Die Situation der Frau in der Nachkriegszeit als formales Spiel mit Fläche und Form: Elde Steegs Berliner "Promenade", 1948.

Foto: Tiroler Landesmuseen

Die Systemerhalterinnen der Kriegsjahre wurden nach 1945 an den Herd zurückgepfiffen. Frauen mussten ihre Jobs zugunsten der heimkehrenden Männer räumen, am Arbeitsmarkt und im Privaten griff wieder die alte patriarchale Ordnung. Elde Steeg stellte diesen Verdrängungsprozess auch als räumlich-körperliche Erfahrung dar, malte im Berlin der Nachkriegszeit Straßenszenen, in denen Frauenkörper sich in der Geometrie der Großstadt auflösen, Kleider zu Fahrbahnen werden und Gesichter im Häusermeer verschwinden.

Auf einer Promenade schiebt sich eine männliche Gestalt Ellbogen voraus in eine Gruppe flächig gemalter, gesichtsloser Frauenfiguren. Die Umrisslinie eines Körpers bestimmt die Form der anderen.

An einem Wendepunkt

Die Künstlerin steht selbst an einem Wendepunkt: Ab 1945 tritt sie unter dem Namen Elde Steeg auf, geboren wurde sie 1908 als Elfriede Stegemeyer in Berlin. Stegemeyer ist bis heute in der Kunstwelt der bekanntere Name, er steht für eine Vertreterin der fotografischen Avantgarde der 1930er-Jahre, man begegnet ihm aktuell auch in der Albertina-Schau über die Porträtfotografie der Zwischenkriegszeit.

Als Kunststudentin in Berlin und Köln bewegte sich Stegemeyer in den Kreisen der Dadaisten und der politisch bewegten "Kölner Progressiven" rund um Franz Wilhelm Seiwert, Otto Freundlich, Heinrich Hoerle und Marta Hegemann. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 engagierte sie sich im Widerstand, ein großer Teil ihres fotografischen Werks wurde 1943 im Berliner Bombenhagel zerstört.

Was davon noch übrig war, wurde erst vierzig Jahre später allmählich wiederentdeckt, Elde Steeg hatte sich da längst anderen Medien zugewandt, unter anderem auch dem experimentellen Trickfilm. Das Spätwerk zeigt sie als abstrakte Malerin, die mit Formen und Prozessen aus der Naturwissenschaft experimentiert, einen Hauch von Dada und Surrealismus verströmen dagegen Collagen und Wendebilder, in denen sich die Künstlerin bis ins hohe Alter bissig-ironisch mit gesellschaftlichen Fragen und speziell mit Geschlechterrollen auseinandersetzte.

Nachlass in Innsbruck

Das Ferdinandeum in Innsbruck, wo die Künstlerin Elde Steeg ab 1974 bis zu ihrem Tod 1988 gelebt hat, verwaltet den rund 1500 Werke umfassenden bildnerischen Nachlass der Künstlerin. Dessen Aufarbeitung wäre zweifellos auch eine gute Gelegenheit für eine umfassendere Schau gewesen, für die man sich auch um das weit verstreute fotografische Werk bemühen hätte können. Vielleicht kommt es dazu ja noch: Der Pressetext verspricht jedenfalls eine Reihe von Präsentationen, in denen verschiedene Facetten der Künstlerin beleuchtet werden sollen.

Das erste Häppchen kommt nun also unter dem Titel Die Frauen machen die Brötchen daher und konzentriert sich auf den feministischen Aspekt im Werk von Elfriede Stegemeyer / Elde Steeg.

Angelegt als intimes, begehbares "Gedankenbild" ist die von Andreas Sladky kuratierte Schau auch schön gemacht. Mit den zu riesigen Wandtapeten aufgeblasenen Zeichnungen hätte man allerdings auch sparsamer umgehen können, weil sie Originale da und dort leider zu erschlagen drohen.

Herrlich lustwandeln lässt es sich dafür zwischen den in den Raum gehängten Wendebildern, in denen Steeg in den 1980er-Jahren Ausschnitte aus Illustrierten als Spiegel der patriarchalen Gesellschaft entlarvte.

Ins Visier genommen hat sie dereinst übrigens auch die Tiroler Tourismusindustrie. Stoff für Fortsetzungen gäbe es also genug. (Ivona Jelcic, 22.2.2021)