Wien – Vor allem die Pandemie samt ihren Eindämmungsversuchen beschäftigt den Verfassungsgerichtshof erneut in seiner März-Session, die am Dienstag begonnen hat: Insgesamt sind beim Höchstgericht seit Ausbruch der Corona-Krise schon rund 200 Beschwerden eingelangt, etwa 130 wurden bereits im Vorjahr erledigt.

Befinden wieder über brisante Beschwerden: die Richter am Verfassungsgerichtshof.
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Die bisher aufsehenerregendste Aufhebung betraf die einstigen Ausgangsbeschränkungen für den öffentlichen Raum während der ersten Corona-Welle im vorigen Frühjahr, obwohl beim Urteilsspruch längst außer Kraft – weil ein solches Vorgehen das Epidemiegesetz von damals nicht hergab. Ebenso wurde im Nachhinein die Ungleichbehandlung im Zuge der Wiedereröffnung von Geschäften als rechtswidrig erachtet, Läden mit weniger als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche mussten sich bekanntlich bis Ende April gedulden.

Womit befassen sich die Höchstrichter unter anderem also in diesen Tagen? Ein Überblick zu den brisantesten Fällen:

  • Homeschooling: Mit Individualanträgen haben mehrere Schüler ihren Einspruch dagegen deponiert, dass der schulische Unterricht vom 17. November bis 6. Dezember ortsgebunden in Form von Distance-Learning verordnet war. Die entsprechenden Regelungen hätten unter anderem gegen das Grundrecht auf Bildung verstoßen, lautet ihre Argumentation.

  • Verlängerter Zivildienst: Mehrere Zivildiener wollen wiederum retrospektiv überprüft wissen, ob sie hinsichtlich ihres wegen der Pandemie verlängerten außerordentlichen Diensts am Staat bis 30. Juni korrekt entschädigt wurden. Rückblick: Damals gebührte allen Verpflichteten eine Grundvergütung samt Zuschlag. Doch Zivildiener, die sich freiwillig zur Verrichtung des außerordentlichen Zivildiensts verpflichtet hatten, bekamen eine Pauschalentschädigung beziehungsweise eine Vergütung des Verdienstentgangs – beim Heerespersonalamt blitzten die Beschwerdeführer mit ihrer Forderung nach monetärer Gleichbehandlung jedoch ab, ebenso mit ihren Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht.

  • Absonderungsmaßnahmen: Nach dem Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 können Personen, die an einer anzeigepflichtigen Krankheit erkrankt sind oder bei denen der Verdacht einer solchen Erkrankung besteht, angehalten oder im Verkehr beschränkt werden – Einsprüche dagegen können beim Bezirksgericht erhoben werden. Der Oberste Gerichtshof, das Landesgericht Korneuburg sowie das Bezirksgericht Zell am Ziller halten diese Bestimmung für bedenklich. Die Möglichkeit, gegen Anordnungen der Gesundheitsbehörde das Bezirksgericht anzurufen, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Auch sei entgegen dem Legalitätsprinzip nicht genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Bezirksgericht angerufen werden kann und in welchem Umfang das Bezirksgericht die Anhaltung zu überprüfen hat.

  • Auskunftspflicht bei Verdachtsfällen: Ein Wiener Wirt beschwerte sich wegen der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom September 2020, mit der Betriebsstätten verpflichtet wurden, der Bezirksverwaltungsbehörde bei Corona-Verdachtsfällen bestimmte personenbezogene Daten – etwa von Kunden – zu übermitteln. Die Verordnung war bis Ende 2020 in Kraft, der Antragsteller hält diese Verordnung für gesetzwidrig, weil sie unter anderem gegen das Grundrecht auf Datenschutz, das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie den Gleichheitsgrundsatz verstoße.

  • Betretungsverbot für Sport- und Freizeitbetriebe: Bei diesem Komplex sieht sich der Inhaber eines Fischteiches ins Unrecht gesetzt, weil er von der Bezirkshauptmannschaft eine Strafe erhielt, nachdem er nicht dafür gesorgt hatte, dass sein Gelände nicht von anderen Personen betreten wird.

  • Verhüllungscausa: Nicht unmittelbar mit der Pandemie hat die Abwägung über eine Causa zu tun, die seit der Maskenpflicht in Supermärkten & Co jedoch eine gewisse Komik in sich birgt: Denn ein Beschwerdeführer, der sich im Jahr 2018 in ein Kuhkostüm samt Kuhmaske gezwängt hatte, um bei einer Veranstaltung zum Thema "Milch" Flugblätter zum Tierschutz zu verteilen, erhielt eine Geldstrafe wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot – er sieht sich bis heute in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Grundsätzlich müssen die Fälle auf der Tagesordnung des Verfassungsgerichtshofs nicht in derselben Session entschieden werden – etwa wenn noch offene Fragen zu klären sind. Dann ist eine Verschiebung auf eine spätere Session möglich.

Homeoffice-Regeln vor Beschluss

Vor der aktuellen Nationalratssitzung staute sich bei der Opposition jedenfalls wieder einiger Ärger an: Dort werden am Mittwoch etwa die gesetzlichen Regelungen rund um Homeoffice wie auch die Auflagen für die Gratis-Corona-Tests in den Apotheken beschlossen.

Über die neuen Detailbestimmungen sei man erst kurzfristig informiert worden, kritisierten SPÖ, FPÖ und Neos einmal mehr die türkis-grüne Arbeitsweise. So plante Rot, einen Antrag auf Aussetzen der Erhöhung der Richtwertmieten im April zu stellen – zuletzt sagte dann allerdings die Koalition zu, dass diese statt heuer erst 2022 angepasst werden sollen.

Die Blauen wiederum beantragen einen "Schutzschirm" gegen den Ausverkauf des Fremdenverkehrs, die Neos ein kontrolliertes Aufsperren samt "Reintesten" in Tourismusbetriebe. (Nina Weißensteiner, 23.2.2021)