Folgen eines Anschlags am Sonntag in Kabul. Die afghanische Hauptstadt wird zunehmend zum Attentats-Hotspot.

foto: imago/Rahmatullah Alizadah

Wien – Es ist der erste Abschiebeflug im heurigen Jahr von Österreich nach Afghanistan – in das von zunehmender Gewalt, von Anschlägen und Morden gebeutelte Land am Hindukusch. Rund 45 rechtskräftig aus Österreich ausgewiesene, vielfach mit Vorstrafen belegte Männer sollten am Dienstag mit einem in Stockholm startenden, in Wien zwischenlandenden Frontex-Flieger weggebracht werden.

Wie viele davon im Endeffekt tatsächlich an Bord gingen, war zunächst unklar. Denn Rechtsvertreter und Unterstützer versuchten bis zuletzt, Einzelne aus der Schubhaft herauszubekommen.

Kabul besonders gefährlich

Afghanistan sei zu gefährlich, um Menschen dorthin zurückzubringen, argumentieren sie. 2020 habe es dort nach Anschlägen 2.958 zivile Tote und 5.545 zivile Verletzte gegeben, und zwar schwerpunktmäßig in und um die Hauptstadt Kabul.

"Ob es um Kinder oder Erwachsene, um Straffällige geht oder nicht: Die Behörden müssen vor jeder Abschiebung die aktuelle Situation im Herkunftsland berücksichtigen. Im Fall von Afghanistan muss das zu dem Schluss führen: Das Land ist zu unsicher", sagte Christoph Riedl von der Flüchtlingshilfe-Initiative #SicherSein. Zudem werde Afghanistan von wiederholten schweren Coronavirus-Ausbrüchen heimgesucht.

Zweimal Afghanistan und retour

Nicht nach Kabul zurück, obwohl er ursprünglich auf der Flugliste stand, muss Yusuf M. A. Er war 2019 bereits zweimal von Wien nach Kabul abgeschoben worden, doch die afghanischen Behörden hatten ihn jeweils wieder nach Österreich zurückgeschickt.

Der Grund, so Herbert Langthaler von der Asylkoordination: M. A. sei kein afghanischer Staatsbürger. Zwar habe er das, als er als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich kam, so angegeben – aber es inzwischen korrigiert. Nach fast zwei Jahren ununterbrochener Schubhaft, die nur durch die Abschiebeversuche unterbrochen waren, wurde der Mann am Wochenende auf freien Fuß gesetzt – unter der Bedingung, sich täglich bei der Polizei zu melden.

14 Abschiebungen seit Corona-Beginn

Insgesamt 14 Menschen wurden ab Beginn der Corona-Krise im März 2020 bis Mitte Dezember zwangsweise von Österreich nach Afghanistan gebracht. Das geht aus einer Anfragebeantwortung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper hervor.

Wie schon in den Jahren davor betrafen auch in dem Krisenjahr die meisten Abschiebungen EU- und Efta-Bürger, vielfach Osteuropäer, die ohne jedes Einkommen in Österreich angetroffen wurden – in Zahlen: 1.751 Fälle. Nach Serbien, Albanien, Bosnien, Nordmazedonien, Montenegro und dem Kosovo wurden 532, in Drittstaaten – Afghanistan inklusive – 420 Menschen zurückgebracht.

Krispers Fragen

Vor dem Flug am Dienstag hat es zuletzt am 15. Dezember eine Abschiebung nach Afghanistan gegeben. Sie war der Anlass für Krispers parlamentarische Anfrage: "Afghanistan ist eines der gefährlichsten Länder der Welt. Österreich hat sogar die höchste Risikostufe für das Land ausgesprochen. Da frage ich mich: Warum wird dorthin weiter abgeschoben?", sagte Krisper am Montag.

Im Dezember übrigens sei der Flieger leer aus Schweden nach Wien gekommen, schwedische Juristinnen und Juristen hätten alle Abtransporte verhindert. (Irene Brickner, Jan Michael Marchart, 23.2.2021)