Anschober sprach bei seiner Ein-Jahr-mit-Covid-19-Pressekonferenz von einer "Risikophase" mit leicht ansteigenden Zahlen.

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Der Kanzler vor dem Videoschirm, der Gesundheitsminister hinter der Plexiglasscheibe: Fast zeitgleich beschäftigten sich Sebastian Kurz (ÖVP) und Rudolf Anschober (Grüne) am Freitagvormittag im Bundeskanzleramt mit den nächsten Öffnungsschritten, die den Menschen in Österreich das Leben mit der Pandemie erleichtern sollen.

Bloß die Botschaft der beiden Koalitionspartner unterschied sich dann doch recht deutlich voneinander: Während der Kanzler nach seinem Online-Gespräch mit Wirtschaftsvertretern eine Öffnung der Gastronomiebetriebe noch im März in Aussicht stellte, sprach Anschober nebenan bei seiner Ein-Jahr-mit-Covid-19-Pressekonferenz von einer "Risikophase" mit leicht ansteigenden Zahlen.

Für ihn bedeute das: Vor dem ersten März werde er über allfällige Öffnungen sicher nicht spekulieren – es gelte, die Zahlen genau zu beobachten, und "dann wird in Richtung Ostern geplant".

Mehr Fälle sichtbar

Was der Gesundheitsminister auf der Habenseite verbucht: Am Wochenende werde die 500.000er-Marke bei den Impfungen erreicht, 200.000 davon haben bereits die zweite Teilimpfung erhalten. Den Anstieg bei den Neuinfektionen will Anschober noch nicht als Absage an weitere Lockerungen verstanden wissen. Mit rund 250.000 Testungen pro Tag (die Schultests sind hier nicht miteinberechnet) würden natürlich auch mehr Fälle sichtbar.

Wichtig sei, dass sich die Zahlen zumindest stabilisieren. "Spielentscheidend" sei, dass den Testungen jetzt auch ein gut funktionierendes Contact-Tracing folge – fast 5.000 Menschen seien bei der Nachverfolgung möglicher Kontaktpersonen österreichweit im Einsatz. Der leichte Rückgang bei den Spitalsbelegungen und der Zahl jener Menschen, die mit oder an Covid-19 verstorben sind, stimmen den Minister hoffnungsfroh.

Was weniger gut ist und was für Anschobers Skepsis spricht: Die Reproduktionszahl liegt laut Simulationsforscher Niki Popper von der TU Wien bereits wieder über eins. Das bedeutet: Aktuell steckt eine infizierte Person mehr als eine weitere an. Gleichzeitig breitet sich die Mutation B.1.1.7 in Österreich aus, ist im Osten bereits die dominante Variante. Laut Poppers Modellrechnungen brauche es in den kommenden Wochen "zumindest Stabilität, beziehungsweise leicht sinkende Fallzahlen", um weitere Lockerungsschritte umzusetzen.

Gastro-Öffnung im März?

Genau das ist derzeit aber nicht der Fall. Ein paar Meter weiter waren die Lockerung trotzdem bereits Thema: Dort beriet Kanzler Kurz mit Branchenvertretern der Gastronomie über nächste Öffnungsschritte. Am Ende stellte der ÖVP-Chef eine mögliche frühere Öffnung in den Raum, sollten die Covid-Zahlen das zulassen. Fix entschieden werde das allerdings erst am 1. März, hieß es auch hier.

Sollten die Zahlen stabil bleiben – auf einen Wert legte man sich am Freitag nicht fest –, könnte die Gastronomie unter Umständen bereits Mitte März wieder öffnen. Branchenvertreter hatten zuvor massiv auf eine Öffnung mit Sicherheitsmaßnahmen gedrängt.

Bis Ende Februar soll ein überarbeitetes Konzept dafür vorgelegt werden. Wirtschaftskammer-Gastro-Obmann Mario Pulker gab dem STANDARD einen Einblick, wie dieses aussehen könnte.

Testen vor dem Lokalbesuch

Wie bereits jetzt beim Friseurbesuch sollen Gäste in Lokalen einen negativen Corona-Test vorweisen, der maximal 48 Stunden alt ist. Pulker zitierte eine WKO-Umfrage, wonach 83 Prozent der Österreicher bereit seien, sich für einen Gastrobesuch testen zu lassen. Und die übrigen 17 Prozent? "Für die gibt es keinen Lokalbesuch", fasst der Gastronomievertreter zusammen.

Das Testergebnis soll von den Wirten kontrolliert werden – entweder am Eingang oder am Tisch. Rechtlich sei das kein Problem, sagt der Branchenvertreter: "Durch das Hausrecht kann man sehr wohl sagen: Du kommst rein und du nicht."

Wie auch schon im Herbst soll es beim Restaurantbesuch eine Maskenpflicht geben, wobei Gäste den FFP2-Schutz bei Tisch abnehmen können. Das derzeitige Konzept sehe vor, dass weiterhin nur ein Haushalt auf einen weiteren treffen könne. Zwischen den Tischen soll der Abstand möglicherweise auf zwei Meter ausgeweitet werden, das werde noch konkretisiert.

Strenge Kontrollen geplant

Ob die Öffnung funktionieren würde, läge letztlich am Mitwirken jedes einzelnen Gastronomen, sagte Pulker und appellierte an die Mitgliedsbetriebe: Wenn sich einzelne Gastronomen nicht an die Regeln halten und es zu einem Anstieg der Fallzahlen käme, müssten alle wieder zusperren. Davon hätte niemand etwas, ist sich Pulker sicher.

Beim Gespräch mit dem Kanzler habe man sich für strenge Kontrollen ausgesprochen, das Strafmaß solle voll ausgeschöpft werden. "Wir stellen uns hinter keine schwarzen Schafe und lassen uns wegen einiger weniger nicht in den nächsten Lockdown treiben."

Dass zwischen dem In-Aussicht-Stellen weiterer Öffnungsschritte und dem Warnen vor weiteren harten Wochen ein gewisser Widerspruch besteht, will man im Büro des Gesundheitsministers so übrigens nicht stehen lassen.

Der Plan sei hier wie da, dass Lockerungen nur schrittweise erfolgen können, mit genauem Blick auf das Infektionsgeschehen, die Entwicklung bei den Hospitalisierungen und einer Reihe anderer Faktoren. Ein weiterer Erfahrungswert: Nach jedem Nachjustieren werden die Folgen erst zeitverzögert sichtbar. Und da stecke man gerade mittendrin, heißt es aus dem Büro Anschober.

Also alles eine Frage der Kommunikation? Dass sich Branchenvertreter und Politik frühzeitig Gedanken über Konzepte zur Wiederaufnahme des Betriebs machen, ist eigentlich selbstverständlich. Wer dann welchen Standpunkt betont, hängt wohl auch mit dem Standort zusammen. (Nora Laufer, Karin Riss, 19.2.2021)