Doris Gugler engagiert sich mit ihrem Verein Landluft für Baukultur und gegen Abwanderung. Sie selbst wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem 110 Jahre alten Marktbürgerhaus im Bezirk Amstetten.

"Wir wollten immer schon ein Haus kaufen und keines selbst bauen, weil mein Mann und ich der Meinung sind, dass man vorhandene Substanzen nutzen sollte. Durch Glück und Zufall haben wir dieses 110 Jahre alte Marktbürgerhaus mitten im Zentrum einer 4000-Einwohner-Gemeinde an der Westbahn gefunden. Wir sind in ein paar Minuten am Bahnhof, die Fahrt nach Wien dauert nur etwas länger als eine Stunde. Auch sonst ist alles fußläufig erreichbar. Diese Qualitäten hat ein Einfamilienhaus meist nicht.

Doris Gugler in ihrem Haus – im Ortszentrum –, das sie und ihre Familie durch Zufall gefunden haben.
Foto: Dietmar Tollerian

Mein Mann und ich sind beide vom Land und haben viele Jahre lang in Wien gelebt. Wir wollten aber nicht unser ganzes Leben in der Stadt verbringen. Letztes Jahr sind wir daher in die Heimatgemeinde meines Mannes übersiedelt.

Wir wohnen im ersten Stock des Hauses auf 160 Quadratmetern, im Erdgeschoß nutzen wir selbst einen Büroraum, einen zweiten vermieten wir, ebenso wie eine kleine Einliegerwohnung. Es gibt einen kleinen, sehr privaten Garten, der nach hinten ausgerichtet ist. Er ist sicher nicht so groß, wie es der Traum aller Häuslbauer wäre – aber für uns absolut ausreichend. Natürlich gibt es von der Straße her eine gewisse Lautstärke, aber das stört uns nicht – zumal auch unsere Wohnräume nach hinten ausgerichtet sind.

"Ich mag es geradlinig, ein bisschen durcheinander und mit Farbe – das bringt Leben in die Bude", sagt Doris Gugler über ihr Wohnen.
Foto: Dietmar Tollerian

Für mich bedeutet es eine große Freiheit, dass wir nur ein Auto brauchen. Wir haben eine kleine Tochter, und ich freue mich schon jetzt, dass ich später nicht so oft Elterntaxi spielen muss, denn zum Beispiel die Schule ist zu Fuß gut erreichbar. Mir ist das mehr wert als ein ungestörter Blick in die offene Landschaft. Den kann ich mir auch in meiner Freizeit verschaffen.

Die hohen Räume in unserem Haus sind ein großer Vorteil. Als wir eingezogen sind, haben wir vieles saniert, aber versucht, so viel wie möglich von der alten Substanz zu behalten – wir haben zum Beispiel noch diese schönen Abrundungen zwischen Wand und Decke. Der Boden ist aus Stab- und Fischgrätparkett, und die alten Türen haben wir restaurieren lassen.

"Ein bisschen Kitsch ist auch dabei, und ein bisschen Design", sagt Doris Gugler
Fotos: Dietmar Tollerian

Die Einrichtung ist schlicht gehalten. Die Küche und ein paar Möbel haben wir vom Tischler machen lassen, ansonsten ist alles über die Jahre gewachsen. Manche Stücke sind aus unseren früheren WGs, auch alle Möbel aus unserer Wiener Wohnung haben wir mitgenommen. Ein bisschen Kitsch ist auch dabei, und ein bisschen Design. Ich mag es geradlinig, ein bisschen durcheinander und mit Farbe – das bringt Leben in die Bude.

Durch unsere Zeit in Wien haben wir viele Freunde, die über ganz Österreich verstreut leben – denn viele von ihnen sind auch im Zuge von Corona wieder in ihre Heimatregionen zurückgegangen. Durch die Lage unseres Zuhauses hier an Westbahn und Westautobahn ist das für viele von ihnen ein guter Zwischenstopp, und sie kommen bei uns auf einen Kaffee vorbei.

Einige Möbel stammen vom Tischler, der Rest hat sich über die Jahre angesammelt.
Foto: Dietmar Tollerian

Was mir am Leben auf dem Land so gut gefällt, ist, dass man sich aus seiner Blase rausbewegt. In der Stadt hat man sich ein eigenes soziales Umfeld aufgebaut. Aber hier ist man mit Menschen konfrontiert, die ganz anders drauf sind als man selbst – oft gibt es nur eine Gemeinsamkeit, etwa ein Hobby in einem Verein. Aber dadurch bekommt man die Mischung viel besser mit. Ich selbst war immer im Blasmusikverein dabei und habe es immer schon geschätzt, dass dort viele verschiedene Menschen zusammenkommen. Diese Chancen bietet das Landleben. Und hier gibt es viel Kreativität und Innovation, das wird oft unterschätzt.

Wir können uns auch gut vorstellen, dass wir eines Tages wieder in die Stadt oder anderswo hinziehen. Das finde ich auch recht charmant an so einem alten Haus – den Gedanken, dass wir nur ein Teil seiner Geschichte sind. Es hatte schon viele Vorbesitzer und wird auch noch Besitzer nach uns haben. Das nimmt auch von unseren Kindern den Druck – denn sie müssen das Haus nicht zwingend übernehmen." (8.3.2021)