Wer Erspartes risikoarm anlegen will, steht vor der Quadratur des Kreises. In Deutschland fallen ohnedies oft Minuszinsen an, in Österreich frisst mehr Inflation diesen Zinsvorteil auf.
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Endgültig geöffnet wurde die Büchse der Pandora im November 2019: Damals verrechnete die erste deutsche Bank, ein bayerisches Genossenschaftsinstitut, Privatkunden auf Spareinlagen ab dem ersten Cent Strafzinsen. Ein Vorgehen, das rasch Schule gemacht und sich sukzessive in die Gepflogenheiten des deutschen Bankalltags gefressen hat. Denn im Verlauf des Vorjahres, wegen hoher Sparquoten in der Corona-Krise, hatten viele Haushalte mehr Geld als üblich auf der hohen Kante. Dadurch kam das Zinsniveau weiter unter Druck. Die Folge: Im Dezember lag der Durchschnittszins im Neugeschäft bei Spareinlagen bis zu einem Jahr Bindung bei minus 0,01 Prozent – also erstmals unter null.

Zum Jahreswechsel führten weitere deutsche Institute ein Verwahrungsentgelt, wie Minuszinsen beschönigend bezeichnet werden, ein oder verschärften die Regelungen. Insgesamt halten bereits mehr als zehn Prozent der gut 1700 deutschen Geldhäuser auf diese Weise die Hände auf. "Die Negativzinswelle rollt mit unverminderter Wucht über das Land", sagte Oliver Maier, Chef des Vergleichsportals Verivox. Neben Luxemburg und Dänemark ist Deutschland eines von drei Ländern in Europa mit einem negativen Durchschnittszins auf Erspartes.

Riegel vorgeschoben

In Österreich ist dies nicht möglich, da der OGH negativen Zinssätzen auf Spareinlagen von Privatpersonen einen Riegel vorgeschoben hat. Allerdings können sich auch hierzulande die Banken nicht dem Diktat der Europäischen Zentralbank (EZB) entziehen, die den Instituten ihrerseits einen 0,5-prozentigen Strafzins auf deren Einlagen aufbrummt – und damit die Negativspirale in Gang gesetzt hatte.

Was machen heimische Banken, wenn sie diese Zinslast nicht an Kunden weiterreichen dürfen? Einige eröffnen wegen der hohen Kosten eines klassischen Sparbuchs gar keine mehr – im Februar des Vorjahres schaffte die Hypo Niederösterreich das Produkt als erstes Institut Österreichs ab. Zudem drehen die Banken an der Gebührenschraube, wie aus regelmäßigen Erhebungen der Arbeiterkammer hervorgeht: Zuletzt stellten deren Experten im Mai 2020 bei Bankdienstleistungen "teils empfindliche Preissprünge" fest.

Kosten für alle

Das Problem dabei: Diese Kosten der Negativzinsen werden dadurch nicht nur an die wohlhabende Klientel mit hohen Einlagen weitergereicht, sondern an die Allgemeinheit in Form aller Bankkunden. Also auch jener, die über keine nennenswerten Ersparnisse verfügen.

Aber auch hinsichtlich der Zinsentwicklung steht Österreich nur auf den ersten Blick besser da. Abgerechnet wird nämlich erst nach Abzug der Inflation, welche stetig an der Kaufkraft des Ersparten nagt – woraus sich der sogenannte Realzins errechnet. Dabei verzeichnet Deutschland schon seit Jahren eine tendenziell niedrigere Teuerung, was Wifo-Experte Josef Baumgartner auf die seit Jahren zu beobachtenden Unterschiede in den Dienstleistungspreisen zurückführt. Diese steigen in Österreich ihm zufolge nämlich deutlich schneller.

Kaufkraft gesunken

Besonders stark ist die unterschiedliche Teuerung im Vorjahr ausgefallen: In Deutschland lag sie etwa bei 0,5 Prozent, hierzulande um fast einen Prozentpunkt höher. Da spielt es kaum eine Rolle, ob die Sparzinsen minimal über oder unter null liegen – was den Erhalt der Kaufkraft betrifft, sind in den vergangenen Jahren deutsche Sparer sogar besser gefahren.

Zumindest heuer könnte sich dies aber umkehren, denn ein Einmaleffekt drückte im Vorjahr die Teuerung in Deutschland stark, nämlich die vorübergehende Senkung der Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte. Diese galt für alle Sektoren und ist bereits ausgelaufen, anders als das österreichische Steuerzuckerl für Gastronomie und Hotellerie. Daher erwartet der Wifo-Experte für 2021 ähnliche Inflationsraten, nämlich 1,5 Prozent in Österreich und 1,7 Prozent für Deutschland.

Angestrebt wird von der EZB eine Teuerung von knapp zwei Prozent im Euroraum. Ein Ziel, das sie trotz geldpolitischer Verrenkungen seit Jahren verfehlt. Allerdings hat die Notenbank angekündigt, ein zeitweiliges Überschießen des Inflationsziels zuzulassen. Was im Klartext bedeutet: Selbst wenn die Kaufkraft des Ersparten der Bürger noch schneller entwertet werden sollte – die EZB würde tatenlos zusehen. (Alexander Hahn, 21.2.2021)