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Bereits seit Monaten hat Attila Hildmann auf seinem Telegram-Kanal freien Lauf, Verschwörungsmythen und verhetzende, oft antisemitische Beiträge zu veröffentlichen. Erst im November durchsuchte die deutsche Polizei deshalb seine Wohnung, die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen Volksverhetzung gegen ihn. Nun soll er jedoch abgetaucht sein, die Fahnder wissen offenbar seit Anfang Februar nicht mehr, wo sich Hildmann aufhält. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten erließ deshalb offenbar einen Haftbefehl gegen den Verschwörungserzähler, berichtet der "Spiegel".

Die Liste der Anschuldigungen inkludiert neben Volksverhetzung auch Beleidigung, Bedrohung und öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Sogar Hildmann selbst geht in Postings in seinem Telegram-Kanal auf die Berichterstattung ein. "Wie ich vom Haftbefehl erfahren habe? Die Polizei Berlin war doch bei meiner Mutter und hat ihr das gesagt!", schreibt er zu Beginn eines Beitrags, bevor er wie üblich über scheinbare Totalüberwachung und die antisemitische Verschwörungserzählung der "Neuen Weltordnung" fabuliert.

Ein veganer Koch und Verschwörungsmythen

Bekanntheit erlangte Hildmann eigentlich aufgrund veganer Kochbücher, seit einiger Zeit scheinen ihn allerdings krude Verschwörungsmythen über Wasser zu halten, die er an seine mittlerweile fast 120.000 Telegram-Abonnenten verbreitet. Er selbst bezeichnet sich als "ultrarechts", was sich deutlich in seinen Veröffentlichungen widerspiegelt. Seine Erzählungen sind oft voller Antisemitismus und Fremdenhass. Während er das Coronavirus als eine "Verschwörung der Freimaurer" bezeichnet, sei die Impfung eine "Biohacking-Genspritze" der "Pharma-Mafia". Der STANDARD berichtete.

Inmitten der im Minutentakt veröffentlichten Verschwörungsmythen versucht Hildmann zudem immer wieder, Produkte an seine Follower zu verkaufen. Manchmal handelt es sich dabei um Matcha-Tee, ein andermal um "Survival-Ausrüstung". So ist auf einem von ihm geposteten Foto neben zahlreichen Packungen Pfefferspray auch eine Armbrust zu sehen. Den beworbenen Beitrag und den darin geteilten Onlineshop kommentiert er mit: "Kamerad, du hast ein Recht auf Notwehr bei Plünderungen!"

Problematische Alternativdienste

Dass Hildmann seine verhetzenden Erzählungen offenbar monatelang ohne jeglichen Widerstand veröffentlichen konnte – und weiterhin kann –, zeigt zudem die Problematik alternativer sozialer Netzwerke wie Telegram. Denn während Mainstream-Plattform wie Facebook, Instagram und Twitter immer stärker gegen verhetzende Inhalte und Fake-News vorgehen, sucht man Moderationsbemühungen auf Telegram vergeblich. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass der Messenger seit Jahresbeginn einen großen Nutzerzuwachs verzeichnen konnte – darunter etliche Verschwörungserzähler, Corona-Leugner und auch Extremisten.

Aufgrund des technischen Aufbaus der Plattform besteht zudem die große Gefahr, dass Maßnahmenkritikern plötzlich viel extremistischere Inhalte und Verschwörungsmythen aufgetischt werden. Denn Telegram hat sich zur Anlaufstelle für jene Personen entwickelt, die von Facebook und Twitter gesperrt wurden.

Fluchtgefahr und überprüfte Aussagen

Hildmann befindet sich laut einem Postings in seinem Telegram-Kanal derzeit auf Urlaub. Dass Fluchtgefahr bestehe, bestreitet er. Nachdem die Ermittlungen gegen ihn zunächst bei der Staatsanwaltschaft Cottbus gelaufen waren, übernahm nach der Hausdurchsuchung vergangenen November die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Offenbar sollte so eine Vielzahl von Anzeigen gebündelt werden können, die gegen Hildmann eingelangt waren, berichtet der "Spiegel". Mehr als tausend Äußerungen des Verschwörungserzählers werden demnach auf mögliche Strafbarkeit geprüft. (red, 24.2.2021)