Der Oberösterreicher muss sich vor Gericht zu dem Vorwurf verantworten, im November seine Ex-Frau mit dem Coronavirus angesteckt zu haben.

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Linz – 44 Jahre waren Franz und Rosa H. verheiratet. Zwei Kinder und ein gemeinsam erbautes Haus sind unter anderem aus dieser langjährigen Beziehung hervorgegangen. Doch die Tage voll von ehelicher Harmonie sind längst vorbei. Am Dienstag musste Franz H. am Landesgericht Linz vor Richterin Petra Oberhuber Platz nehmen.

Und die Anklageschrift, serviert an diesem sonnigen Nachmittag von Staatsanwalt Rainer Schopper, hat es durchaus in sich: versuchte schwere Körperverletzung und vorsätzliche Gefährdung von Menschen mit übertragbaren Krankheiten. Letzteres bezieht sich darauf, dass der 63-jährige Mühlviertler seine 70-jährige Ex-Gattin vorsätzlich mit dem Coronavirus angesteckt haben soll. Der Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung steht im Gerichtsraum, also dass der Mann seine Ex-Frau tätlich angegriffen und verletzt haben soll.

Ein Haus, zwei Leben

Gekleidet in einen dunkelblauen Anzug, erzählt Franz H. von dem Leben. Offiziell geschieden wurde das Paar erst im Oktober des Vorjahrs. "Aber meine Frau ist bereits 2007 in ihr eigenes Schlafzimmer gezogen", erzählt er. Das angeschlagene Paar wohnte und duldete sich weiter im gemeinsamen Haus, so richtig brenzlig wird die Situation aber offensichtlich Anfang November des Vorjahrs.

Küchenpläne

Laut Anklageschrift wird Franz H. zu dieser Zeit positiv auf das Coronavirus getestet und erhält einen behördlichen Absonderungsbescheid. Über die Folgestunden scheiden sich die Geister von Opfer und Angeklagtem. Er sei nach dem Arztbesuch nach Hause gekommen, seine Frau habe ihn "vom Balkon aus gefragt", ob er Corona habe. "Ich habe gesagt 'Ja', und sie hat mich nicht mehr ins Haus gelassen", erzählt Franz H. vor dem Kadi.

Er habe dann die Polizei gerufen, und die Beamten hätten seiner Ex-Frau erklärt, sie müsse ihn ins Haus lassen. Was auch passierte – wenn auch mit Auflagen. "Sie hat mir einen genauen Zeitplan vorgelegt, den musste ich unterschreiben. 8 bis 10 Uhr Aufenthalt in der Küche, dann wieder von 14 bis 16.30 Uhr. Das Wohnzimmer war ganztägig tabu. Und in dem Kühlschrank durfte nichts von mir sein. Und die Handtücher im Bad waren mit ihrem Namen beschriftet."

Unterschiedliche Angaben

Zumindest den Zeitplan bestreitet auch Rosa H. nicht. Wohl aber den Tag des Corona-Outings. Ihr heutiger Ex-Mann sei "ins Wohnzimmer gestürmt", habe geschrien "Ich hab's" und gleich mehrfach in ihre Richtung gehustet. Und an diesem Tag, dem 2. November, sei die Polizei zwar anwesend gewesen, nicht aber aufgrund einer verschlossenen Haustür. Die Beamten hätten vielmehr den Quarantänebescheid überbracht. Das offensichtlich mehrfache Polizeiaufgebot und die völlig konträren Angaben von Opfer und Angeklagtem dazu sind dann auch der Grund, warum Verteidiger Peter Nader mehrfach beim Opfer nachhakt – und letztlich die Einvernahme der Beamten beantragt.

Wohnzimmer-Huster

Rosa H. führt dann weiter aus, ihr Ex habe sie während seiner Corona-Erkrankung "mehrfach bewusst angehustet und angeniest". Was Franz H. vehement bestreitet. Doch auch die 70-Jährige erkrankt, allerdings mit milden Verlauf. Wohl ein Grund, warum Richterin Oberhuber nachbohrt: "Haben Sie in Anwesenheit Ihrer Frau gehustet?" Franz H.: "Einmal. Da bin ich im Wohnzimmer am Boden gesessen und hab' was für die Versicherung gesucht. Da ist sie plötzlich in der Tür gestanden." Aber er habe "eh in Richtung Schrank gehustet".

"Du verdammtes Luder"

Was sich dann am 14. November im Haus abgespielt hat, ist ebenfalls eine Frage der Sichtweise. Rosa H. führt vor Gericht aus, ihr Mann sei "die ganze Woche schon so aggressiv gewesen". Am 14. November sei er dann plötzlich aus dem Schlafzimmer mit den Worten "Du verdammtes Luder, schleich dich aus dem Haus" auf sie losgestürmt, habe ihr beide Hände um den Hals gelegt und mit dem Kopf gegen einen Türstock geschleudert. Schleudertrauma und Schädelprellung stehen im ärztlichen Attest.

Was Franz H. so nicht nachvollziehen kann. Er habe lediglich die Hand auf ihre Schulter gelegt. "Aber wieso dann die belastenden Aussagen?", will Richterin Oberhuber wissen. "Wissen Sie, ich habe mich nach 44 Ehejahren erstmals gegen sie gestellt und ihr meine Meinung gesagt. Das hat sie geärgert. Und dazu noch die Hand auf der Schulter – es hat ja schon Jahre keine Berührungen mehr gegeben."

Die Tochter bestätigte hingegen, dass die Mutter nach dem mutmaßlichen Angriff völlig aufgelöst "in Hausschuhen" zu ihr gekommen sei. Die Tochter habe dann die Polizei verständigt und die Mutter zum Arzt gebracht. Der Prozess wurde auf 6. April vertagt. Mehrere Zeugen sollen in der nächsten Verhandlung Licht in diese Widersprüche bringen. Dem Angeklagten drohen im Fall eines Schuldspruchs sechs Monate bis fünf Jahre Haft. (Markus Rohrhofer, 23.2.2021)