Jeder kennt es – die meisten hassen es: Seitenweise Verträge, die eigentlich niemand lesen möchte (Anwälte natürlich schon). Am Ende des Vertrages soll dann die Unterschrift gesetzt werden, damit es auch für alle bindend wird.

Wussten Sie, dass es sehr oft gar nicht darauf ankommt, dass ein Vertrag unterschrieben wird? Das System des österreichischen Privatrechts ist von einer weitgehenden Formfreiheit geprägt. Verträge kommen durch ein Angebot und eine dazu passende Annahme des Angebots zustande. Weder das Angebot noch die Annahme müssen in den meisten Fällen schriftlich sein.

Wenn zwischen Bauherren und Bauunternehmen eine Vereinbarung getroffen wird – etwa zu welchem Preis welche Fläche einer Wand gestrichen werden soll –, so kommt damit bereits ein Vertrag zustande.

Sie können auch beim Abendessen mündlich Ihr Haus verkaufen. Es reicht nämlich aus, wenn Käufer und Verkäufer sich über den Gegenstand (Haus) und den Preis einigen. Etwas Schriftliches benötigen Sie nicht. Sonst waren Sie beim Notar? Das ist auch richtig, weil man eine eigene Urkunde (den Kaufvertrag) für das Grundbuch benötigt. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass erst mit Unterfertigung des schriftlichen Kaufvertrages der Kaufvertrag wirksam zustande kommt.

Bereits die Annahme des Angebots – gleich in welcher Form – begründet den wirksamen Kaufvertrag. Jede der Vertragsparteien kann daher auch mithilfe der Gerichte die Durchsetzung dieses (mündlich abgeschlossenen) Vertrages erreichen.

Reichen also mündliche Verträge?

Also Problem gelöst – in Zukunft alles nur mehr mündlich anstelle von langen Verträgen, die Sie nicht lesen möchten? Nein, leider nicht. Es kann von großer Wichtigkeit sein, beweisen zu können, was genau vereinbart wurde. Was schuldet der Auftraggeber? Was schuldet der Bauunternehmer? Was haben sie inhaltlich genau vereinbart? Das lässt sich mündlich nur schwer festhalten. Vor Gericht – und dort endet ein Streit im schlimmsten Fall – lässt sich kaum mehr beweisen, wenn hier Aussage gegen Aussage steht. Der Kreis schließt sich: Auch wenn Sie die meisten Verträge mündlich abschließen können, so sollten Sie es doch meist lieber schriftlich tun. Dabei sollten Sie aber auch immer darauf achten, nicht zuvor schon "versehentlich" einen mündlich bindenden Vertrag abzuschließen, dem aber aus Ihrer Sicht noch wichtige Vereinbarungen fehlen.

Trotz gültiger mündlicher Vereinbarungen ist es immer besser, diese auch schriftlich festzuhalten.
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Und was soll der Vertrag inhaltlich enthalten? Immer – egal ob schriftlich oder mündlich abgeschlossen – sollte klar sein, welches Werk um welchen Preis ausgeführt werden soll. Damit muss kein fixer Preis vereinbart sein, es gibt verschiedene Arten der Entgeltvereinbarung (Pauschalpreis, Einheitspreis, Regiepreis); im Zweifel wird ein "angemessenes Entgelt" geschuldet. Das will aber meistens niemand, denn weder der Bauunternehmer noch der oft nicht aus der Baubranche kommende Bauherr wissen dann, was rechtmäßig verrechnet werden darf, und somit endet das Projekt womöglich im Streit.

Daneben bietet es sich an, noch weitere Vereinbarungen zu treffen, etwa betreffend Änderungsmöglichkeiten des Bauherren während der Bauphase, das Recht auf Abbestellung, die Modalitäten der Übernahme, Zahlungsmodalitäten, Zinsen, Vertragsstrafen, Gewährleistung et cetera. Im Prinzip dürfen die Vertragsparteien sehr viel nach ihrem Belieben vereinbaren. Vereinfacht werden solche vertraglichen Vereinbarungen durch den Verweis auf Normen – so enthält etwa die ÖNORM B 2110 passende Bestimmungen zum Bauvertragsrecht –, sodass nicht jedes Detail zwischen Bauherrn und Bauunternehmer gesondert geregelt werden muss. Auf den möglichen Inhalt von Verträgen, die verschiedenen Formen der Preisvereinbarung und die ÖNORM B 2110 kommen wir dann in weiteren Beiträgen zurück. (Natasche Stanke, 1.3.2021)