"Die Leute glauben im Grunde nur an das Privateigentum, weil es ihnen die Illusion von Sicherheit verschafft." Mit diesem Zitat des Autors John Berger fortzusetzen erscheint nicht nur deswegen passend, weil es einem wunderbaren Buch mit Essays zur Fotografie entstammt, sondern weil man wohl das Wort "Privateigentum" in diesem Zitat auch durch "Datenschutz" ersetzen könnte. Wie wir aber auch des Öfteren erleben, produziert das allzu emsige Streben nach Sicherheit neue Unsicherheiten. Von allen Ecken springt einen die DSGVO an, und plötzlich nähern sich die bisher harmlosesten täglichen Verrichtungen in ihrem Risikopotenzial einer Operation am offenen Herzen. Na gut, nicht ganz, aber eine gewisse Grundnervosität ist schnell abrufbar, zum Beispiel, wenn es um Fragen der Fotografie geht.

DSGVO für alle Fotografierten?

Sofern eine Person auf einer Fotografie erkennbar ist (was naturgemäß nur jenen Menschen möglich ist, die das Aussehen dieser Person kennen – aber das genügt bereits), ist die Voraussetzung der Identifizierbarkeit erfüllt, es bedarf keiner zusätzlichen Identifikation durch die Fotografie selbst oder durch der Fotografie angeschlossenen Zusatzinformationen. Stellen nun wirklich mit einer Digitalkamera gefertigte Fotografien von Personen in jedem Fall personenbezogene Daten dar? Weil, wenn ja, ist für deren Verarbeitung die DSGVO anzuwenden. Als Metadaten werden ja in der Regel Zeit (oft auch Ort) der Aufnahme erfasst, Gesichter lassen sich oft mit Datenbanken abgleichen und so identifizieren. Weiß der datenschutzrechtlich Verantwortliche, also der Fotograf, aber nicht, wer auf dem Foto abgebildet ist, und eröffnet den Zugriff auf das Foto nur ausgesuchten anderen, die hinsichtlich der Identität der abgebildeten Person ebenso ahnungslos sind, so ist die abgebildete Person weder identifiziert noch identifizierbar, und "der Verantwortliche" verarbeitet in diesem Fall daher keine personenbezogenen Daten. Die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung (Artikel 6 DSGVO) sind also nur anzuwenden, wenn diese Identifizierbarkeit im konkreten Fall tatsächlich gegeben ist.

Und was sind diese Voraussetzungen? Einwilligung/Erfüllung eines Vertrags mit der betroffenen Person / Notwendigkeit aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung/in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe / berechtigte Interessen des "Verantwortlichen", sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen. Und dann gibt's noch eine große Ausnahme, die sogenannte Haushaltsausnahme: Rein private Aufnahmen im ausschließlich persönlichen oder familiären Bereich werden nicht erfasst.

Wie und wen darf ich überhaupt noch fotografieren?
Foto: BORIS HORVAT / AFP)

Berechtigte Interessen

Mit der Einwilligung ist das so eine Sache. Sie muss nicht schriftlich sein (was aber zu Beweiszwecken oft sinnvoll sein kann), aber die betroffene Person muss vorab informiert worden sein, wer der Verantwortliche ist, für welche Dauer die Daten gespeichert werde und dass sie ein Recht auf Auskunft und Löschung sowie auf Widerruf der Einwilligung hat. Das Problematische bei der Einwilligung ist, dass sie laut DSGVO auch jederzeit widerrufen werden kann, was dem Fotografen dann, metaphorisch gesprochen, den Sessel unterm Hintern wegzieht. Kommt man um diese Einwilligung irgendwie herum? Ja, und zwar bei einem gar nicht so geringen Teil der infrage kommenden Sachverhalte.

Die Verarbeitung von Daten, also auch das Herstellen, Speichern et cetera einer Fotografie ist auch dann zulässig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Das Interesse muss "berechtigt" sein. Es kann sich aus der Wahrnehmung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit ergeben, auch kulturelle und gesellschaftliche Erwartungen können eine Rolle spielen.

Wem können wir also grundsätzlich derartige berechtigte Interessen unterstellen? Sowohl professionelle Fotografen, aber auch Amateure, die mit einigem künstlerischen Anspruch an die Sache herangehen, werden ein berechtigtes Interesse haben, ihre künstlerische Betätigung auszuüben, dem in aller Regel auch keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen entgegenstehen werden, da in den meisten Fällen lediglich die Sozialsphäre – also wie man sich in der Öffentlichkeit sehen lässt – betroffen ist. Die Kriterien für eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild gelten auch bei der Anwendung der DSGVO: Die Interessen des Fotografierenden und jener, die die Fotos zu sehen bekommen, sind abzuwägen gegen einen allfälligen Eingriff in die legitimen Interessen der fotografierten Person. Je näher die Abbildung und deren Verwertung in die Privatsphäre hineinrückt, desto gewichtiger müssen die Interessen auf der anderen Seite sein. Für die Abbildung einer Person in einer hilflosen, besonders unangenehmen oder peinlichen Situation (Krankenbett, Unfall, Verletzung, im Schlaf, in der Ohnmacht, diverse "Hoppalas", Situationen im Zusammenhang mit der Ahndung von Straftaten, wie Festnahme, Vorführung vor Gericht et cetera) wird es, und selbst das wird nur in Ausnahmefällen funktionieren, der Darlegung sehr gravierender Interessen aufseiten des Verantwortlichen bedürfen.

Takt und Sensibilität

"Harmlose" Street-Photography ist daher grundsätzlich weiterhin problemlos. An Fotografien von Menschen, insbesondere Menschengruppen, im Rahmen von Veranstaltungen, werden die Veranstalter beziehungsweise andere Veranstaltungsteilnehmer in aller Regel ein berechtigtes Interesse haben, entspricht es doch den "kulturellen und gesellschaftlichen Erwartungen", dass bei solchen Gelegenheiten Fotos angefertigt, archiviert oder veröffentlicht werden. Auch hier geht es in aller Regel nur um die Sozialsphäre der Betroffenen, sofern die Aufnahmen mit dem entsprechenden Taktgefühl und einer Sensibilität dafür, wo bereits in die höchstpersönliche Sphäre der Fotografierten eingedrungen wird, gemacht werden. (Thomas Höhne, 25.2.2021)