Kardinal Rainer Maria Woelki kommen die Schäfchen abhanden.

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Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, redete am Donnerstag nicht lange um den heißen Brei herum. "Jeder Kirchenaustritt tut weh", sagte er zum Abschluss der Frühjahrssitzung der Bischöfe. Aber verstehen könne er die Abtrünnigen schon. Denn: Das Bild, das die Kirche derzeit abgebe, sei "skandalös".

Das sehen viele frustrierte Gläubige auch so. In Köln, dem größten deutschen Erzbistum, ist derzeit eine regelrechte Rebellion im Gange. Am Freitag wollten so viele einen Online-Termin für ihren Kirchenaustritt beantragen, dass der Server zusammenbrach. Nun sind die Termine bis Ende April ausgebucht.

"Untaugliches" Gutachten

Raus wollen die Enttäuschten wegen Rainer Maria Woelki, seit dem Jahr 2014 Erzbischof von Köln. Der konservative Kirchenmann steht auch im Rang eines Kardinals und hat bei der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl ein Gutachten über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in Auftrag gegeben. Untersucht wurde, wie Verantwortungsträger des Erzbistums reagiert haben, wenn Priester von Kindern des Missbrauchs beschuldigt wurden.

Das Gutachten ist längst fertig, aber Woelki will es nicht veröffentlichen. Es sei wegen handwerklicher Fehler "untauglich", weise Mängel auf und sei "nicht gerichtsfest".

Keine Haltung gezeigt

Schnell stand der Verdacht im Raum, Woelki wolle etwas vertuschen. Der Spiegel berichtete, in dem Gutachten sei von mehr als 300 Verdachtsmeldungen, mehr als 300 Opfern und mehr als 200 Beschuldigten im Untersuchungszeitraum seit dem Jahr 1975 die Rede.

"Der Erzbischof von Köln hat als moralische Instanz versagt und zeigt bis heute keine Haltung", kritisiert der Vorsitzende des Diözesanrats, Tim Kurzbach. Woelki hat der Rat das Vertrauen aufgekündigt.

Der Erzbischof schwieg zunächst lange und zeigte dann doch Bedauern über die verfahrene Situation: "Das tut mir von Herzen leid." Doch er verteidigte auch das Zurückhalten der Studie, man benötige eine "bestimmte qualitative und quantitative Faktenlage".

Deshalb hat er ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben – diesmal bei der Kölner Strafrechtskanzlei Gercke Wollschläger. Am 18. März soll es vorgestellt werden. Dann könne man "gemeinsam den Weg der Veränderung und Verbesserung gehen", sagt Woelki.

Warten auf zweites Gutachten

Die Münchener Kanzlei, die das erste Gutachten erstellt hatte, wollte den Vorwurf der Schlampigkeit nicht auf sich sitzen lassen und bot eine Veröffentlichung der Untersuchung auf ihrer eigenen Website an. Doch Woelki stimmte dem nicht zu.

Sein Verhalten kommt auch bei den Bischofskollegen nicht gut an, deren Möglichkeiten sind aber begrenzt. Das gilt auch für den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bätzing, der von Woelki die Veröffentlichung der ersten Analyse fordert.

Weder die Bischofskonferenz noch einzelne Bischöfe hätten die Möglichkeit "in Köln hineinzugrätschen". Die Situation nannte Bätzing ein "Desaster". Es bleibe jetzt aber nichts anderes übrig, als das zweite Gutachten abzuwarten. (Birgit Baumann aus Berlin, 25.2.2021)