Einen "veritablen Anschlag auf die Kontrollbefugnisse des Nationalrates" haben Alfred J. Noll und Udo Szekulics entdeckt. Im Gastkommentar werfen der Rechtsanwalt und sein ehemaliger parlamentarischer Mitarbeiter einen genauen Blick auf den Regierungsentwurf.

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Lange gefordert, jetzt liegt es vor: Über die Ausgestaltung des Informationsfreiheitsgesetzes wird heiß debattiert.
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Ach, wie ist allseits die Freude groß, dass jetzt mit einigen Jahren Verspätung ernstlich ein Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht werden soll. In einem der Täler zwischen den verschiedenen Gipfeln der politischen Erregungsamplitude haben sich Türkis-Grün also gefunden. Die einzelnen Mängel dieser Regierungsvorlage werden wohl schnell ans Licht kommen – aber es gibt darin auch etwas, was unsere Medien bis dato nicht bemerkt haben. Gut versteckt verbirgt sich darin nämlich ein veritabler Anschlag auf die Kontrollbefugnisse des Nationalrates (Paragraf 52 Absatz 3a Bundes-Verfassungsgesetz). Der Reihe nach:

Um das Recht auf Information rechtlich auf standfeste Beine zu stellen, ist eine Verfassungsänderung notwendig. Realisiert wird dies durch einen neuen Artikel 22a Bundes-Verfassungsgesetz. Darin heißt es nun sehr weit gefasst: Zwar soll nun jedermann ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zur Information haben – aber man will es auch nicht übertreiben, und also muss man wieder einschränken.

Ganz unscheinbar

Dieses Recht auf Information soll nämlich nicht gelten "soweit deren Geheimhaltung aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist" (Artikel 22a Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Vorlage).

Ob diese Einschränkung nun zu weit gefasst ist oder nicht, ob sie zu unbestimmt ist et cetera, das wollen wir hier gar nicht diskutieren. Aber ein paar Zeilen weiter lesen wir im geplanten Artikel 52 Absatz 3a Bundes-Verfassungsgesetz ganz unscheinbar: "(3a) Dies gilt nicht für Auskünfte, deren Geheimhaltung aus den in Artikel 22a Absatz 2 genannten Gründen erforderlich ist."

Interpellationsrecht ausgehebelt

Was soll das heißen? Wir blättern in unserer Verfassung und sehen in Artikel 52 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz, das sogenannte Interpellationsrecht. Dort heißt es in wünschenswerter Deutlichkeit und unbeschränkt: "Jedes Mitglied des Nationalrates und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu richten."

Was jetzt also jederzeit unbeschränkt für die Abgeordneten möglich ist, nämlich die Regierungsmitglieder zu befragen, soll jetzt gravierend und umfassend eingeschränkt werden. Hier wird unter dem Deckmantel der Transparenz ein grundlegendes Instrument der parlamentarischen Demokratie amputiert – denn nun bietet es sich doch nachgerade an, dass jedes Regierungsmitglied eine Anfrage von Abgeordneten mit der plattitüdenhaften Formel beantwortet: "Die Anfrage ist nicht zulässig, weil deren Beantwortung eine Verletzung der in Art. 22a Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz festgelegten Geheimhaltungspflicht darstellen würde." Und da es in Österreich – anders als in Deutschland – keine Instanz gibt, die die Zulässigkeit einer Antwortverweigerung durch ein Regierungsmitglied überprüfen könnte, wird damit tendenziell das Interpellationsrecht ausgehebelt.

Grüne Blamage

Dankenswerterweise hat unser Verfassungsgeber ja vor kurzem festgelegt, dass die Beschlüsse der Bundesregierung (und also auch diese Regierungsvorlage) "einstimmig" gefasst werden müssen. Wir wissen also, dass sich die grünen Regierungsmitglieder aktiv für diese Demokratieverkürzung ausgesprochen haben. Das ist – wenn man freundlich bleiben will – bloß eine Blamage. Versucht man sich aber an der nüchternen Beschreibung des Vorgangs, dann ist es nichts weniger als der Versuch, den Nationalrat eines wesentlichen Kontrollinstruments zu berauben.

Natürlich: Dieser Versuch wird scheitern, weil sich dafür keine Verfassungsmehrheit wird finden lassen. Na gut, dann bleibt es bei der Blamage eines grünen Demokratieverkürzungsversuchs. (Alfred J. Noll, Udo Szekulics, 25.2.2021)