Die Vor-Ort-Prüfer aus der Notenbank sind erst im Vorjahr auf die Malversationen in der Commerzialbank gestoßen.

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Einer mittelgroßen Klagsflut sieht sich die Republik Österreich gegenüber, ausgelöst von der Pleite der Commerzialbank Mattersburg. Rund ein Dutzend Klagen haben Geschädigte bereits eingebracht, sie argumentieren, dass die Behörden bei der Aufsicht über das Institut versagt hätten.

Tatsächlich wurde die Bank oft und oft geprüft, die Vor-Ort-Prüfer aus der Nationalbank (OeNB) waren im Auftrag der FMA etwa 2015, 2017 und 2020 im Haus. Die Malversationen, die seit mehr als 30 Jahren liefen, fielen erst im Juni 2020 auf – und da gab es eine äußerst detaillierte Whistleblower-Meldung.

Schon im Juni 2015 hatte sich ein Tippgeber bei FMA und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gemeldet, just als eine Prüfung lief. Die FMA informierte die Notenbanker über die Tipps (wie Fake-Kredite und Barauszahlungen), das berichtete sie auch der WKStA, die ja die gleichen Hinweise hatte und einen Anfangsverdacht prüfte. Doch die Malversationen fielen den Prüfern nicht auf; also legte die WKStA die Ermittlungen zurück.

Vorwürfe des Hinweisgebers

All das haben sich zwei Experten der WKStA im Auftrag des nun ermittelnden Staatsanwalts angesehen. Der wollte etwa wissen, ob sich aus dem Prüfbericht vom Oktober 2015 etwas ergeben habe, das die Vorwürfe des Hinweisgebers glaubhaft gemacht hätte. Denn: In dem Fall hätte die Behörde ja ein Verfahren aufnehmen müssen.

Aus dem Prüfbericht erschließen sich solche Anhaltspunkte aber nicht. Die Experten kommen in ihrer "wirtschaftskundigen Stellungnahme" zu keinem Ergebnis, mit dem sich die Aufseher rühmen könnten. Sie stellten eine Chronologie zum Informationsfluss auf und studierten den Prüfbericht, den die OeNB am 27. Oktober 2015 an die FMA übermittelt hatte. Darin wurden ja 65 Mängel festgestellt, das Kreditmanagement sei "deutlich negativ" dargestellt worden, heißt es in der Expertise. Die Prüfungsfeststellungen beschrieben "unzweifelhaft Umstände (...), wie sie auch bei fingierten Krediten auftreten können". Das von den Prüfern beschriebene "deutlich mangelhafte organisatorische Umfeld" könne "das Erfolgspotenzial fingierter Kredite maßgeblich begünstigen". Zudem legten die Erkenntnisse nahe, die Banker hätten "wirtschaftlich nicht vertretbar" gehandelt.

Whistleblower-Tipps

Allerdings: Auf die Whistleblower-Tipps nahm die OeNB im Bericht gar keinen Bezug. Es sei daher, so der Schluss der Experten, nicht nachvollziehbar, worauf sich die FMA bezog, als sie der WKStA im Jänner 2016 mitteilte, dass der "Vorwurf des Whistleblowers gegen die Bank nicht bestätigt werden konnte". Unterlagen legte sie nicht bei.

Das Erstaunen der Experten verwundert nicht, denn die OeNB hat der FMA ihre "Erkenntnisse (...) zur Whistleblower-Meldung" erst nach Oktober 2015 geschickt, ihren Weg zur WKStA fand dieser fünfseitige Bericht überhaupt erst Ende 2020.

Wobei auch die Extraprüfung nichts an der Sicht der Vor-Ort-Prüfer änderte: "Der gemeldete Verdacht wurde nicht erhärtet." Die OeNB weist seit jeher darauf hin, dass sie derartige Malversationen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht finden könne. (Renate Graber, 26.2.2021)