In Alabama könnte es bald zur ersten erfolgreichen Gewerkschaftsgründung durch Amazon-Mitarbeiter kommen.

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Es war ein harter Kampf für die Belegschaft eines Amazon-Logistikstandortes in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama. Trotz Widerstands seitens der Führung setzten die Mitarbeiter eine Abstimmung über die Gründung einer Gewerkschaft durch. Es ist erst das zweite Versandzentrum, in dem eine solche Wahl überhaupt stattfindet. Zuletzt gelang dies 2014 in Delaware, wo es letztlich aufgrund des Widerstands des Konzerns aber nicht zu einer Gründung kam.

Auch in Birmingham wehrt sich Amazon laut Augenzeugen erbittert gegen gewerkschaftliche Aktivitäten. Auf Plakaten weist man auf die Website "Do It Without Dues" hin, auf der man Angst vor hohen Gewerkschaftsgebühren und Verschwendung derselben schürt. Mitarbeiter wurden mehrfach zu Meetings verpflichtet, bei denen – teils von externen Beratern – ebenfalls Skepsis gesät wurde.

Bis zu 3.000 Dollar bei Abgang

Maßnahmen wie diese sind nicht neu. Amazon ist schon länger bekannt dafür, speziell in den USA massiv gewerkschaftsfeindlich zu agieren und mit einschlägigen Firmen zusammenzuarbeiten, die sich auf sogenanntes "union busting" spezialisiert haben. In Alabama greift man aber nun zu einer bisher nicht gesehenen Methode, berichtet das Arbeitsaktivismus-Portal "Payday Report" – nämlich zu "goldenen Handshakes".

Eine Reihe von Mitarbeitern hat per E-Mail ein Angebot erhalten. Der Konzern bietet ihnen an, ihnen 2.000 Dollar zu zahlen, wenn sie zumindest zwei "peak seasons" (wie etwa Weihnachten und Ostern) dabei waren und ihren Job kündigen. Ab drei "Hochsaisonen" verspricht man 3.000 Dollar. Die Offerte scheint darauf abzuzielen, unzufriedene Mitarbeiter, die wohl mit höherer Wahrscheinlichkeit einer Gewerkschaftsgründung zustimmen würden, zum freiwilligen Abgang zu bewegen. Damit könnten sie auch nicht mehr am Wahlgang teilnehmen.

Einige Mitarbeiter am Standort kritisieren die Arbeitsbedingungen scharf. Sie monieren etwa, dass sie bei ihren Tätigkeiten kaum Zeit zum Verschnaufen hätten. Wer etwa Waren aus den Regalen holt, muss in sehr schneller Abfolge neue Artikel scannen, um die automatische Einbuchung von "Untätigkeit" zu vermeiden. Auch Klo- und Trinkpausen würden als solche registriert. Wer an einem Tag 30 Minuten "Fehlzeit" ansammle, erhalte eine Verwarnung, bei zwei Stunden erfolge unmittelbar die Entlassung.

Bonuszahlung könnte Arbeitsrecht verletzen

Laut "Payday Report" könnte sich Amazon damit in Konflikt mit dem Arbeitsrecht begeben. Die Bonuszahlung bei Kündigung sei durchaus als Bestechungsversuch interpretierbar. Arbeitgebern wird strikt untersagt, im Vorfeld von Gewerkschaftsabstimmungen die materiellen Bedingungen der Angestellten zu verbessern, um das Ergebnis nicht zu beeinflussen. Andernfalls kann ein negatives Ergebnis vom National Labor Relations Board beeinsprucht und eine erneute Durchführung angeordnet werden.

Gleichzeitig setzen die Aktivisten Amazons Angebot auch als Munition gegen den Konzern ein. Wenn man sich solche Bonuszahlungen leisten könne, dann könne auch ein gewerkschaftlich verhandelter Arbeitsvertrag mit höheren Löhnen kein Problem sein, argumentiert man. Wenn sich das Unternehmen ohnehin dessen bewusst sei, dass die Mitarbeiter das Geld dringend benötigen, könnte man es ihnen auch einfach ohne Kündigung geben.

Der Onlinehandelsriese gehört zu den Profiteuren der Coronavirus-Pandemie. Der Onlineshopping-Boom als Folge von Lockdowns und Handelsbeschränkungen sorgte vielerorts für Rekordzahlen für den multinationalen Konzern, dessen Gründer und CEO Jeff Bezos – er wechselt in der zweiten Jahreshälfte vom Chefsessel in den Aufsichtsrat – derzeit als der reichste Mensch der Welt gilt. (red, 22.2.2021)