Seit 1908 war dieses von Carl Moll gemalte Interieur, das Berta Zuckerkandl in ihrem Speisezimmer in Döbling zeigt, nicht mehr öffentlich zu sehen.

Freeman's Auction

Philadelphia – Das in Philadelphia angesiedelte US-Auktionshaus Freemans war hierzulande bis vor kurzem kaum jemanden bekannt. Das änderte sich spätestens Dienstagabend, als sich die Kunde von einem erstaunlichen Auktionspreis für ein Werk des österreichischen Malers Carl Moll (1861-1945) zu verbreiten begann: 4,75 Millionen Dollar (inkl. Aufgeld) oder umgerechnet 3,9 Millionen Euro.

Ein erstaunlich hoher, um nicht zu sagen völlig verrückter Preis, ein Weltrekord für den Künstler jedenfalls. Bislang rangierten seine Arbeiten aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in einer Größenordnung von etwa 130.000 Euro.

Der bisherige Auktionsrekord lag bei 240.000 Euro, die "Auctionata" im Sommer 2013 für die "Frühling" betitelte und um 1903 datierte Gartenansicht einer Villa erzielte. Über den Kunsthandel (Wienerroither & Kohlbacher) landete dieses schließlich in der Sammlung des US-Amerikaners Richard Grubman (Wyoming).

Interieur im Hause Zuckerkandl

"Weisses Interieur", so der Titel des neuen Rekordhalters, war zuletzt 1908 in einer Ausstellung in Wien zu sehen gewesen und der Verbleib seither unbekannt. Selbst im jüngst vom Belvedere publizierten Werkverzeichnis zum Schaffen Carl Molls, ist es nur über eine Schwarz-Weiß-Aufnahme dokumentiert.

Laut den Provenienzangaben des Auktionshauses befand es sich durchgehend in Familienbesitz und kam in den 1970er-Jahren durch eine Übersiedlung von Frankfurt nach Kalifornien in die USA.

Das Interieur datiert aus dem Jahr 1905 und zeigt das Speisezimmer im in Döbling gelegenen Haus der Familie Zuckerkandl: Emil, bekannter Anatom, und Berta, Tochter des Verlegers und Zeitungszampanos Moritz Szeps und prominenteste Salonière im Wien der Jahrhundertwende. Moll, Mitbegründer der Wiener Sezession, zeitweiliger Betreiber der Galerie Miethke und umtriebiger Impressario der damaligen Kunstszene, verewigte in dem Bild die über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Journalistin und Kunstkritikerin: umgeben von Zeugnissen ihrer persönlichen Sammlerleidenschaft, etwa den in den Vitrinen erkennbaren Objekten asiatischer Herkunft.

Gastspiel bei Ronald Lauder?

Selten gab es ein Bild, das die Wiener Moderne derart authentisch visualisiert. Damit verkörperte es eine Trophäe, für die sich auch einige namhafte Sammler und Kunsthändler aus Österreich in den Kampf stürzten. Einem Insider zufolge gehörte auch die Sammlung Horten zu den Unterbietern.

Innerhalb von nicht einmal zehn Minuten war der Schätzwert (300.000 bis 500.000 Dollar) überboten, vor allem Dank des letztlich siegreichen Käufers, der höhere Gebotsschritte als üblich diktierte. Letzteres entspricht nicht den Usancen Ronald Lauders, der als potenzieller neuer Besitzer kolportiert wird. Zumal ihm Molls Tändelei mit den Nationalsozialisten stets ein Dorn im Auge gewesen sein soll.

Auf Anfrage bestätigt das Auktionshaus lediglich, dass es sich bei dem Käufer um einen US-amerikanischen Sammler handle, der zwar anonym bleiben möchte, jedoch einen Gastauftritt des Werkes in der "Neuen Galerie", dem von Lauder gegründeten Museum in New York, in Aussicht stellt. Wer der von Freemans als Österreicher bestätigte Unterbieter war, der vor dem Zuschlag noch ambitioniert 3,5 Millionen Dollar bot, bleibt ein Geheimnis. Vorerst. (Olga Kronsteiner, 26.2.2021)