Die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die Eigentümerfamilie Dichand ist nur eine weitere Runde im ewigen Gesellschafterstreit um die "Krone".

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Es ging um eine originelle Frage vor dem Obersten Gerichtshof: Kann man beim Erben von 50 Prozent der Anteile an Österreichs größter Tageszeitung unterwegs Stimmrechte verlieren – und damit dem Eigentümer der übrigen 50 Prozent die Mehrheit an Stimmrechten bescheren?

Ja, sagt die deutsche Mediengruppe Funke und meldete bei den österreichischen Kartellbehörden Anfang 2020 die alleinige Beherrschung der Kronen Zeitung durch diese Stimmrechtsmehrheit an. Eine Firma der Funke-Gruppe hält unverändert 50 Prozent an der Krone, Anfang 2019 hat sich an dieser Funke-Firma noch der österreichische Immobilienmilliardär René Benko beteiligt.

Nein, sagt die Familie Dichand, der die übrigen 50 gehören. Nach dem Tod von Krone-Gründer Hans Dichand anno 2010 haben die Erben die Anteile nach sieben Jahren Verfahren übernommen. Witwe Helga Dichand und ihre Kinder Michael, Johanna und Herausgeber und Chefredakteur Christoph erhielten je 12,5 Prozent an Österreichs größtem Kleinformat.

Stimmen unterwegs verloren

Mit dieser Aufteilung erklärt die Funke-Gruppe ihre Rechtsansicht, dass die Dichands nun weniger Stimmrechte hätten. Denn die Gesellschaftsverträge sehen – vereinfacht gesagt – vor, dass jeweils ganzen Prozentpunkten eine Stimme in der Gesellschaft zukomme (im Vertrag geht es eigentlich um eine Stimme für ganze 1.000 Schilling Kapital).

Viermal 0,5 Prozentpunkte für die einzelnen Familienmitglieder würde nach dieser Rechnung keine Stimme zukommen. Wiederum sehr grob: Die Dichands hätten damit gemeinsam nur 48 Prozent (also ohne vier mal 0,5) und die Funke-Gruppe mit weiterhin 50 Prozent die Mehrheit – kartellrechtlich also die Beherrschung.

Beherrschung verloren

Diese Beherrschung freilich hat die Funke-Gruppe nun verloren, jedenfalls das Verfahren darüber: Die Kartellbehörden stellten diese Beherrschung nicht fest und brachten den Antrag der Funke-Gruppe vor das Oberlandesgericht Wien. Als Kartellgericht erster Instanz entschied es schon im Spätsommer 2020, dass diese Streitfrage unter den Gesellschaftern nicht von Kartellgerichten zu klären sei.

Die Funke-Gruppe legte dagegen Rekurs ein, doch den hat nun der Oberste Gerichtshof als zweite Kartellinstanz abgelehnt. Das Höchstgericht sieht diese Beherrschung derzeit nicht geklärt. Und so könne es auch keine kartellrechtliche Entscheidung geben.

Für Streitfragen unter den Krone-Gesellschaftern sehen die Verträge Schiedsgerichte nach Schweizer Recht vor. Die Funke-Gruppe erklärte schon mehrfach die Kündigung der Rahmenvereinbarungen mit den Dichands, die ihnen auch Vorrechte wie einen garantierten Gewinn und das Sagen in der Redaktion zusichern. Erst 2020 hat ein Schweizer Schiedsgericht aber entschieden, dass die Kündigung nicht möglich sei, ohne die Gesellschaft insgesamt aufzukündigen. Und wer das tut, muss seine Anteile dem Mitgesellschafter zum sehr günstigen Buchwert anbieten – in diesem Fall also die Funke-Gruppe den Dichands.

Die Funke-Gruppe bekämpft diese Schiedsentscheidung vor dem Schweizer Höchstgericht. Zugleich hat sie inzwischen weitere Kündigungen der Rahmenverträge ausgesprochen. Und sie hat mehrere Verfahren gegen die Dichands beim Handelsgericht Wien begonnen.

Vor dem ordentlichen Gericht geht es ebenfalls um die Reduktion der Stimmrechte bei der Krone, um einen Antrag der Funke-Grupe auf Entlassung von Christoph Dichand als Chefredakteur und Abberufung als Herausgeber der Krone – da ging es um Spesenvorwürfe. Und die Funke-Gruppe klagte beim Handelsgericht Wien auf Ausschluss der Dichands aus der Gesellschaft. Anlass: Die vier Dichands gründeten Anfang 2020 eine "Miteigentümergemeinschaft" über die Anteile an der Krone und bestimmten Christoph Dichand als alleinigen Vertreter, um ihre Rechtsposition zu untermauern, dass sie ohnehin gemeinsam die 50 Prozent ausüben. Die Funke-Gruppe blockiert zudem nach Möglichkeit die Gewinnausschüttung aus der Krone.

Worum geht es im jahrzehntelangen Konflikt bei Österreichs größter Tageszeitung? Die beim Einstieg der Funke-Gruppe Ende der 1980er-Jahre zugesicherte Gewinngarantie und weitere Vorrechte für die Dichands. René Benko hat bei seinem Einstieg 2018/19 einen Kauf der gesamten Funke-Anteile an der Krone (und ihrer fast 50 Prozent am Kurier) per Option vereinbart. 80 Millionen zahlte er für eine Minderheit, weitere 80 sind vereinbart. Bedingung dafür: ein Ende der Vorrechte – und wohl Verzicht der Dichands auf ihr Vorkaufsrecht für die übrigen Krone -Anteile.

Danach sieht es nicht aus. Christoph Dichand schrieb im Jänner vom "Bewahren der Unabhängigkeit der Krone, koste es, was es wolle".

Die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die Eigentümerfamilie Dichand ist nur eine weitere Runde im ewigen Gesellschafterstreit um die "Krone". (Harald Fidler, 25.2.2021)