ÖVP-Klubobmann August Wöginger hielt eine Pressekonferenz zu "Verfehlungen" der Korruptionsermittler.

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Nahezu mantraartig haben Vertreter der ÖVP seit der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel dieselben Kritikpunkte gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wiederholt. Sie monierten beispielsweise das Vorgehen der Korruptionsjäger in der Causa BVT, wo es zu einer nachträglich für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchung gekommen war – oder die lange Verfahrensdauer, die Beschuldigte belaste.

Regelmäßig thematisiert wurden auch angebliche Aktenweitergaben durch die WKStA. "Man hat durch zahlreiche Leaks falsche Anschuldigungen verbreitet", meinte etwa der türkise Klubobmann August Wöginger. Auch Verfassungsministerin Karoline Edstadtler, selbst karenzierte stellvertretende Leiterin der WKStA, erwähnte in ihrer Aufzählung von angeblichen Verfehlungen der Behörde, dass "Aktenteile in die Öffentlichkeit gelangen". ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker schrieb in einer Presseaussendung von "WKStA-Leaks"; Kanzler Kurz sprach von "vielen Verfehlungen" dort: "Immer wieder gibt es in Österreich Leaks." Auch in seinem Brief an die WKStA erwähnte Kurz "fehlerhafte Fakten und falsche Annahmen aus Ihren Akten, die an die Öffentlichkeit gelangt sind".

Derartige Aussagen könnten allerdings ein Nachspiel für die türkisen Politiker haben. Denn sie unterstellen der WKStA beziehungsweise deren Oberstaatsanwälten ein strafbares Verhalten. Gibt ein Ermittler Aktenteile weiter, verletzt er das Amtsgeheimnis und begeht Amtsmissbrauch.

Anfragen der Opposition

Wenn Wöginger, Kurz und Co wussten, dass sie die WKStA "falsch verdächtigen" und trotzdem derartige Behauptungen aufstellen, dann könnten sie selbst das Delikt der Verleumdung begangen haben. So argumentieren zumindest die Neos in einer parlamentarischen Anfrage. Sie weisen darauf hin, dass wegen ähnlicher Aussagen von Kanzler Kurz zu Leaks aus der WKStA bereits ein Strafverfahren geführt und mangels Beweisen wieder eingestellt wurde. Sowohl die Zeugenaussagen von Kanzler Kurz als auch die seines Kronzeugen, des Journalisten Richard Schmitt (einst "Krone", "Ö24"), lieferten keine konkreten Hinweise auf Leaks durch die WKStA.

Die Neos verlangen nun, dass das Justizministerium das Protokoll der staatsanwaltschaftlichen Zeugeneinvernahme von Sebastian Kurz an den U-Ausschuss liefert. Außerdem wollen sie vom Bundeskanzleramt wissen, ob sich Kurz über Akten-Leaks mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne) oder Sektionschef Christian Pilnacek, der aufseiten der ÖVP in den Regierungsverhandlungen das Justizprogramm mitverhandelt hat, unterhalten hat.

WKStA ist zurückhaltend

Auch der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan will in einer Anfrage wissen, ob die Staatsanwaltschaft gegen den türkisen Klubobmann August Wöginger ermittelt.

Die WKStA sagt auf Anfrage, dass ein rechtliches Vorgehen gegen derartige Aussagen für sie "derzeit kein Thema" sei. Anfang des Jahres war die Behörde in die Kritik geraten, weil sie einen Journalisten der Presse wegen Verleumdung und "Beleidigung einer Behörde" bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt hatte. Für diesen Schritt hagelte es Kritik, die StA Wien nahm nicht einmal Ermittlungen auf.

Allerdings bräuchten Ermittlungen wegen Verleumdung gegen ÖVP-Politiker nicht die Zustimmung der WKStA. Dieses Delikt kann von Amts wegen verfolgt, die StA Wien etwa von jeder Bürgerin und jedem Bürger in Form von Sachverhaltsdarstellungen darauf aufmerksam gemacht werden.

Auf eine Anfrage, ob derartige Anzeigen bereits eingegangen sind oder sogar schon Ermittlungen geführt werden, reagierte die StA Wien am Donnerstag nicht; für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Angriffe der ÖVP gegen die WKStA gingen unbeeindruckt davon weiter: So kritisierte Justizsprecherin Steinacker per Presseaussendung erneut die WKStA, weil diese angeblich den Beschuldigtenstatus von Ex-Justizminister und derzeitigem Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) geheim gehalten hatte. Der Haken dabei: Die Ermittlungen führt die StA Wien, nicht die WKStA.

Ermittler im Ministerium

Auch in der Causa Blümel gab es wieder Bewegung: Wie der "Kurier" berichtete, führte die WKStA eine sogenannte Sicherstellung im Finanzministerium durch. Sie suchte dort nach Kommunikation mit dem italienischen Finanzministerium bezüglich des "Problems in Italien", das die Novomatic offenbar mithilfe von ÖVP-Politikern lösen wollte.

Eine SMS des damaligen Novomatic-Chefs Harald Neumann an Gernot Blümel im Juli 2017, in der Neumann um einen Termin beim damaligen Außenminister Kurz wegen erstens Spende, zweitens Problem in Italien bat, führte ja zur Hausdurchsuchung beim amtierenden Finanzminister.

Diese soll übrigens nicht beim ersten Anlauf von der zuständigen unabhängigen Richterin genehmigt worden sein. Diese fragte vielmehr bei der WKStA nach, was der Zweck der Hausdurchsuchung sei. Die WKStA argumentierte laut "Falter", dass Blümel offenbar nicht nur sein Diensthandy, sondern auch noch ein weiteres Gerät für berufliche Kommunikation verwende. Bei der Hausdurchsuchung hoffe man, das entsprechende Smartphone zu finden. Aus der ÖVP hieß es, dass Blümel stets dieselbe Telefonnummer benutze. Am Freitag soll es jedenfalls zur ersten offiziellen Beschuldigteneinvernahme von Blümel kommen. Ihm wurde ein Termin am Vormittag bei der WKStA avisiert. (Fabian Schmid, 26.2.2021)