Nicht nur eine Bedrohung für die Gesundheit, sondern auch teuer ist die Corona-Pandemie. Rekordarbeitslosigkeit, Unternehmensschließungen und Reisebeschränkungen kosten die Republik Milliarden an Steuereinnahmen. Dazu kommt die teure türkis-grüne Hilfspolitik, weitere Milliarden Euro, mit denen noch größerer Schaden in der heimischen Wirtschaft verhindert werden soll. Die wirtschaftsliberale Agenda Austria hat errechnet: Die Schulden Österreichs beliefen sich 2020 auf 35.659 Euro pro Kopf – ein Anstieg von mehr als 4100 Euro im Vergleich zu 2019, Tendenz weiter steigend.
Eine Frage, die schon länger durch den öffentlichen Diskurs schwirrt, lautet: Wer soll das alles bezahlen? Eine Antwort, die in dem Zusammenhang immer wieder vorgetragen wird: die Reichen.
Hierzulande sprechen sich vor allem die Sozialdemokraten und ihnen nahe Interessenvertretungen wie die Arbeiterkammer (AK) und der Gewerkschaftsbund (ÖGB) für Vermögensabgaben aus. Es dürfen nicht wieder die Arbeitnehmer allein sein, die die Kosten der Krise tragen, heißt es vonseiten der SPÖ mit Verweis auf Bankenrettungen in der Finanzkrise: "Die SPÖ will, dass auch Vermögende ihren gerechten Teil zur Bewältigung der Krise beitragen."
Bei der Arbeiterkammer weist man auch darauf hin, dass die Börsen trotz Krise gut performten, während Arbeitseinkommen oft sogar kurzarbeitsbedingt zurückgingen. Kurzum: Die Ungleichheit sei in der Krise gewachsen.
Roter Vorschlag
Eine gerechte Millionärsabgabe sähe laut den Roten so aus: Bei einem Gesamtvermögen – also Immobilien plus Finanzvermögen abzüglich aller Schulden – bis zu einer Million Euro fallen keine Steuern an. Bis zu zehn Millionen Euro sind 0,5 Prozent abzuführen, darüber ein Prozent. Auch Erbschaften und Schenkungen sollen laut SPÖ bis zu einer Million steuerfrei bleiben, darüber aber mit 25 bis 35 Prozent belastet werden. Das würde nur die Reichsten treffen, so die SPÖ.
Die türkis-grüne Bundesregierung hat derzeit kein Ohr für solche Forderungen. Bei der ÖVP heißt es, es gebe gerade wichtigere Themen. Die Frage der Finanzierung stelle sich nicht, da die Maastricht-Kriterien für Neuverschuldung während der Pandemie nicht greifen.
Auch bei den Grünen sagt man, dass die Debatte über die Rückzahlung der Corona-Schulden mittels Einsparungen oder Abgaben verfrüht sei. Österreichische Anleihen seien gefragt, die Refinanzierungskosten sinken. Die hohe Sparquote und der bisherige Erfolg der Investitionsprämie würden zeigen, dass man aus der Krise herauswachsen könne. "Eine Diskussion über die Rückzahlung ist für ein Herauswachsen aus der Krise eher nicht dienlich", sagt ein Grünen-Sprecher zum STANDARD.
Dass sich Positionen wandeln können, zeigt das Beispiel der SPÖ. Mit Ferdinand Lacina hat ein roter Finanzminister die Vermögensabgabe 1994 abgeschafft, im Zuge der Finanzkrise forderte er dann ihre Wiedereinführung. So stellen die Grünen auch klar: "Kommt es dennoch zu einer Debatte, wer einen Beitrag zur Finanzierung leisten kann, muss es einen gerechten Beitrag der Millionäre und Milliardäre geben."
Staaten schaffen Fakten
Andernorts gibt es die Debatte längst. In Großbritannien empfahl die im Frühjahr 2020 ins Leben gerufene Wealth Tax Commission, eine Reichensteuer anzudenken, falls London seine Ausgaben teils über Abgaben wieder hereinbekommen möchte. Eine Vermögensabgabe sei fairer als eine Anhebung der Einkommens- oder Mehrwertsteuer, argumentieren die unabhängigen Steuerexperten aus Wissenschaft und Praxis.
Die Frage nach den Staatseinnahmen stelle sich schon allein deshalb, weil man irgendwann wieder mit Inflation rechnen müsse, argumentierte auch Fondsmanager Tim Bond jüngst in der Financial Times. Damit würden auch die Zentralbanken als derzeit fast unerschöpfliche Quelle der Staatenfinanzierung kürzertreten müssen.
In Argentinien wurde Ende 2020 sogar eine einmalige Vermögensabgabe beschlossen. Vermögen von mehr als 200 Millionen Pesos (circa 1,85 Mio. Euro) sind betroffen, rund 12.000 wohlhabende Argentinier werden einmalig für die Krisenbewältigung zur Kasse gebeten.
Tax Compliance
Neue Vermögensabgaben sind allerdings nicht die einzige Möglichkeit, Reiche stärker zur Kasse zu bitten. "Steuerhinterziehung ist illegal, Steuervermeidung nicht", erklärt Katharina Gangl, Wirtschaftspsychologin am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien: "Dem Staat entgeht jedes Jahr viel Geld, weil reiche Steuerzahler legal versuchen, ihre Steuern zu minimieren." Man könne auch versuchen, die Steuervermeidung zu bekämpfen, und so den Beitrag der Vermögenden zum Staatshaushalt erhöhen, erklärt Gangl.
Die Expertin hat reiche und superreiche Steuerzahler in Deutschland und Österreich zu ihrer Haltung zu Steuern befragt. Demnach würde Transparenz bei der Verwendung der Steuergelder die Bereitschaft erhöhen, zum öffentlichen Gut beizutragen. Übersetzt heißt das: Reiche fürchten oft, dass ihr Steuergeld in der Bürokratie der öffentlichen Hand versandet und nicht sinnvoll ausgegeben wird. Auch würden sich manche reiche Steuerzahler deshalb mehr Mitsprache bei der Verwendung von Steuergeld wünschen, sagt Gangl.
Kundenbindung bei der Steuerbehörde
Manche Länder setzen eine Empfehlung der Industriestaatenorganisation OECD um und haben eine eigene Steuereinheit für reiche Steuerzahler eingerichtet. Großbritannien ist ein Beispiel: Eine eigene Einheit befasst sich mit den reichsten 0,02 Prozent der britischen Steuerzahler, die für 1,3 Prozent der Einnahmen aus der Einkommenssteuer und für rund 15 Prozent der Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer aufkommen.
Die Behörde bauen Beziehungen mit den Steuerzahlern auf, informieren über die Verwendung der Mittel, helfen bei Steuererklärungen – und tragen so zur höheren "tax compliance" der Reichen bei.
Milliarden für den Fiskus
Ein bisschen weniger Steuervermeidung würde mit deutlich mehr Einnahmen für den Staat zu Buche schlagen. 2018 entgingen dem Fiskus durch Gewinnverschiebungen von Konzernen allein 1,3 Milliarden Euro, wie eine vom gewerkschaftsnahen Momentum Institut beauftragte Studie und Anfang 2020 veröffentlichte Studie zeigt.
Um wie viel die Staatseinnahmen bei einer Vermögenssteuer anwachsen würden, hängt freilich vom Modell ab. Topökonomen um Berkeley-Professor Gabriel Zucman sind für eine europäische Vermögenssteuer. Das SPÖ-Modell für Vermögens- und Erbschaftssteuern würde weniger bringen als die rund 4,5 Milliarden Euro, die das progressive Modell einer Vermögenssteuer der Angestelltengewerkschaft in die Staatskassen spülen würde.
Aber auch wenn die reichsten Menschen in Österreich laut einer jüngsten AK-Erhebung deutlich reicher sein dürften als bisher bekannt: Viele Steuern kann man eben bis zu einem gewissen Grad auch vermeiden. (Aloysius Widmann, 27.2.2021)