Auch eine pinkfarbene Riesenwurst des Wiener Künstlers Franz West befindet sich in der Sammlung.

Foto: APA / Gerald Zugmann / MAK

Caceres/Wien – Eine deutsche Galeristin eröffnet am Donnerstag in Caceres, einem kleinen Provinzstädtchen im Südwesten Spaniens, ein Museum. Normalerweise fände eine solche Nachricht höchstens in der Lokalpresse Erwähnung. Doch beim Museum für Gegenwartskunst Helga de Alvear handelt es sich um alles andere als um ein gewöhnliches Museum.

Es ist nicht nur das erste Haus seiner Art, das in Spanien mitten in der Coronapandemie eröffnet wird. Es ist schlichtweg die Museumsneueröffnung des Jahres in Spanien. So lässt sich selbst das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia nicht nehmen, den neuen Kunsttempel am Donnerstag höchstpersönlich einzuweihen.

Der Medienrummel ist enorm, die Erwartungen in der Stadt ebenfalls. Das Museum verspricht, das mittelalterliche Städtchen an der Grenze zu Portugal in Spaniens neuen Hotspot für zeitgenössische Kunst zu verwandeln. "Dieses Museum wird Kunstfans aus der ganzen Welt anziehen", ist sich Bürgermeister Luis Salaya sicher. Das hofft auch die Galeristin, die der Stadt nun ihre außergewöhnliche Kunstsammlung stiftet. "Dieses Museum ist mein Lebenstraum, den ich mit möglichst vielen Menschen teilen möchte", sagt Helga de Alvear im Gespräch mit der APA.

Riesenwurst von Franz West

Die deutsche Wahlspanierin, die seit 1957 in Madrid lebt und dort eine der renommiertesten Kunstgalerien des Landes führt, hat im Laufe der Jahrzehnte tatsächlich eine Kunstsammlung aufgebaut, die ihresgleichen sucht. Mit über 3.000 Werken internationaler Kunststars verfügt die schwerreiche Industrieerbin der Rheinischen Kunststoffwerke (RKW) über eine der größten privaten Kunstsammlungen Europas.

Vorbei an Skulpturen von Cristina Iglesias, Sol LeWitt und Allan McCollum geht es zunächst über Treppen hinunter zum eigentlich Eingangsbereich des Museums. Schneeweiße Stahlbetonpfeiler bilden das offene Gerippe des würfelartigen Gebäudes, das sich im Hinterhof des Stiftungssitzes von Helga de Alvear befindet.

Der Blick in den Museumsgarten gibt einen kleinen Vorgeschmack, was einem im Museum selber erwartet. Eine pinkfarbene Riesenwurst des Wiener Künstlers Franz West und ein Aluminiumolivenbaum des Schweizer Bildhauers Ugo Rondinone stechen im Palmengarten sofort ins Auge.

Who is Who der zeitgenössischen Kunst

Im Eingangsbereich dann gleich der Wow-Effekt: Ai Weiweis über 7 Meter langer und 5 Meter hoher Kronleuchter "Descending Light" füllt fast den gesamten Raum. Daneben hängen Werke von Frank Thiel, Damien Hirst und der internationalen bekannten Kolumbianerin Doris Salcedo.

Goyas Druckgrafiken "Los Caprichos" werden Werken von Marcel Dzama, Slater Bradley und Arnulf Rainer gegenübergestellt, um zu zeigen, welch großen Einfluss der spanische Altmeister auf Goya zeitgenössische Künstler hatte. Es ist eine Art Einstieg in einen Reigen des Who is Who in der zeitgenössischen Kunstszene und moderner Avantgardisten: Paul Klee, Pablo Picasso, Wassili Kandinsky, Louise Bourgeois, Lucio Fontana und Cy Twombly. Echo-Spiegel-Räume von Olafur Eliasson. Cindy Shermans Fotoserie "Bus passenger" hängt neben Tacita Deans "Gräberfeld". Dazwischen Joseph Beuys' "Angelus".

Einen ganzen Raum erhält der Schweizer Thomas Hirschhorn für seine "Power Tools". Die riesigen Karton-Äxte des Werks reichen fast bis zur Museumsdecke. Auch Katharina Grosses kunterbunten "Faux Rocks" nehmen fast einen gesamten Raum ein. Daneben läuft eine Videoinstallation von Steve Mcqueen über Venedigs Gärten und von dem, was übrig bleibt, wenn die Kunst nach der Biennale wieder verschwindet.

Liebe auf den ersten Blick

"Mit knapp 200 Werken gibt die Eröffnungsausstellung aber nur einen kleinen Einblick in Helgas Sammlung", versichert José María Viñuela. Viñuela ist nicht nur der Ausstellungskurator, sondern eigentlich auch dafür verantwortlich, dass diese außergewöhnliche Kunstsammlung nun ausgerechnet in Cáceres landete.

Eigentlich würde man eine solche Kollektion eher in Städten wie Madrid oder Barcelona erwarten. Helga de Alvear war in Spanien lange auf der Suche nach "der geeigneten Hülle" für ihre Sammlung. Eher zufällig führte sie Viñuela in seine Heimatstadt Cáceres in der Extremadura.

"Wenn ich ein Werk kaufe, muss es Liebe auf den ersten Blick sein. Und so war es auch mit dieser Stadt", meint de Alvear. Cáceres, seit 1986 Unesco-Weltkulturerbe, verfügt nach Tallinn und Prag über den besterhaltene mittelalterlichen Stadtkern Europas. Und nun auch über eines der wichtigsten Zentren. (APA, 24.2.2021)