Schon seit der Entdeckung der Dinosaurier vor knapp 200 Jahren rätselte die Wissenschaft über die Gründe für das Aussterben der mesozoischen Giganten. Die gängigste Theorie eines gewaltigen Impakts wird nun mit einer neuen Studie massiv untermauert.

Von der biblischen Sintflut über mangelnde Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen wie Veränderungen in der Flora oder durch die Plattentektonik bedingte klimatische Verschiebungen reichten in den vergangenen zwei Jahrhunderten die Spekulationen über den Verantwortlichen für diesen 66 Millionen Jahre alten Cold Case. Am Wechsel der beiden Erdzeitalter Kreide und Paläogen starben neben den Dinosauriern auch zahlreiche weitere Tier- und Pflanzenarten sowohl an Land als auch im Meer aus – insgesamt mehr als zwei Drittel aller Arten.

Video: Eine Simulation von Forschern des Imperial College London zeigte, dass der Brocken aus dem All die Erde im ungünstigsten möglichen Winkel traf.
The University of Texas Jackson School of Geosciences

Verdächtige Iridium-Konzentration

Im Jahr 1980 schließlich präsentierten zwei Forscher das erste Indiz für einen außerirdischen Täter: Der Physiker Luis Alvarez und sein Sohn, der Geologe Walter Alvarez, hatten am Übergang zwischen Kreide und Paläogen eine verdächtig hohe Iridium-Konzentration nebst weiteren Platinmetallen entdeckt. Diese Elemente kommen in Gesteinen der Erdoberfläche nur höchst selten vor, in Meteoriten jedoch in weitaus größeren Mengen. Die hohen Iridiumwerte wurden in der Folge an zahlreichen Orten der Erde nachgewiesen – offenbar war es an der K/Pg-Grenze (früher auch K/T-Grenze genannt) zu einem globalen Ereignis gekommen, bei dem ein rund zwölf Kilometer großer Asteroid auf der Erde einschlug und sich seine Überreste in der Folge als Staub auf der ganzen Welt ablagerten.

Tatort gefunden

Es dauerte weitere elf Jahre, bis nach dem möglichen Täter auch der vermutliche Tatort identifiziert werden konnte: Im Golf von Mexiko wurde an der Küste der Halbinsel Yucatán ein gewaltiger Asteroidenkrater entdeckt. Dieser Chicxulub genannte Impaktkrater weist einen Durchmesser von rund 200 Kilometern auf. An der Oberfläche ist die teilweise im Meer liegende Struktur jedoch nicht zu sehen: Im Laufe der Jahrmillionen erodierte der Krater und wurde von Sedimenten überlagert.

Einem internationalen Forscherteam mit heimischer Beteiligung von Wissenschaftern des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien und der Universität Wien ist es nun gelungen, die K/Pg-Grenze direkt am Tatort nachzuweisen – sozusagen die Fingerabdrücke des Täters. Im Mai 2016 wurde im Peakring im Zentrum des Chicxulub-Kraters von Teams des International Ocean Discovery Program (IODP) und des International Continental Scientific Drilling Program (ICDP) eine Bohrung durchgeführt.

Das Hebeboot L/B Myrtle kam bei der Bohrung im Chicxulub-Krater zum Einsatz.
Foto: The University of Texas at Austin, Jackson School of Geosciences

Die insgesamt rund 835 Meter langen Bohrkerne wurden im Herbst desselben Jahres an die zahlreichen beteiligten Forschungsinstitutionen aufgeteilt und lieferten bereits zahlreiche Erkenntnisse über die Abläufe vor, während und nach dem Impakt im seichten Meer vor dem heutigen Mexiko. So ist unter anderem auch die Rückkehr des Meerwassers als Tsunami ablesbar. Die Entdeckung von Meteoritenstaub in den Bohrkernen direkt unter den ältesten Kalksteinsedimenten des Paläogen ist nun der letzte Beweis für die Apokalypse am Ende der Kreidezeit. Hauptautor der Studie ist der Geochemiker Steven Goderis (Vrije Universiteit Brussel). Für ihn ist mit der Entdeckung der iridiumhaltigen Schicht "der Kreis nun endlich geschlossen".

An der Studie beteiligt war der Impaktforscher Ludovic Ferrière, der 2016 auch bei der Aufteilung der Bohrkernproben in Bremen teilnehmen konnte. Der Kurator der Meteoritensammlung des NHM weist darauf hin, dass die gleiche dünne Tonschicht, die nun im Chicxulub-Krater nachgewiesen wurde, auch in Österreich vorkommt, und zwar in Gams bei Hieflau in der Steiermark: "Damals wurde das aus dem Krater geschleuderte, geschmolzene und kondensierte Material im heutigen Österreich abgelagert", sagt Ferrière.

Ludovic Ferrière (Bildhintergrund) bei der Inspektion des untersuchten Bohrkerns.
Foto: J. Lofi / ECORD

Die geochemische Analyse gestaltete sich aufwendig: Das Element Iridium ist aufgrund der geringen Konzentration schwierig zu messen. Vier unabhängige Labors trugen mit ihren Ergebnissen zur Studie bei, darunter auch Geochemiker der Universität Wien: neben dem Professor für Impaktforschung und planetare Geologie und ehemaligen NHM-Generaldirektor Christian Köberl auch Toni Schulz und Jean-Guillaume Feignon. In Wien wurde auch der Anteil der anderen Platinmetalle neben Iridium gemessen, insbesondere das noch seltenere Osmium, dessen in der Schicht nachgewiesene Isotopenverhältnisse für einen meteoritischen Ursprung typisch sind.

Der Bohrkern 40R-1, in dem das Intervall mit den höchsten Iridium-Konzentrationen vorkommt, am Kontakt zwischen dem dunkelbraunen Tonstein und dem graugrünen Mergelstein aus dem Paläogen.
Foto: Onshore science party of IODP-ICDP Expedition 364

"Der meteoritische Staub hat sich nach dem Einschlag viele Jahre in der Atmosphäre gehalten und ist erst einige Jahrzehnte nach dem Einschlagsereignis wieder in den Krater zurückgefallen", sagt Köberl. Die Ablagerung der Asteroidenreste aus der Atmosphäre stellt damit eine wichtige zeitliche Markierung für die Datierung der Gesteine im Krater direkt unter der Iridiumschicht dar und ist ein überzeugender Beweis für den Zusammenhang des Chicxulub-Impaktkraters mit dem Aussterbeereignis am Ende der Kreidezeit. (Michael Vosatka, 24.2.2021)