"In einem WM-Jahr ist der Nationencup zweitrangig", sagt Schröcksnadel, will die Schweiz aber fordern.

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"Uns haben alle unterschätzt. Aber ich hab gewusst, wie gut wir sind. Ich hab gewusst, dass wir schnell Skifahren können." Peter Schröcksnadel, Präsident des Skiverbands (ÖSV), hält nach der Alpinen Ski-WM in Cortina d’Ampezzo mit seiner Genugtuung nicht hinter dem Berg. "Die Schweizer wollten uns unbedingt besiegen, das ist ihnen nicht gelungen", hebt der 79-Jährige im Gespräch mit dem STANDARD den ÖSV-Erfolg im Medaillenspiegel hervor.

Vor zwei Jahren, bei der WM in Åre, war Österreich in dieser Wertung nach elf Bewerben mit der einen Goldenen, die Marcel Hirscher im Slalom holte, über Rang vier nicht hinausgekommen. Norwegen, die Schweiz und die USA hatten je zwei Titel geholt. Diesmal durften sich der ÖSV und Schröcksnadel nach 13 Bewerben – die zwei Parallelrennen waren neu im Programm – über fünfmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze freuen. Die Schweizer hatten zwar mehr Medaillen (3/1/5), aber eben weniger goldene geschafft.

"Eine große Genugtuung" sind die fünf WM-Titel für Schröcksnadel, der als ÖSV-Präsident auf seine letzte Alpine WM zurückblickt. "Vieles ist vor der WM schlechtgemacht worden", sagt der Tiroler, "auch in den Medien." Bestes Beispiel: der Riesenslalom. "Es hat geheißen, wir Österreicher können nicht Riesenslalom fahren", sagt Schröcksnadel. "Mir war klar: Natürlich können wir auch das." So gesehen erfüllten ihn die Medaillen in diesen Rennen, jeweils Bronze durch Katharina Liensberger und Marco Schwarz, mit besonderer Freude.

Glück und Lob

"Auch damit, dass die Kathi im Slalom gewinnen kann, war zu rechnen", sagt Schröcksnadel. "Und jetzt ist sie sogar so weit vorne gewesen, wie sie früher zurückgelegen ist." Liensbergers Slalomerfolg mit einer Sekunde Vorsprung auf den Rest der Welt war freilich der einzig klare. Bei den anderen vier ÖSV-Siegen in Cortina d’Ampezzo gaben nur wenige Hundertstel den Ausschlag. "Natürlich gehört Glück dazu", sagt Schröcksnadel. "Aber wir haben auch schon genug Pech gehabt. Und irgendwann kommen die Hundertstel zurück."

Der ÖSV-Präsident hatte die WM wegen der Corona-Pandemie nicht von Anfang bis Ende vor Ort verfolgt, sondern quasi nur Wochenendausflüge nach Cortina unternommen und auch nur einmal dort übernachtet. Dennoch sagt er: "Für mich persönlich war es ein schöner Abschluss." In seine Präsidentschaft, die 1990 begann, fielen insgesamt 16 Weltmeisterschaften, nur dreimal schnitt Österreich absolut gesehen besser ab als heuer. Und selbst bei Abzug der Parallelrennen und also einer Goldenen kommt immer noch die sozusagen fünftbeste Schröcksnadel-WM heraus. Keine Überraschung für ihn. "Wir haben auch im Trainerteam die besten Leute, die Neuaufstellung hat sich sehr bewährt. Auch in der Betreuung und beim Service sind wir top aufgestellt."

Kritik und Vertrauen

Apropos Parallelrennen. "Davon halte ich ganz wenig", sagt Schröcksnadel, "auch wenn die Kathi gewonnen hat. Parallelrennen haben sportlich nicht so viel Wert, und sie ziehen sich." Er sei auch kein großer Freund des Teambewerbs, doch den sollte man "schon beibehalten", auch im Hinblick darauf, dass der Bewerb olympisch sei.

Apropos Liensberger. Schröcksnadel: "Die Kathi hat gesehen, sie kann mir vertrauen." Im Herbst 2019 hatte Liensberger, die von Rossignol- auf Kästle-Ski wechseln wollte, beinah mit dem ÖSV gebrochen, ehe sie doch auf die ÖSV-Linie einschwenkte und mit Rossignol weiterfuhr. "Jetzt ist sie froh, dass sie sich umentschieden hat", ist der ÖSV-Präsident überzeugt. Fast im selben Atemzug bejubelt er "die historische Medaille im Biathlon", den WM-Titel der Tirolerin Lisa Hauser in Pokljuka/Slowenien. "Bei uns", sagt Schröcksnadel, "hat der Damensport den gleichen Stellenwert wie der Herrensport."

Nach der WM ist vor der WM, auch zu den Nordischen Titelkämpfen ab Mittwoch in Oberstdorf wird Schröcksnadel von Innsbruck aus pendeln. Er hofft "auf die Skispringerinnen, vielleicht auch auf die Skispringer und die Kombinierer". Ansonsten erwartet er mit Spannung die Fortsetzung des Alpinen Weltcups. Die Nationenwertung, die im Vorjahr erstmals unter seiner Ägide verloren ging (an die Schweiz), hat er noch nicht abgeschrieben. 23 Rennen stehen noch auf dem Programm, derzeit führt die Schweiz mit 749 Zählern Vorsprung auf Österreich. Das ist nicht wenig. "Aber wir werden kämpfen", verspricht Schröcksnadel. Und sollte es vergebens sein, will er jetzt schon festgehalten wissen: "Die WM war das Wichtigste. In einem WM-Jahr ist der Nationencup zweitrangig." (Fritz Neumann, 22.2.2021)