Einen Datenschatz wie das österreichische Staatsarchiv werden sich interessierte Bürger nicht so schnell erfragen können.

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Eigentlich hatte sich die türkis-grüne Bundesregierung schon im Sommer 2020 auf einen Entwurf für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses geeinigt. Aber Gespräche mit "Stakeholdern", gemeint sind wohl Länder, Städte und Gemeinden, haben den Prozess verzögert – bis Montag. Da ging der Gesetzesentwurf für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes in Österreich in Begutachtung. Nun muss die Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Parlament suchen. DER STANDARD hat den Entwurf gesichtet und auf Ausnahmen, Fallstricke und Lücken durchsucht.

Das neue Grundrecht auf Informationen

Die symbolträchtigste Änderung steht zu Beginn des Entwurfs, der eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes regelt: "Artikel 20 Absatz 3 und 4 entfällt." Die beiden Absätze regeln die Amtsverschwiegenheit – sie werden gestrichen. Stattdessen wird ein neues Grundrecht geschaffen, das gegenüber den Organen von Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichts- und Rechnungshöfen geltend gemacht werden kann: "Jedermann hat (...) das Recht auf Zugang zu Informationen".

Die Bestimmung des Wortes "Information"

Was ist nun eine solche Information, die künftig "jedermann" abfragen können soll? Das steht im neu verfassten Informationsfreiheitsgesetz (IFG): Es handelt sich demnach um "jede amtlichen oder unternehmerischen Zwecken dienende Aufzeichnung im Wirkungsbereich eines Organs (...) unabhängig von der Form, in der sie vorhanden und verfügbar ist". "Vorhanden und verfügbar" sind hier Schlüsselbegriffe: Das neue Recht gilt nur für solche Informationen, die die zuständige Stelle bereits hat – sie soll dafür nicht extra recherchiert werden müssen. Damit orientiert sich das Gesetz an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der in Entscheidungen bereits festgestellt hat, dass nur solche Informationen bekanntzugeben sind.

Informationen "von allgemeinem Interesse" werden als solche definiert, die "einen allgemeinen Personenkreis betreffen oder für einen solchen relevant sind, insbesondere Studien, Gutachten, Stellungnahmen und Verträge mit einem Gegenstandswert von mindestens 100.000 Euro". Diese Daten müssen die Stellen künftig automatisch auf einer Website des Bundes (data.gv.at) veröffentlichen.

Die Ausnahmen von der Pflicht

Natürlich gibt es auch Ausnahmen vom Gesetz: Wenn die Veröffentlichung nicht im Interesse der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit liegt, bleiben die Infos geheim. Gleiches gilt, wenn das Publikmachen die "unbeeinträchtigte Vorbereitung einer Entscheidung" von Bundespräsident, Regierungspolitikern, Gerichten oder Abgeordneten behindern würde, einen "erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schaden" mit sich brächte oder Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse oder das geistige Eigentum von Dritten beeinträchtigt würden.

Außerdem hat Türkis-Grün eine Querulanten-Klausel in das Gesetz eingebaut: Wer "offenbar missbräuchlich" Anfragen stellt, darf auf keine Antwort hoffen. Genauso müssen Ämter keinen Auskunftsbegehren nachkommen, wenn ihr normaler Betrieb dadurch wesentlich beeinträchtigt würde.

Das Prozedere zur Informationsbeschaffung

Anträge können schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Landet man bei der falschen Stelle, muss diese den Antragsteller so bald wie möglich an die Zuständigen weiterleiten. Innerhalb von höchstens vier Wochen muss diese dann Auskunft erteilen. In besonders schwierigen Fällen dürfen es auch acht Wochen sein, dann muss die Behörde aber schon früher informieren, dass es länger dauern wird.

Wenn die Information zum Teil der Geheimhaltung unterliegt, muss die Behörde den Rest übermitteln – pauschale Ausreden auf den Datenschutz sind damit künftig wohl nicht mehr so leicht möglich.

Gründlich ausgestaltet ist das rechtliche Prozedere der Interessenabwägung: Wie in den Erläuterungen zum Gesetz ausgeführt wird, muss die Behörde bei der Entscheidung, ob sie eine Information preisgibt oder nicht, zunächst den "harm test" durchführen: Welcher Schaden würde durch eine etwaige Veröffentlichung tatsächlich entstehen? Im zweiten Schritt, dem "public interest test" wird das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe der Information geprüft. Überwiegt das öffentliche Interesse dem möglichen Schaden, muss die Information freigegeben werden. Und: Die Behörde muss ihre Entscheidung auch begründen.

Der lange Weg der Beschwerde

Langwierig wird es, wenn sich Antragsteller und Behörde uneinig sind, ob eine Auskunft zu erteilen ist. Verweigert das Amt die Auskunft, kann der Bürger einen Bescheid verlangen. Dafür hat die Behörde allerdings wieder zwei Monate Zeit. In komplexen Fällen sind dann also schon bis zu vier Monate vergangen, bis interessierte Bürger etwas Anfechtbares in Händen halten. Über die allfällige Beschwerde muss das zuständige Verwaltungsgericht wieder innerhalb von zwei Monaten entscheiden.

Neue Regeln für staatsnahe Betriebe ...

Wie viel staatliche Beteiligung an einem Unternehmen rechtfertigt Kontrolle durch Bürger und Rechnungshof? Diese Frage wird neu beantwortet. Künftig darf der Rechnungshof Firmen schon bei 25 Prozent Staatsbeteiligung prüfen, aktuell sind es 50 Prozent. Und auch Private dürfen Anfragen stellen.

... und den Verfassungsgerichtshof

Änderungen gibt es mit dem vorliegenden Entwurf auch für das Verfassungsgericht: Wer dort Richter werden will, darf nicht direkt davor ein Regierungsamt innegehabt haben (Cooling-off-Phase). Und bei strittigen Entscheidungen können transparenzhalber künftig auch abweichende Meinungen im Urteil publiziert werden.

Außerdem: Der Bundesstaatsanwalt

Parallel zum aktuellen Entwurf gab es aus dem grün geführten Justizministerium auch eine Punktuation zum geplanten Bundesstaatsanwalt: Die Person soll eine "untadelige, fachlich versierte Person" sein, nicht politisch aktiv und in der Lage, politischem Druck standzuhalten. Eine vorzeitige Abberufung soll nur per Gerichtsentscheid möglich sein. (Sebastian Fellner, 22.2.2021)