Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) ist als Stadtrat für die Einwanderungsbehörde (MA 35) zuständig. Als Oppositionspolitiker kritisierte er die Behörde wegen der langen Verfahrensdauer scharf, nun stellt er sich vor die Mitarbeiter und verspricht mehr Ressourcen.

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Für viel Aufregung sorgt derzeit ein kurzes Video auf Twitter. Die 25-jährige Lehrerin und Regisseurin Olga Kosanović, in Wien geboren und aufgewachsen, berichtet darin von ihren Erfahrungen mit der Einwanderungsbehörde in Wien (MA 35). Denn weil ihre Eltern aus Serbien kommen, hat Kosanović nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Um diese bemüht sie sich seit geraumer Zeit. Das Verfahren dauere nun schon über ein Jahr, sagt Kosanović in einem Video, das die Organisation SOS Mitmensch veröffentlichte.

Was ihren Fall erschwere, sei das Studium, das Kosanović in Hamburg absolvierte. "Das wird mir jetzt zum großen Verhängnis." Die Behörde habe durch den Auslandsaufenthalt Zweifel daran, dass ihr Lebensmittelpunkt in Österreich ist. Für Kosanović ein "absurder" Gedanke, schließlich seien ihre Familie und all ihre Freunde in Wien, sie selbst arbeite nun hier.

"Wie im falschen Film"

Eine weitere "Absurdität" sei gewesen, dass ihre Sachbearbeiterin sagte, es gelte nun zu überprüfen, ob Kosanović überhaupt integrierbar sei. "Ich habe mich gefühlt wie im falschen Film." Es sei "unvorstellbar", dass man sie als "Fremde" sehe, sie sich hier aber zu Hause fühle. Kosanović vermutet, dass es vielen anderen Menschen genauso gehe. Für ihre Einbürgerung sieht die 25-Jährige "eher schwarz als weiß für die Zukunft". Prognosen seien aber auch schwierig, weil die Kommunikation mit der MA 35 nicht einfach sei. Alle paar Monate komme eine neue Mail mit Forderungen.

Wiederkehr sagt MA 35 Unterstützung zu

Der in Wien für die MA 35 zuständige Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) verteidigt die Mitarbeiter der Behörde: Die Mitarbeiter "haben einen sehr herausfordernden Job, den sie bestmöglich bewältigen. Sie brauchen mehr Unterstützung, und ich werde sie ihnen geben", reagierte er auf Twitter. Sein großes Ziel sei es, die MA 35 als "erstklassige Servicestelle" zu etablieren. Personelle Aufstockung und Fortschritte bei der Digitalisierung wurden bereits im rot-pinken Regierungsprogramm angekündigt.

Wiederkehr, der auch Vizebürgermeister in Wien ist, war als Oppositionspolitiker immer wieder lautstarker Kritiker der Behörde, vor allem wegen der langen Verfahrensdauer. "Eine weltoffene Stadt wie Wien sollte sich für diese Zustände schämen und alles daransetzen, rasch eine Lösung zu finden. Anträge müssen in deutlich höherer Geschwindigkeit abgehandelt werden. Im Zeitalter der Digitalisierung braucht es endlich die Möglichkeit, auch digital solche Verfahren abzuwickeln. Das ist fairer und besser für alle Beteiligten", sagte Wiederkehr vor fast genau einem Jahr.

Appell an die Bundesregierung

Was die Einbürgerung selbst anbelangt, appelliert Wiederkehr an die Bundesregierung, "die unnötigen Hürden am Weg zur Staatsbürgerschaft endlich zu beseitigen". Dass Integration an der Dauer des durchgängigen Aufenthaltes in Österreich bzw. an der Dauer der erlaubten Aufenthaltszeit im Ausland gemessen werde und nicht an der Tatsache, dass jemand in Österreich geboren und aufgewachsen ist, hält Wiederkehr für einen "unhaltbaren Zustand".

Das Video von Kosanović ist Teil einer größeren Kampagne von SOS Mitmensch für die Einbürgerung in Österreich geborener Kinder. Seit der Abschiebung von Tina und anderen Kindern bzw. Jugendlichen hat das Thema bekanntlich an Bedeutung gewonnen. Die Organisation fordert die automatische Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an alle, die in Österreich geboren sind bzw. in Österreich zur Welt kommen, wenn zumindest ein Elternteil schon sechs Jahre hierzulande lebt. Außerdem wird für die bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung von in Österreich geborenen Kindern, deren Eltern bei der Geburt erst kurz im Land sind, spätestens aber im Alter von sechs Jahren, plädiert. Die Organisation will auch die bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung aller jungen Menschen, die als Kinder nach Österreich gekommen sind, spätestens nach sechs Jahren, damit sie mit 16 wählen können.

Online kann im Rahmen der #hiergeboren-Kampagne eine Petition unterzeichnet werden. Stand Donnerstagvormittag haben das bereits 39.500 Personen getan.

Abstammungs- vs. Geburtsortprinzip

Ein Kind erwirbt die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter Österreicherin ist – in der Fachsprache wird das "ius sanguinis", Recht des Blutes, bzw. Abstammungsprinzip genannt. Besitzt nur der Vater die österreichische Staatsbürgerschaft, müssen die Eltern entweder verheiratet sein, oder der Vater erkennt innerhalb von acht Wochen nach der Geburt die Vaterschaft an – oder sie wird gerichtlich festgestellt. Ist ein Elternteil Österreicher und der andere besitzt die Staatsbürgerschaft eines Landes, in dem auch das Abstammungsprinzip gilt (zum Beispiel in Italien, Schweden, Tschechien oder Ungarn), hat das Kind eine Doppelstaatsbürgerschaft – ganz legal, es lässt sich schließlich nicht ändern. Wenn beide Elternteile eine ausländische Staatsbürgerschaft haben, erhält diese auch das Kind.

Anders läuft es beispielsweise in den USA: Dort wird die Staatsbürgerschaft nach dem "ius soli", dem Geburtsortprinzip, verliehen. In der EU verfolgt kein Staat ein reines Geburtsortsprinzip: In Deutschland müssen die Eltern acht Jahre vor der Geburt rechtmäßig im Land leben; in Frankreich gilt es nur für die zweite im Land geborene Generation. (lhag, 25.2.2021)