Claudia Lösch wirkt entspannt. Die Terrasse ihrer Innsbrucker Wohnung gibt ein gutes Homeoffice. Die 32-Jährige ist Marketing-Assistentin in der Olympiaworld, heuer war sie aber auch für die Corona-Testungen beim Eiskanal verantwortlich.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Lösch: Ich sehe keinen dringenden Bedarf, dass er gerettet werden muss. Gerade in Asien boomt der Skisport, er ist also sicher nicht dem Untergang geweiht. Beim Skirennsport gibt es schon Aufholbedarf.

STANDARD: Der da wäre?

"Man müsste an der Materialschraube drehen und vielleicht an der Pistenpräparierung."
Foto: Robert Newald

Lösch: Das größte Problem ist, dass es so viele schwere Stürze gibt. Es macht einfach weniger Spaß zuzuschauen, wenn man immer das Gefühl hat, dass es gleich wieder jemanden brutal zerlegen wird. Man müsste an der Materialschraube drehen und vielleicht an der Pistenpräparierung.

STANDARD: Warum passiert kein Umdenken?

Lösch: Die Fis überlegt sich schon etwas, und es hat einige Materialänderungen gegeben. Aber das müsste noch mehr forciert und stärker reguliert werden. Pistenpräparierung und Kurssetzung sind dann Veranstalter- bzw. Trainersache, aber auch da könnte die Fis noch mehr einwirken.

STANDARD: Stichwort Kitzbühel.

Lösch: Kitzbühel ist eine extrem spektakuläre Abfahrt zum Zuschauen, da brauch ich doch am Ende keinen irren Zielsprung, bei dem es die Leute der Reihe nach aufstellt. Das macht die Strecke nicht spektakulärer, sondern nur gefährlicher.

STANDARD: Ist das Interesse am Skisport gesunken?

Lösch: Für den österreichischen Markt ist sicher schlagend, dass der Faktor Marcel Hirscher weggefallen ist.

STANDARD: Sie haben gesagt, Sie haben unsere Serie gerne gelesen. Gibt es jemanden, dem Sie etwas antworten möchten?

Lösch: Ich war eigentlich fast mit allen sehr zufrieden, aber besonders das Interview mit Felix Neureuther hat mir gut gefallen. Er hat mir sehr aus der Seele gesprochen. Skifahren ist ein megageiler Sport, den man den Leuten vielleicht wieder ein bisschen näher bringen muss. Auch der ökologische Aspekt macht Sinn, also dass die Gigantomanie bei Skigebieten gar nicht sein muss. Skifahren macht auch in kleineren Skigebieten, mit weniger Liften Spaß.

STANDARD: Wie steht es um die Barrierefreiheit in Skigebieten?

Lösch: Ich habe in den vergangenen 15 Jahren zwei Tendenzen bemerkt. Einerseits habe ich schon das Gefühl, dass die Betreiber darauf bedacht sind, Skigebiete zugänglicher zu machen. Das heißt, es gibt ebenerdige Gondeln, Toiletten, Skischulen, die Leihgeräte anbieten. Da hat sich viel getan. Andererseits geht der Trend aber auch dahin, immer mehr Sessellifte durch Gondeln zu ersetzen. Das größte Problem sind die Gondeln.

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Lösch im Super-G.
Foto: AP/ Lovetsky

STANDARD: Wieso?

Lösch: Sessellifte und Schlepplifte sind für uns einfach zu benutzen. Beim Sessellift gibt es eine Vorrichtung, mit der wir uns auf den Sessel setzen können, und los geht’s. Bei Gondeln müssen wir umschnallen, uns auf ein Wagerl setzen und können dann erst rein. Es ist nichts, was man alleine machen kann, und darüber hinaus körperlich extrem anstrengend. Selbst als ich noch im Training stand, war nach fünf bis sechs Abfahrten Schluss, weil es so anstrengend war.

STANDARD: Wie sieht das perfekte Skigebiet aus?

Lösch: Ausschließlich Sessellifte, ein Parkplatz, von dem man direkt zur Piste gelangt, mehrere Toiletten für Rollstuhlfahrer und in den Gipfelrestaurants Rollstühle, die man sich ausborgen kann. Dann kann nicht nur dort Pause machen, wo der eigene Rollstuhl steht.

STANDARD: Anna Veith hat gesagt, es sei für einen Verband wichtig, mündige Athleten zu haben. Sie haben schon während Ihrer Karriere immer wieder Kritik geäußert. Warum ist das die Ausnahme?

Lösch: Weil es sehr viel Energie kostet. Während der Wettkampfsaison ist es fast unmöglich, weil man die ganze Kraft in den Sport legt. Und es braucht ein gewisses Standing, um sich mit Strukturen anzulegen. Wenn man als junger Sportler in ein Team kommt, ist es schwierig zu sagen: "Das und das passt mir nicht." Ich habe volles Verständnis, wenn man das nicht macht. Aber alle, die sich trauen, helfen ja nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen.

STANDARD: Ist der Paraskisport ein Stiefkind im ÖSV?

Lösch: Ja und nein. Es gibt einige, die sich sehr um uns kümmern, und man merkt, dass es ihnen am Herzen liegt. Wir wissen aber auch, dass es schwieriger ist, wahnsinnig viel Geld reinzubuttern, weil die Öffentlichkeit nicht so gegeben ist wie in anderen Sektionen. Da fehlt der Return on Investment. Auf der anderen Seite waren Selbstverständlichkeiten wie Personalbesetzungen und kundige Trainer nicht immer gegeben.

Sie sammelte fleißig Medaillen.
Foto: ÖPC / Franz Baldauf

STANDARD: Sie sind kürzlich von Sportminister Werner Kogler in die Kommission zur Bundessport GmbH berufen worden. Wie ist es dazu gekommen?

Lösch: Die Verbindung zwischen Sport und Politik hat mich immer schon sehr interessiert, ich musste nicht lange überlegen. Es ist das Zentrum des Sport- und Verbandswesens in Österreich, ich habe schon ein, zwei Ideen, wie man die Sportförderung treffsicherer auf die Athleten bringen kann.

STANDARD: Sie sind die erste Frau in dieser Kommission. Sind die Ellbogen trainiert?

Lösch: Ja, sind sie. Ich hatte noch nie Probleme, mich in solchen Situationen zurechtzufinden.

STANDARD: Mit Ihnen sitzt auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel in der Kommission. Bei Ihrem Rücktritt vom Spitzensport gab es Unstimmigkeiten. Wird es ein Wiedersehen mit Schrecken?

Lösch: Nein überhaupt nicht. Wir haben uns einige Male getroffen und reden ganz normal, es gibt kein böses Blut. Es war damals eine Diskussion auf Sachebene, es gab Differenzen, wurde aber nie persönlich. Den Forderungen, die ich damals hatte, sind sie nachgekommen. Ich freue mich schon, wenn ich wieder mehr mit ihm zu tun habe.

STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal Skifahren?

Lösch: Vergangene Woche, und es war traumhaft. Es war nichts los, und ich hatte fast die gesamte Piste für mich alleine. Man kann dann auch mit den Super-G-Ski, den langen Latten, herumheizen, ohne dass man jemanden gefährdet. So schön wie heuer war Skifahren schon lange nicht mehr. (Andreas Hagenauer, 25.2.2021)