Arztpraxis in Corona-Zeiten: vielleicht künftig auch mit Desinfektionsgerät?

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Auf der Liste an Maßnahmen, mit denen man der Verbreitung von Sars-CoV-2 stoppen möchte, stehen Desinfektion und Luftfilterung ganz weit oben. Sauberere Oberflächen reduzieren das Risiko einer Schmierinfektion, gereinigte Luft jenes einer Verbreitung von Viren oder Bakterien über Aerosole.

Forscher der TU Wien und des Austrian Institute of Technology (AIT) haben ein mobiles Gerät entwickelt, das beide Funktionen beinhaltet. Die Kooperation fand im Rahmen des Innovationsnetzwerks EIT Manufacturing statt, das Teil des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) ist. Weitere Projektpartner waren die Firma HPM-Technologie, die unter anderem auf die Produktion von Sprühköpfen spezialisiert ist, und das Unternehmen AQA, das Produkte für die Luftreinigung vertreibt.

Passende Tröpfchengröße

Die neue Reinigungsmaschine ist für den Betrieb in Wohnungen, Büros oder Arztpraxen ausgelegt, also für Umgebungen mittlerer Größe. Es wiegt rund 20 Kilogramm. Während die TU Wien für Design, Mechanik und Elektronik verantwortlich zeichnet, hat das AIT den mikrobiologischen Teil übernommen. Dabei ging es um das geeignete Desinfektionsmittel. Hierbei entschieden sich die Forscher für Wasserstoffperoxid.

Zum Desinfizieren versprüht das Gerät einen sehr feinen Aerosolnebel, der lediglich 0,1 Prozent Wasserstoffperoxid enthält. Die erreichbare Desinfektionsleistung entspricht drei Log10-Stufen, das bedeutet, dass 99,9 Prozent aller Bakterien und Viren abgetötet werden.

Dafür muss der Aerosolstrom alle Oberflächen im Raum benetzen können. "Wir mussten die passende Tröpfchengröße ermitteln", erklärt Clara Pogner, Research Engineer am Center for Health & Bioresources des AIT. Denn sind die Tröpfchen zu groß und zu schwer, sinken sie zu rasch zu Boden. Sind sie zu leicht, sinken sie womöglich gar nicht ab.

Gerät im Filtermodus

Anwender müssen am Gerät lediglich die Raumgröße und den Standort eingeben. Daraus wird die Dauer des Desinfektionszyklus automatisch bestimmt. Die verbauten Ventilatoren schaffen einen Durchsatz von 1500 m3 pro Stunde. Ein 70 m2 großer Raum lässt sich in rund drei Stunden desinfizieren. Danach schaltet das Gerät in den Filtermodus und saugt das Desinfektionsmittel aus der Luft.

"Wir haben die Konzentration des Desinfektionsmittels so eingestellt, dass sie gesundheitlich unbedenklich ist", sagt Pogner. "Aber wir empfehlen, dass während des Desinfektionszyklus niemand im Raum ist." Das Filtermodul setzt handelsübliche Hepa-13-Schwebstofffilter ein. "Was wir beim Sprechen, Niesen oder Husten an die Luft abgeben, wird erfasst", so Pogner.

Marktreife

Vorgesehen ist, dass das Gerät tagsüber als Luftfilter läuft und nachts zur Desinfektion der Oberflächen eingesetzt wird. Es wurde zwar nicht an Coronaviren getestet, allerdings an einer Reihe von Bakterien, die resistenter als Sars-CoV-2 sind. Außerdem an einem Bakteriophagen, also einem Virus, das Bakterien befällt.

Da im Desinfektionsmodus 99,9 Prozent dieser Organismen abgetötet werden, folgt daraus, dass auch das Coronavirus keine Chance hätte. "Wenn man einen harten Stein zerschlagen kann, dann kann man auch einen weicheren Stein zerschlagen", sagt Pogner. In der zweiten Jahreshälfte könnte das Gerät marktreif sein.

Bis dahin muss es noch ein wenig abspecken, für den Prototyp wurden nicht die leichtesten Materialien verwendet. Auch die bürokratische Hürde der Zertifizierung ist noch zu nehmen. Zuvor jedoch muss über die Verwertung der Erfindung entschieden werden. Die Rechte liegen bei allen vier Projektpartnern, gewichtet nach dem Ausmaß ihres jeweiligen Beitrags.

Im Raum steht die Gründung eines Spin-offs, das Produktion und Vermarktung übernehmen würde. Ein anderes Szenario wäre der Verkauf des Know-hows an einen Verwertungspartner. (Raimund Lang, 5.3.2021)