Ein Jahr Coronavirus-Pandemie in Österreich bedeutet auch ein Jahr Lavieren durch die bisher größte Krise der Zweiten Republik.

Die Politik schwankt ständig zwischen "Die Lage ist sehr ernst" und "Licht am Ende des Tunnels". Auch die Experten, welche die Regierung beraten, mäandern zwischen Zuversicht und Warnmodus, wie ein aktueller Blick in den STANDARD offenbart: Da meint der eine, die schrittweise Öffnung der Schanigärten sei unbedingt anzuraten – und der andere mahnt, die Strenge bei Schutz- und Quarantänemaßnahmen müsse auf jeden Fall beibehalten werden. Der Bundeskanzler kann sich die Öffnung der Gastro auch vorstellen, vielleicht sogar schon im März. Mal sehen, wie er das in einem Monat sieht.

Der Bundeskanzler kann sich die Öffnung der Gastro vorstellen.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Zwischenzeitlich meinte der Gesundheitsminister, Lockdown-Lockerungen seien nur möglich, wenn sich die Sieben-Tage-Inzidenz in Richtung 50 bewege. Eine Woche später sagte er: Hauptsache, die Richtung stimme. Alles sehr verwirrend, alles sehr österreichisch – ein bisserl streng, ein bisserl leben lassen, ab und zu ein Auge zudrücken, dann wieder mit großer Geste den unnachgiebigen Ordnungshüter geben. Dazu kommt irritierendes Konkurrenzgehabe: Jeder Erfolg in der Virusbekämpfung wird fast prahlerisch betont – als ob nicht jeden Tag die Möglichkeit von Rückschlägen bestünde.

Ein Blick über den Gartenzaun in Richtung Deutschland zeigt: Nicht alles, was der Nachbar macht, ist besser – aber vieles läuft klarer und nachvollziehbarer. Einerseits wirken die maßgeblichen Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihren Beurteilungen und Prognosen einheitlicher. Andererseits scheinen deutsche Politiker ihnen mehr zu vertrauen. Das ist in Österreich nicht unbedingt der Fall, vor allem, wenn es gegen die eigenen Interessen geht – siehe Tirol.

Unter Druck gerät die Politik da wie dort. Die Menschen sind müde und zunehmend ungeduldig. Die extrem niedrige Impfrate in Österreich tut ein Übriges, an der Krisenmanagement-Kompetenz der Regierung zu zweifeln.

Ein möglicher Ausweg sind die neuen Testmethoden, die Österreich gerade sehr gut und flexibel implementiert. Viel testen ist keinesfalls verkehrt und könnte eine "neue Normalität" bewirken. Positive Tests müssen freilich die immer gleiche Konsequenz haben: Quarantäne, Contact-Tracing, Kontrolle. Hier ist noch Luft nach oben. Ebenso bei der politischen Krisenbewältigung: Mehr Klarheit hätten sich die Menschen in Österreich nach einem Jahr Pandemie wahrlich verdient. (Petra Stuiber, 19.2.2021)