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Die Zwillingsgipfel des Nanda Devi.

Foto: AP/Maninder Kohli

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Manmohan Singh Kohli (89), der die erste indische Everest-Expedition leitete, ordnete den Rückzug an.

Foto: AP/Manish Swarup

Schwierige Suche im Hochgebirge: Aufnahme aus einem Hubschrauber, der im Juni 2019 an einer Rettungsmission teilnahm.

Foto: AFP/Indo Tibetan Border Police

Auf indischen Youtube-Kanälen finden sich zahlreiche Videos zum Thema.

Am 7. Februar brach kurz nach Mittag ein 550 Meter breites Stück aus dem Gletscher des Ronti-Berges (6.063 Meter) im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand. Die Eismassen lösten im Rishiganga-Fluss eine Sturzflut aus, die zwei Elektrizitätswerke beschädigte, 231 Menschen kamen ums Leben.

Naturkatastrophen wie der "Himalayatsunami" 2013, bei dem 5.700 Menschen starben, ereignen sich üblicherweise mit Einsetzen der Schneeschmelze. Dass dies mitten im Winter geschah, veranlasste indische Medien zu Spekulationen, der Gletschersturz könnte durch eine vor 55 Jahren im Hochgebirge verlorene US-Spionageanlage verursacht worden sein.

Trinkwasserversorgung in Gefahr

Wissenschafter halten es für unmöglich, dass die Plutoniumbatterie, die von der CIA bezahlte Bergsteiger 1965 etwa 300 Höhenmeter unter dem Gipfel des Nanda Devi zurückgelassen haben, die Katastrophe ausgelöst haben könnte. Sollte das unter den Schneemassen begrabene Gerät allerdings undicht werden, könnte dies die Trinkwasserversorgung von Millionen Indern gefährden: Der Rishiganga mündet in den Ganges, der Millionen mit Trinkwasser versorgt.

Nuklearmacht China

Nachdem China im Oktober 1964 in der abgelegenen Provinz Xinjiang seinen ersten erfolgreichen Atomtest durchgeführt hatte, bemühten sich westliche Geheimdienste, Details über Mao Zedongs Rüstungsprogramm in Erfahrung zu bringen.

Spionagesatelliten wie der KH-1 "Corona" lieferten damals nur mit langer Verzögerung Informationen. Die Bildübertragung per Funk war unzuverlässig und nicht abhörsicher, weshalb die Flugkörper alle 19 Tage zwei belichtete Filme abwarfen, die, an Fallschirmen hängend, von Flugzeugen aufgefangen werden mussten.

Chinesen schossen Spionageflugzeuge ab

Drei von taiwanesischen Piloten geflogene U2-Spionageflugzeuge hatten die Chinesen seit 1962 abgeschossen. Mangels Agenten im Landesinneren ersuchte deshalb die CIA die indische Regierung um Unterstützung bei der Errichtung einer Abhörstation auf dem Gipfel des Nanda Devi. Damals hatten es erst sechs Bergsteiger geschafft, den zweithöchsten Berg Indiens (7.816 Meter ) zu erklimmen.

Vom Gipfel des Nanda Devi hat man freie Sicht auf das westchinesische Tarimbecken.

Ein dort installierter Radioempfänger sollte die Telemetriedaten, die Raketen an die Bodenstation senden, erfassen und an eine CIA-Station im Hinterland weiterleiten. Die Stromversorgung würden Radionuklidbatterien übernehmen, die jahrelang ohne Wartung oder frisches Brennmaterial Energie liefern können. Ein SNAP (System for Nuclear Auxiliary Power) vom Typ 19C des Herstellers Monsanto, wie es auf dem Nanda Devi zum Einsatz kommen sollte, enthält eineinhalb Kilo Plutonium.

Im Oktober 1965, als der Monsunregen nachließ, brachen 14 US- und vier indische Bergsteiger, unterstützt von Sherpa-Trägern, mit 57 Kilo technischer Ausrüstung im Gepäck zum Gipfel des Nanda Devi auf.

Begehrtes Gepäckstück

Die Sherpas, die die Ausrüstung transportierten, rissen sich darum, die Plutoniumbatterie tragen zu dürfen, weil von ihr eine angenehme Wärme ausging, berichtet US-Kletterlegende Jim McCarthy: "Sie saßen in ihrem Zelt rund um das Ding, als ob es ein Feuer wäre."

Als sie in einen Schneesturm gerieten, ordnete der indische Bergführer Manmohan Singh Kohli den Abbruch der Mission an, die Geräte ließen die Bergsteiger an einer windgeschützten Stelle zurück. Im Frühling kehrten sie auf den Berg zurück, konnten aber weder den Sender noch die Batterie finden. Seither wurden mehrere Suchaktionen gestartet, die aber alle erfolglos blieben.

McCarthy, der für die Inbetriebnahme der Plutoniumbatterie zuständig war, erkrankte 1971 an Hodenkrebs. Er führt dies auf die Strahlenbelastung bei der Nada-Devi-Mission zurück, sagte er dem Bergsportmagazin "Rock and Ice".

Jim McCarthy am Seil.

1967 gelang es schließlich, auf dem benachbarten Nanda Kot eine Anlage zu installieren. Als das Team im Jahr darauf auf den Gipfel zurückkehrte, war die Batterie tief im Schnee versunken. Laut Herstellerangaben erreicht das SNAP-19C eine Betriebstemperatur von 550 Grad Celsius – durch die Hitze hatte sich ein Hohlraum mit zweieinhalb Meter Durchmesser gebildet. Da das Gerät aufgehört hatte zu senden, wurde es demontiert und ins Tal gebracht.

Berry Corber und Manmohan Singh Kohli installieren den Spionagesender.

Obwohl die Umgebung des Nanda Devi bis 1974 Sperrgebiet war und alle Beteiligten ein Schweigegelübde ablegen mussten, ließ sich eine Operation dieses Ausmaßes nicht dauerhaft geheim halten. Erste Journalistenanfragen wurden noch unter Verweis auf die nationale Sicherheit der USA abgewiesen.

https://wikileaks.org/plusd/cables/1978NEWDE05894_d.html

Im April 1978 veröffentlichten aber das Magazin "Outdoor" und wenig darauf die "Washington Post" Berichte über die verlorene Nuklearbatterie, in denen US-Experten forderten, das radioaktive Material umgehend zu bergen. In Indien sorgte die Nachricht, dass die Regierung den USA gestattet hatte, das Quellgebiet des Ganges zu verseuchen, für Empörung. Vor der US-Botschaft in Delhi kam es zu Protesten.

Premierminister Morarji Desai erklärte im Parlament, eine prominent besetzte Forschergruppe habe festgestellt, dass keine Gefahr bestünde. Trotzdem fordern Lokalpolitiker bis heute, die Altlast zu beseitigen, bevor sie Schaden anrichtet. (Bert Eder, 25.2.2021)