Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen (OBDS) begehrt aktuell laut auf. Noch einmal. In dieser Woche bei Regierungsvertretern, um einzufordern, was im Regierungsübereinkommen vermerkt ist und tatsächlich schon seit den frühen 2000er-Jahren verlangt wird: ein Berufsgesetz für Sozialarbeit in Österreich, einem Land der Berufsgesetze.

Ob jetzt gerade dafür ein guter Zeitpunkt ist? Marco Uhl, Vorsitzender des Berufsverbandes OBDS, glaubt, ja. Schließlich habe sich auch die Pflege in den vergangenen Monaten einen besseren Auftritt und zumindest mehr (verbale) Anerkennung verschaffen können.

"Wir schreien nach einem Berufsgesetz", formuliert Uhl dramatisch. Der Hintergrund: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sehen sich nicht zur Wirtschaftskammer hingezogen (so wie Lebensberater, die dort verankert sind). Was soziale Arbeit genau ist, lässt sich angesichts der vielen Ausbildungen und Professionen, angesichts des eben nicht geschützten Berufstitels auch tatsächlich schwer sagen. Wer soll sich Sozialarbeiterin und Sozialarbeiter nennen dürfen?

Zugang zu Rechten ermöglichen, Hilfe und Möglichkeiten verschaffen – anderen Türen öffnen. Das Feld der sozialen Arbeit ist groß.
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Unüberschaubare Vielfalt

Aktuell reicht das Herkunftsfeld von Psychologie, Soziologie über Gesundheitsausbildungen bis zu einigen Dutzend Zertifikaten teils privater Akademien, Coachinginstituten und Kursanbieter bis zu einschlägigen Studien an Fachhochschulen. Die Vielfalt ist fast unüberschaubar. Das Problem dabei, sagt Uhl: "Von überall bewerben sich dann die Leute für Sozialarbeiterjobs." Es fehlten meistens basale Fertigkeiten für die tatsächliche Tätigkeit, wirft Wolfgang Kramer, Geschäftsführer der Suchthilfe Dialog, ein, etwa die Gesprächsführung. Die Bologna-Regelungen des Studienbetriebes, wonach etwa auf einen Bachelor in Volkswirtschaftslehre ein Master in Soziale Arbeit aufgesetzt werden kann, seien da auch nicht hilfreich, so Kramer.

Daher klar gefordert: Die Ausbildungswege müssen eingegrenzt und festgeschrieben werden auf die einschlägigen Fachhochschulstudien und für Sozialpädagogik auf bestehende Colleges. Standards für die Weiterbildung gehören ebenso festgeschrieben wie Qualitätssicherung und -überprüfung. Aber auch ethische Standards seien zu fixieren, reicht das Arbeitsfeld sozialer Arbeit ja auch tief in Menschenrechtsfragen hinein.

Klingt klar und einleuchtend, eröffnet aber tatsächlich ein Dilemma, wenn nicht eine Menge Dilemmata. Zum einen haben die großen Sozialorganisationen kein besonderes Interesse, ihre gut eingeführte Organisation, in der das Management das Sagen hat, von einem Berufsgesetz "stören" zu lassen. In den Ländern und ihren Organisationen, von der Jugendwohlfahrt bis zur Altenhilfe, ist das oft ähnlich – sie sehen zumindest keinen dringenden Bedarf an einem Berufsgesetz.

Nur nicht zu viel ändern?

Nicht zuletzt würde auch in Entlohnungsfragen eine neue Transparenz einkehren, vielleicht eine Kostensteigerung. Und es müssten sich vermutlich andere Berufsgruppen, etwa Psychotherapeuten oder Psychologen, auch wieder ein Stück weit zurückziehen aus den Feldern, die Sozialarbeiter beanspruchen, von der Schuldnerberatung über den Strafvollzug bis zur Erwachsenenvertretung. Zumindest ginge es in vielen Institutionen darum, die multiprofessionellen Teams anders zu ordnen. Statistisches Material dazu fehlt jedenfalls. Bekannt ist nur so viel: Im sozialen Bereich arbeiten rund eine halbe Million Menschen in Österreich.

Ist die Forderung nach einem Berufsgesetz also berechtigt? Michael Meyer, Professor für Nonprofit-Management an der WU Wien, versteht die Klage des Verbandes "aus professionssoziologischer Sicht": Die Profession verliere an Einfluss und Macht und werde in Organisationen von Managern abgelöst. "Die Klagen des Berufsverbandes sind berechtigt", resümiert Meyer, der auch eine "historisch belegte Abwertung der Sozialarbeit" sieht, die es erst sehr spät in das akademische Ausbildungsfeld geschafft hat. Das habe allerdings auch mit der Organisation des Wohlfahrtsstaates in Österreich zu tun.

Marco Uhl ist zuversichtlich, nun einen Schritt weiter zu kommen, setzt die Hoffnungen auf Gespräche mit Gesundheitsminister Rudi Anschober. "Wir kämpfen für die Rechte unserer Klienten und haben selbst keines, das geht nicht", so Uhl. (Karin Bauer, 23.2.2021)