Es sei die Gastvorlesung eines Umweltjuristen gewesen, die bei ihr eine der wohl wichtigsten Entscheidungen ihres jungen Lebens ausgelöst hätte, erzählt Katta O’Donnell. Die Jurastudentin an der Deakin University in Melbourne schloss danach ihr Pensionskassenkonto und legte das Geld in einem Fonds an, der in nachhaltige Anlagen investiert. "Ich habe erkannt, dass solch langweilige Dinge wie Pensionskassen und Staatsanleihen einen Einfluss darauf haben, wie die Welt die Klimakrise angehen kann", erzählt sie.

Das war im vergangenen Jahr. Kurze Zeit später zog die heute 24-jährige Australierin gegen ihre Regierung vor Gericht – ein weltweit erstmaliger Schritt, über den selbst die New York Times berichtet. In einer Sammelklage wirft O’Donnell Canberra vor, das Volk nicht über die Risiken aufzuklären, welche die Klimakatastrophe für Kapitalanlagen habe – allen voran Staatsanleihen.

Katta O'Donnell sieht ihre Altersvorsorge in Gefahr durch den Klimawandel.

Wie Aktien können aber auch Anleihen an Wert verlieren, wenn sie für den Markt weniger attraktiv werden. Dies kann geschehen, wenn Anleger die Fähigkeit einer Regierung infrage stellen, die Anleihen aufgrund steigender Staatsverschuldung zurückzuzahlen. Laut dem Ökonomen Rob Henderson könnte der Wert auch durch "Reputationsrisiken" beeinträchtigt werden, da Investoren zunehmend Anleihen aus umweltverschmutzenden Ländern meiden.

Während viele private Firmen inzwischen die Folgen des Klimawandels auf Unternehmensbilanz und -gewinn berechnen, gelten in Australien für den Staat keine solchen Regeln. Dieses Risiko nicht zu kennen gefährde die Sicherheit ihrer Kapitalanlage, meint O'Donnell. Es ist mehr als eine Hypothese: Die schwedische Zentralbank hatte sich schon 2019 von Staatsanleihen der beiden australischen Bundesstaaten Queensland und Westaustralien getrennt. Der Grund: die Furcht vor den Folgen des Klimawandels.

Schäden in Milliardenhöhe

"Die australische Regierung weiß, dass Klimawandel auch massive wirtschaftliche Folgen haben wird", sagt O'Donnell. "Sie verschweigt das aber." O'Donnell nennt die katastrophalen Waldbrände vom letzten Jahr als besonders dramatisches Beispiel. Schäden in Milliardenhöhe seien damals entstanden, für die nun der Staat aufkommen müsse.

Die junge Studentin gibt zu, dass die Sorge um ihre Altersvorsorge nicht der Hauptgrund für ihren Aktivismus sei. Sie habe Angst um die Zukunft des Planeten, eine Zukunft, "die von der australischen Regierung riskiert wird". Canberra habe im internationalen Vergleich bescheidene Emissionsreduktionsziele. "Gleichzeitig fördert die Regierung die fossilen Treibstoffe."

Australien ist einer der weltweit größten Kohle- und Gasexporteure. Trotz wachsendem internationalem Druck und enormem Potenzial für erneuerbare Energien will die Regierung die Fossilienindustrie ausbauen. Gleichzeitig ist das Land laut Experten wie keine andere westliche Nation bereits von den Folgen des Klimawandels betroffen. "Das Große Barriere-Riff etwa ist wegen Korallenbleiche schon zu 50 Prozent tot", klagt O'Donnell.

Für die Rechtsprofessorin Jaqueline Peel von der Melbourne University ist O'Donnells Klage von historischer Bedeutung, "weil sie den Klimawandel mit einem realen finanziellen Risiko verbindet, was den Finanzsektor aufhorchen lassen könnte", wie sie gegenüber dem Sender ABC meinte. Die Akademikerin glaubt, die Klage könnte rund um die Welt ähnliche Prozesse auslösen.

Die australische Regierung hat nicht offiziell Stellung zur Klage bezogen. Es wird Jahre dauern, bis das Oberste Gericht einen Entscheid treffen wird. Ein Ziel hat Katta O’Donnell aber schon erreicht: Immer mehr junge Australierinnen und Australier folgen ihrem Beispiel. Etwa 500 haben sich schon der Sammelklage angeschlossen. (Urs Wälterlin aus Canberra, 22.2.2021)