Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die Justiz ermittelt gegen den Finanzminister, einen hochrangigen ÖVP-Politiker. Die Reaktion der ÖVP? Sie will die Justiz umbauen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zerschlagen und recherchierenden Journalisten einen Maulkorb umhängen – und das alles am Koalitionspartner vorbei, der eigentlich für die Justizagenden verantwortlich ist. Aggressiver geht’s kaum.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien.
Foto: Matthias Cremer

Die Art und Weise, wie die Kanzlerpartei, von Sebastian Kurz abwärts, seit Tagen um sich schlägt, ist verstörend. Es wirkt, als hätte eine staatstragende Partei keinerlei Skrupel, den österreichischen Rechtsstaat umzumodeln und zum Teil auch auszuhebeln. Schon der "offene Brief" des Bundeskanzlers, in dem er der WKStA "fehlerhafte Fakten" vorwirft, war eine ebenso offene Einmischung in die Unabhängigkeit der Justiz wie eine politisch motivierte Desavouierung der WKStA. Das sieht der Innsbrucker Oberlandesgerichtspräsident Klaus Schröder so, und er ist nicht der Einzige. Damit nicht genug: Nun lanciert die ÖVP medial einen "Entwurf", dem die Grünen nie zugestimmt hatten und den sie nach Aussagen von Insidern so nicht einmal kannten. Und in dem steht unverblümt festgeschrieben: "Überschießende Auswertung von privater und geschäftlicher Kommunikation" durch die Staatsanwaltschaft soll künftig verboten sein.

Nebenbei sollen Medien künftig aus Ermittlungsakten nicht mehr im Wortlaut zitieren und über Beschuldigte erst in einem späten Stadium berichten dürfen. So lautet der Plan, nach dem Ministerrat just erklärt von Karoline Edtstadler, Verfassungsministerin, ÖVP.

Koalitionsbruch

Was steckt hinter all dem? Will die ÖVP den Interimsjustizminister Werner Kogler von den Grünen so massiv überfahren, dass dieser erst zu spät bemerkt, welchem Tabubruch er hier zugestimmt hat? Will man einen Koalitionsbruch mit den Grünen, mitten in der Pandemie, riskieren? Nichts davon hat wirklich Sinn. Bis auf einen Grundsatz, der aus dem Handbuch für Populismus stammen könnte – und nach dem die ÖVP schon im Wahlkampf 2019, ebenfalls gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft gerichtet, gehandelt hat. Wenn ein Thema politisch ganz unangenehm wird, wie etwa die Causa Novomatic für die ÖVP-Spitze, dann tue Folgendes: "Flood the zone with shit." Frei übersetzt: Sag etwas Ungeheuerliches, brich ein Tabu – und das Eigentliche, Unangenehme löst sich (hoffentlich) in Luft auf. Die eigene Zielgruppe ist wieder beruhigt – entweder weil die Staatsanwaltschaft so unter Druck ist, dass sie zu ermitteln aufhört; oder weil die Medien nicht mehr recherchieren, weil sie mit der Abwehr der Eingriffe in ihre medialen Grundrechte beschäftigt sind.

Beides wird übrigens nicht passieren. Die Frage, ob rund um die Causa Blümel nur Rauch oder auch Feuer ist, wird Justiz wie Medien weiterbeschäftigen.

Trotzdem kann man dieses Ablenkungsmanöver der ÖVP nicht ignorieren. Wer so agiert, riskiert das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz – nach dem Motto: "Ein bisserl was wird schon hängenbleiben." Das gelang Jörg Haider einst mit seinen permanenten Attacken, das könnte nun wieder passieren, wenn die ÖVP so weitermacht.

Das muss man benennen und auch sagen, was es ist: eine gefährlich falsche Strategie. (Petra Stuiber, 24.2.2021)