Das neue Depotgesetz wird bedeutende Auswirkungen für Anleger an der Wiener Börse haben.

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Wollte man bisher in Österreich ein Wertpapier begeben, war – wie schon der Wortlaut sagt – zwingend ein Stück Papier notwendig. Ohne physische Papierurkunde kein Wertpapier. Dieser seit dem 19. Jahrhundert bestehende Grundsatz ändert sich nun schlagartig. Mit der am Mittwoch vom Nationalrat beschlossenen Novelle des Depotgesetzes zieht die Digitalisierung in das österreichische Wertpapierrecht ein. Dem Bedürfnis der Praxis entsprechend, können Wertpapiere künftig auch digital, also rein elektronisch begeben werden. Die Ausstellung einer physischen Papierurkunde ist nicht mehr Voraussetzung für ein Wertpapier. Österreich bekommt damit ein papierloses Effektensystem, wie es in vielen Ländern bereits Realität ist.

Digitalisierung des Finanzmarktes

Das verabschiedete Bundesgesetz zur Einführung einer digitalen Sammelurkunde für Schuldverschreibungen und Investmentzertifikate wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Doch die Möglichkeit der elektronischen Verbriefung von Schuldverschreibungen und Investmentzertifikaten kann für den Finanzstandort Österreich zum Game-Changer werden. Die Novelle ist ein wichtiger, lange geforderter Schritt zur Modernisierung des österreichischen Wertpapierrechts, der angesichts der Digitalisierung der internationalen Finanzmärkte dringend erforderlich war.

Die digitale Sammelurkunde

Die Begebung von Schuldverschreibungen (Anleihen) und Investmentzertifikaten (Anteilsscheinen an Investmentfonds) erfolgt heute beinahe ausschließlich in Form von Sammelurkunden, die bei Wertpapiersammelbanken hinterlegt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise bei der Emission einer Anleihe nicht für jeden Investor eine einzelne Urkunde ausgestellt wird, sondern die Rechte aller Investoren in einer Urkunde (der Sammelurkunde, bislang in Form einer physischen Papierurkunde) zusammengefasst werden.

Die neue digitale Sammelurkunde ermöglicht die Begebung von Schuldverschreibungen und Investmentzertifikaten nun auch in rein digitaler Form. Die Verwaltung der digitalen Sammelurkunde übernimmt dabei eine Wertpapiersammelbank. An die Stelle des physischen Wertpapiers mit der Unterschrift des Emittenten tritt bei der digitalen Sammelurkunde ein bei der Wertpapiersammelbank angelegter elektronischer Datensatz. Die Wertpapiersammelbank hat dem Emittenten eine strukturierte Schnittstelle zur digitalen Übermittlung der Angaben über die Rechte vorzugeben und auf Basis dieser Angaben den elektronischen Datensatz anzulegen. Dadurch entsteht die digitale Sammelurkunde im Umfang der Gutschriften auf den bei der Wertpapiersammelbank geführten Depots. Ein physisches Wertpapier gibt es nicht mehr.

Die Verbriefung in Form einer physischen Papierurkunde ist bei Schuldverschreibungen und Investmentzertifikaten damit nicht mehr erforderlich, bleibt aber weiterhin möglich. Aktien sind von der neuen Regelung nicht erfasst, was angesichts des geringen praktischen Bedürfnisses aber nicht wesentlich ins Gewicht fällt.

Rolle der Wertpapiersammelbank

Die neue Regelung sieht vor, dass die Struktur der elektronischen Datensätze für digitale Sammelurkunden von der Wertpapiersammelbank vorzugeben ist. Wertpapiersammelbank und bisher einziger Zentralverwahrer in Österreich ist die OeKB CSD mit Sitz in Wien. Sie übernimmt Wertpapiere der kapitalaufnehmenden Emittenten zur Verwahrung und Verwaltung für die Investoren, führt Buchungsaufträge zur Abwicklung der Wertpapiergeschäfte durch und steuert die Zahlungen der Emittenten an die Investoren. Bei ihr werden jährlich tausende Wertpapierurkunden eingeliefert und ein Wertpapiervermögen von derzeit rund 615 Milliarden Euro verwahrt. Der OeKB CSD kommt damit eine zentrale Rolle bei der technischen Umsetzung der digitalen Sammelurkunde zu.

Ziel ist vollständige Digitalisierung

Dementsprechend erarbeitet die OeKB CSD in enger Zusammenarbeit mit wichtigen Emittenten am österreichischen Kapitalmarkt bereits die im Gesetz angeführte "strukturierte Form", welche die Basis der digitalen elektronischen Schnittstelle zu den Emittenten sein wird. Das Ziel ist eine vollständige Digitalisierung des Emissionsprozesses im Interesse des Finanzstandorts Österreich. Dabei soll allen Emittenten ein digitaler, automatisierter und ortsunabhängiger Zugang zum Verwahrsystem der OeKB CSD ermöglicht werden. Schuldverschreibungen und Investmentzertifikate müssen dann nicht mehr physisch am Wertpapierschalter der OeKB CSD eingeliefert werden, sondern können elektronisch begeben werden – schnell, einfach, automatisiert und ortsungebunden. Dies ist auch für internationale Marktteilnehmer ein attraktives Angebot und sollte zu einer neuen Dynamik am österreichischen Finanzmarkt führen. (Georg Zinner, Michael Kollik, 25.2.2021)