphäre der ÖVP kam", sagt Wolff und betont, dass diese Frage auch etwaige Spenden z. B. an das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut miteinschließe. Für alle in die Ermittlungen Involvierten gilt die Unschuldsvermutung.

Warum der Termin dann überhaupt – wenn auch nur mit zwei Zeilen – seinen Weg in die Anordnung zur Hausdurchsuchung gefunden haben könnte? Wohl zur Untermauerung, meint Wolff. Aus Sicht der ermittelnden Staatsanwaltschaft sei es nachvollziehbar, dass diese den Eindruck hatte, hier habe es Interventionen gegeben. Eine Richterin formuliert das so: "Die Smoking Gun ist das sicher nicht", vielmehr sei der Termin "einer von vielen Hinweisen" und "keinesfalls der Grund für die Hausdurchsuchung".

"Nur ein Mosaiksteinchen"

"Es handelt sich um ein Mosaiksteinchen, das keine wesentliche Rolle für die Beurteilung des Sachverhalts spielt", sagt auch Helmut Fuchs, emeritierter Professor am Institut für Strafrecht an der Universität Wien, zu dem umstrittenen Satz. Allerdings merkt er an: "Ich halte die Verdachtslage, so wie sie in der Anordnung dargelegt wird, für dünn. Als Richter hätte ich diese Hausdurchsuchung wohl nicht genehmigt."

Fuchs weist etwa darauf hin, dass Novomatic offenbar schon Spenden an die ÖVP erwogen hat, bevor das steuerliche Problem in Italien aufgetaucht ist. Da sei es erklärbar, wenn der Unternehmenschef bei einem Termin beides besprechen wolle, ohne dass die Absicht auf ein Gegengeschäft dahinterstecke. Frank Höpfel, ein anderer Fachmann vom Strafrechtsinstitut der Universität Wien, meint ebenso, die Passage zum Kurz-Termin sei "für die Hausdurchsuchung nicht relevant".

Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien, hingegen betont: Die einzige Möglichkeit, um seriös zu klären, ob die Voraussetzungen für die Hausdurchsuchung gegeben waren, wäre eine Beschwerde Blümels gegen den richterlichen Beschluss. Blümel schloss das aus, er wolle das Verfahren nicht verzögern, sagt er. (Gabriele Scherndl, Gerald John, Sebastian Fellner, 19.2.2021)