Viele alte Dächer könnte man noch ausbauen, es tut sich nicht viel.

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Das Potenzial ist groß: 34.300 Wohnungen könnten in Wien allein auf jenen Gemeindebauten errichtet werden, die zwischen 1950 und 1970 gebaut wurden. Das haben Forscher schon vor einigen Jahren im Projekt "Attic Adapt 2050" ausgerechnet und daraufhin ein Modulsystem entwickelt, das – mit nur kleinen Anpassungen – auf sämtliche dieser Gebäude aufgesetzt werden könnte.

Der große Vorteil dieser Objekte: Ihre Bauweise ist großteils standardisiert, sie verfügen also über gleichartige Grundrisse und Bauteile. Zudem gibt es meist ausreichend Freiraum zwischen den Gebäuden, was bei Nachverdichtung eine wesentliche Rolle spielt.

Projekt eingeschlafen

Bereits vor vier Jahren haben die Forscher rund um den Architekten Martin Treberspurg das Projekt "Attic Adapt 2050" abgeschlossen, mit dem Vorhaben, ihren Aufbau an einem konkreten Objekt zu demonstrieren, und der Hoffnung, dass Bauträger, die über Gebäudebestand aus der Nachkriegszeit verfügen, die Idee serienweise in die Tat umsetzen.

Bei Wiener Wohnen, das für die Wiener Gemeindewohnungen zuständig ist, hieß es damals, "man sei prinzipiell interessiert". Geworden ist aus der Umsetzung aber nichts, sagt Martin Treberspurg heute: "Es gab ein paar potenzielle Projekte, aber dann ist die Sache leider eingeschlafen."

Tatsächlich tut sich auch aktuell nichts in den Dachgeschoßen der Wiener Gemeindebauten. Zwar ist im Regierungsprogramm von SPÖ und Neos von einem "Leuchtturmprojekt" die Rede, wonach in der Gregorygasse 20–26 im 23. Bezirk neue Dachgeschoßwohnungen mit Holzfertigteilen errichtet werden sollen. Laut Wiener Wohnen gibt es für das Projekt aber noch keine konkreten Pläne – etwa bezüglich Baustart oder der Anzahl der neuen Wohnungen, die entstehen werden.

Unkonkrete Zugeständnisse

Und auch sonst hält sich die Zahl der Projekte in Grenzen. "Wiener Wohnen setzt sich mit diesem Ansatz, neuen Wohnraum zu schaffen, auseinander und prüft derzeit Möglichkeiten, auf bestehenden Gemeindebauten sanfte Nachverdichtungen zu schaffen, die auch wirtschaftlich umsetzbar sind", heißt es von der Presseabteilung.

Ganz ähnlich klingt das im Regierungsprogramm, wo ebenfalls eher unkonkrete Zugeständnisse zu finden sind: Man bekenne sich zu den Potenzialen sanfter Nachverdichtungsmaßnahmen. "Indem bereits vorhandene und infrastrukturell gut erschlossene Flächen noch besser genutzt werden, schaffen wir zusätzlichen leistbaren Wohnraum und stellen Synergien her", heißt es weiter. Man setze auf ein maßvolles Vorgehen unter Einbeziehung der Bestandsmieterinnen und -mieter und ihrer Interessen.

Ein heikler Punkt, denn Bedingung für die Aufstockungen ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner während der Bauphase in ihren Wohnungen bleiben können und so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Um die Bauzeit so kurz wie möglich zu halten, sind daher Holzkonstruktionen mit einem hohen Vorfertigungsgrad eine gute Option. Dadurch reduzieren sich laut Martin Treberspurg die Kosten um zehn und die Bauzeit um 20 Prozent.

Sanierung des Gebäudes

Der Aufwand zahlt sich dennoch aus, denn neben dem zusätzlichen Wohnraum, der geschaffen wird, können die Bewohnerinnen und Bewohner insgesamt davon profitieren, da im Zuge der Aufstockung auch meist eine Sanierung des Gebäudes durchgeführt wird. Was das konkret bedeutet, weiß Christoph Treberspurg, ebenfalls Architekt im Familienunternehmen: "Ein Lift wird eingebaut und damit die Barrierefreiheit erhöht, außerdem wird die thermische Qualität des Gebäudes verbessert."

In der Praxis könnte das bedeuten, dass ältere Menschen oder jene, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, in barrierefreie Wohnungen im Dachgeschoß übersiedeln könnten. Auch wäre es denkbar, dass Gemeinschaftsflächen für alle Bewohnerinnen und Bewohner dort entstehen. "Die Nachverdichtung bedeutet auch eine zusätzliche Schaffung von Qualität", so Christoph Treberspurg.

Hitze im Sommer

Doch warum wird dieser Ansatz in Wien dennoch nicht stärker verfolgt? Neben den vielen Herausforderungen, die die Aufstockungen mit sich bringen, könnte mit ein Grund sein, so Martin Treberspurg, dass Dachgeschoßwohnungen in den letzten Jahren ihr gutes Image verloren haben – vor allem jene, die über keine gute Aussicht verfügen.

Der Grund dafür ist die Überhitzung im Sommer, die im Dachgeschoß oft ein Problem ist und der häufig mit teuren Klimaanlagen begegnet wird. Es gibt aber auch nachhaltigere Varianten, so Martin Treberspurg, etwa Flächen heiz- und Kühlsysteme in der Decke, Bauteilaktivierung und Wärmepumpen. Wenn die Dach flächen etwa für Solarenergie genutzt werden, wird die sommerliche Überhitzung reduziert, und der gewonnene Strom kann die erforderlichen Wärmepumpen wirtschaftlich versorgen.

Neu ist die Idee jedenfalls nicht, weiß Martin Treberspurg und nennt einige Beispiele: So wurden etwa schon vor 20 Jahren Gemeindebauten in Wien großzügig mit Dachgeschoßwohnungen ausgestattet, etwa rund um den Margaretengürtel, im Ottakringer Sandleiten- sowie im Penzinger Hugo-Breitner-Hof. Höchste Zeit, dass das Vorhaben wieder Fahrt aufnimmt.

Denn klar ist: Wenn die Stadtbevölkerung so weiterwächst, werden Neubauprojekte nicht reichen, um allen Wienerinnen und Wienern bis ins Jahr 2050 ein Dach über dem Kopf zu geben. Das Aufstocken von Wohnraum nach oben bleibt unvermeidbar. (Bernadette Redl, 31.3..2021)